# taz.de -- Polizist tötet Zivilisten in den Philippinen: Empörung über Polizeigewalt
> Ein Polizist außer Dienst erschießt im Streit kurzerhand seine Nachbarn.
> Ein Einzelfall oder das Symbol einer außer Kontrolle geratenen Polizei?
IMG Bild: Protestaktion gegen Staatspräsident Rodrigo Duterte und Polizeigewalt Mitte Juni in Manila
Berlin taz | Im Ort Paniqui nördlich der philippinischen Hauptstadt Manila
hat ein Polizist außer Dienst am Sonntagabend in einem Streit seine
Nachbarin und ihren Sohn kaltblütig erschossen. Der Fall hat landesweit
Empörung ausgelöst und die Kritik an den zahlreichen Todesopfern der
philippinischen Polizei befeuert.
Berichten zufolge gab es schon längere Zeit Konflikte zwischen den
benachbarten Familien. Jetzt soll Krach den Polizisten dazu gebracht haben,
mit seiner Tochter seine Nachbarin, die 52-jährige Sonya Gregorio, und
ihren 25-jährigen Sohn, Frank Anthony Gregorio, zur Rede zu stellen.
Als die Auseinandersetzung hitziger wurde, drohte die Tochter damit, dass
ihr Vater Polizist sei. Die Nachbarin tat dies ab, worauf der in zivil
gekleidete Polizist Jonel Nuesca seine Dienstwaffe zog und kurzerhand die
Mutter und dann den Sohn aus nächster Nähe mit Kopfschüssen tötete.
Doch der Vorfall wurde mit einem Handy gefilmt und das Video ins Internet
gestellt, wo es unter den Hashtags #StopTheKillingsPH,
#JusticeForSonyaGregorio und #EndPoliceBrutality viral ging. Es wurde
allein bis zum frühen Montagabend 750.000-mal geklickt, obwohl sich wegen
der Brutalität auch viele weigerten, es zu verlinken.
## Debatte über Polizeigewalt in den Philippinen
Dem Film ist es zu verdanken, dass sich die Tat in keinster Weise
beschönigen ließ. Der 46-jährige Nuesca war zunächst geflohen, stellte sich
aber bald der Polizei, die ihn festnahm.
Der Fall setzte eine Debatte über die in den Philippinen verbreitete
Polizeigewalt, über die vielen Fälle extralegaler Hinrichtungen sowie über
die anhaltende Straflosigkeit der Sicherheitskräfte auf die Tagesordnung.
Denn bisher hat der seit Mitte 2016 amtierende Staatspräsident Rodrigo
Duterte Polizisten stets ermuntert, keine Gnade zu zeigen und schnell zu
töten. Er versprach auch schon mehrfach, die Beamten vor Strafverfolgung zu
schützen.
Im von Duterte erklärten „[1][Krieg gegen die Drogen]“ sind bisher von der
Polizei nach eigenen Angaben rund 5.900 mutmaßliche Drogendealer und
-konsumenten getötet worden. Menschenrechtsgruppen schätzen die Zahl eher
auf bis zu 30.000, wobei sie viele Polizisten verdächtigen, Mitglieder von
Todesschwadronen zu sein. [2][Verurteilt] für die zahlreichen Tötungen
wurde bisher fast niemand.
Am Abend bezeichnete Duterte in seiner wöchentlichen Fernsehansprache das
Verhalten des Polizisten als „[3][verrückt]“. Seine Regierung spricht von
einem Einzelfall. „Die Sünde von Nuesca ist nicht die Sünde der gesamten
Nationalpolizei der Philippinen“, erklärte etwa Innenminister Eduardo Año.
Präsidentensprecher Harry Roque kündigte an, der Täter werde „ohne Wenn und
Aber“ verurteilt.
## Human Rights Watch: Polizisten seien „außer Kontrolle“
Doch Kritiker verweisen darauf, dass die Regierung erst selbst die
Atmosphäre befördert habe, die solche Morde erleichtere. Phil Robertson von
Human Rights Watch sagte, viele Angehörige der philippinischen Polizei
seien „außer Kontrolle“.
Die kritische Nachrichtenwebseite [4][Rappler], die von Dutertes Regierung
mit juristischen Tricks bedroht wird, verwies darauf, dass der jetzige
Polizeichef erst die Praxis eingeführt habe, dass Polizisten nach
Dienstschluss ihre Waffen mit nach Hause nehmen können.
Die in Opposition zu Duterte stehende und von ihm völlig marginalisierte
Vizepräsidentin Leni Robredo verweist darauf, dass der jetzige Täter schon
mehrfach wegen Disziplinarverstößen bis hin zu zwei Mordvorwürfen auffällig
geworden sei, aber noch nie dafür belangt wurde.
21 Dec 2020
## LINKS
DIR [1] /Kommentar-Dutertes-Drogenpolitik/!5435977
DIR [2] /Kommentar-Philippinische-Polizisten/!5551526
DIR [3] https://newsinfo.inquirer.net/1374523/too-brutal-duterte-scorns-crazy-cops-killing-of-mother-and-son-in-tarlac
DIR [4] /Pressefreiheit-in-den-Philippinen/!5692627
## AUTOREN
DIR Sven Hansen
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