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       # taz.de -- Kritik an Kooperation mit Ministerium: „Google bevorzugt den Staat“
       
       > Thomas Fuchs von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein erklärt,
       > warum er gegen die Kooperation von Google mit dem Gesundheitsministerium
       > ist.
       
   IMG Bild: Sollten diese beiden zusammenarbeiten? Vize-Präsident von Google Europa Philipp Justus und Jens Spahn
       
       taz: Herr Fuchs, letzte Woche hat die Medienanstalt
       Hamburg/Schleswig-Holstein ein Verfahren gegen Google eingeleitet. Worum
       geht es? 
       
       Thomas Fuchs: Wir prüfen die Kooperation von Google mit dem
       Bundesgesundheitsministerium. Bei der Internetsuche nach mindestens 160
       Krankheiten – von Asthma bis Windpocken – wird seit November der Inhalt des
       Portals gesund.bund.de, das vom Ministerium finanziert wird, von Google
       bevorzugt angezeigt. Es besteht der Verdacht, dass dadurch private
       journalistische Anbieter unzulässig benachteiligt werden.
       
       Das ist das erste Verfahren gegen eine Internetplattform auf Basis des
       neuen Medienstaatsvertrags. Gibt es keine wichtigeren Probleme? 
       
       Wenn Suchmaschinen bestimmte Angebote bevorzugen oder diskriminieren, ist
       das in der Regel schwer nachzuvollziehen. Hier aber hat Google die
       Bevorzugung von gesund.bund.de auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit
       Minister Jens Spahn öffentlich angekündigt. Der Sachverhalt ist also
       eindeutig und wir können uns ganz auf die wichtigen Rechtsfragen
       konzentrieren.
       
       Gegen welche Vorschrift soll diese Kooperation verstoßen? 
       
       Sie könnte gegen das Diskriminierungsverbot im Medienstaatsvertrag, Artikel
       94, verstoßen. Danach darf eine Internetplattform beim Ranking nur mit
       sachlichem Grund von ihrem üblichen Suchalgorithmus abweichen. Und sie darf
       niemanden unbillig behindern.
       
       Liegt der „sachliche Grund“ für die Bevorzugung nicht auf der Hand? Bei
       gesund.bund.de informiert faktisch der Staat. Er hat kein Interesse, durch
       reißerische Darstellung die Klickzahl zu erhöhen, um mehr Werbung zu
       verkaufen. 
       
       Dass hier der Staat handelt, sehe ich eher als ein Problem. Ist es denn
       eine staatliche Aufgabe, journalistisch gestaltete Gesundheitsinformationen
       ins Netz zu stellen – und damit privaten Medien Konkurrenz zu machen?
       
       Der Staat garantiert hier für die Seriosität der Inhalte. Ist das bei
       sensiblen Gesundheitsthemen nicht sinnvoll? 
       
       Bei der Google-Suche nach Gesundheitsinformationen stehen aber auch sonst
       keine unseriösen Angebote oben auf der Trefferliste. Wir haben das
       untersucht: Die Top 3 bei Gesundheitsthemen sind apotheken-umschau.de,
       netdoktor.de und gesundheitsinformationen.de. Das zeigt, dass es eigentlich
       keine Notwendigkeit gibt, ein staatliches Angebot pauschal zu bevorzugen.
       
       Private journalistische Angebote stehen im Google-Ranking weiterhin oben.
       gesund.bund.de steht nur in einem Infokasten rechts daneben. 
       
       Es ist dennoch eine bevorzugte Präsentation von gesund.bund.de und ist ja
       auch so gedacht. Auf dem Smartphone steht der Kasten sogar vor der
       Trefferliste.
       
       Die Abweichung vom normalen Suchalgorithmus ist doch durch die abweichende
       Darstellung im Kasten transparent. Kommt es darauf nicht an beim
       Medienstaatsvertrag? 
       
       Eigentlich ja. Aber hier weicht Google von seinem Algorithmus nicht ab,
       sondern ignoriert ihn quasi. Da reicht Transparenz nicht aus. Ich sehe
       zudem Probleme mit dem Verbot der „unbilligen“ Behinderung anderer
       Angebote. Dabei geht es um eine allgemeine Interessenabwägung.
       
       Halten Sie es auch für „unbillig“, wenn Facebook unseriöse
       Corona-Informationen als solche markiert und im Ranking nach hinten
       verschiebt? 
       
       Eindeutig nein, wenn es um Verschwörungstheorien zu Corona geht, dann sind
       Eingriffe der Internetplattformen sicher gerechtfertigt. Aber nicht bei
       jeder Krankheit gibt es solche Desinformationen.
       
       Wie lange wird das Verfahren gegen Google dauern? 
       
       Google hat eine Frist bis Mitte Februar, um Stellung zu nehmen. Eine
       Entscheidung sollte noch im zweiten Quartal 2021 fallen. Am Ende
       entscheiden die 14 Landesmedienanstalten gemeinsam.
       
       Hat das Verfahren grundsätzliche Bedeutung? 
       
       Zunächst geht es nur um Googles Umgang mit dem Portal gesund.bund.de. Aber
       die Frage strahlt natürlich aus. Was wäre, wenn Google mit dem
       Landwirtschaftsministerium vereinbart, dass dessen Inhalte bei der Suche
       nach Ernährungsthemen immer oben stehen?
       
       21 Dec 2020
       
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