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       # taz.de -- Nachwuchs-Quarterback im Football: Nur Verlieren zählt
       
       > Die New York Jets sind die Lachnummer der NFL. Sie machen eigentlich
       > alles falsch, selbst wenn sie ausnahmsweise mal gewinnen.
       
   IMG Bild: Ungewohnte Jubelpose: die New York Jets feiren ihren Sieg gegen die Rams
       
       Die New York Jets kriegen echt gar nichts auf die Reihe. Seit Jahren sind
       sie die Lachnummer der NFL, zuletzt eine [1][Super Bowl gewonnen haben sie
       1968]. Die Neuverpflichtungen der Jets entpuppen sich regelmäßig als
       Enttäuschungen und hoffnungsvolle Nachwuchstalente zerbrechen am Druck in
       der Medien-Metropole. Ihr aktueller Trainer redet schlimmen Stuss, wenn er
       sich nicht gerade mit Reportern streitet, und wird am Saisonende sowieso
       gefeuert.
       
       Unlängst wurde aber erst einmal einer seiner Assistenztrainer
       rausgeschmissen, weil er sich zum wiederholten Male als inkompetent
       erwiesen hatte. Als noch Zuschauer ins Stadion durften, zogen sich nicht
       wenige Papptüten über den Kopf. Unlängst sendete ein TV-Sender einen
       Fake-Werbeclip für ein Medikament namens „Forgetitol“, das Jets-Fans all
       die Niederlagen vergessen lassen soll. Und als wäre die Häme noch nicht
       genug, haben die Jets jetzt auch noch ein Spiel gewonnen.
       
       Ein Spiel gewinnen? Ist das nicht was Gutes? Nicht, wenn man den New Yorker
       Fans glaubt. Nach dem überraschenden 23:20 gegen die Los Angeles Rams am
       Sonntag tweetete jemand: „Dämliche Jets.“ Ein anderer: „Die nächsten 15
       Jahre des Klubs sind ruiniert.“ Und ein dritter: „Sogar, wenn wir gewinnen,
       verlieren wir.“
       
       Denn mit dem Sieg, dem ersten der Saison nach 13 Pleiten, sind die Chancen
       der Jets die Saison mit der schlechtesten Bilanz der Liga abzuschließen,
       plötzlich sehr viel schlechter. Der Klub mit der schlechtesten Bilanz aber
       hat das Recht, sich beim Draft als erster aus dem Talent-Pool der
       College-Spieler zu bedienen. Und es ist jetzt schon klar, wer beim Draft im
       kommenden Frühjahr als erster ausgewählt wird: Trevor Lawrence gilt als
       größtes Quarterback-Talent seit Jahrzehnten.
       
       ## Der nächste „Golden Boy“
       
       Einer, der so werden könnte wie [2][Tom Brady], [3][Peyton Manning] oder
       [4][Patrick Mahomes]. Ein „Golden Boy“, der nicht nur sportlich talentiert,
       sondern auch noch fleißig und intelligent, streng gläubig und charakterlich
       einwandfrei bis zur Langweiligkeit ist. Der Spielmacher, der in drei Jahren
       College-Football nur ein einziges Spiel verloren hat, seine Clemson Tigers
       zuletzt zwei Mal in Folge ins Endspiel führte, wird mit seinen langen
       Haaren und der einprägsamen Kinnpartie das kommende Aushängeschild einer
       Franchise werden – fragt sich nur welcher.
       
       Nach dem Pyrrhus-Sieg der Jets haben im großen
       Schlecht-spielen-für-Trevor-Wettbewerb nun die ebenso erbärmlichen
       Jacksonville Jaguars die Nase vorn. Gelingt es ihnen, auch noch ihre beiden
       letzten Saisonpartien zu vergeigen, kann sich Lawrence schon mal eine
       Bleibe in Florida suchen. Da käme er aber auch nur vom Regen in die Traufe:
       Egal ob Jets oder Jaguars, beide Klubs gelten als dermaßen katastrophal
       geführt, dass selbst eine solche Ausnahmebegabung scheitern könnte.
       
       Denn ohne eine vernünftige Offensive Line, die ihn vor heranstürmenden
       Verteidigern schützen kann, ohne gute Wide Receiver, die seine Pässe fangen
       und ohne einen schlauen Trainer, der ihm die entsprechende Taktik auf dem
       Modellathletenleib schneidert, steht auch ein Jahrhunderttalent auf
       verlorenem Posten. Davon kann ein gewisser Sam Darnold ein Liedchen singen.
       Der galt als großes Quarterback-Talent und wurde im Draft 2018 als dritter
       Spieler ausgewählt. Nur leider von den New York Jets. Keine drei Jahre
       später ist Darnold statistisch gesehen einer der schlechtesten Quarterbacks
       der NFL.
       
       Bleibt noch die Frage, ob der vermeintliche Heilsbringer nicht nur
       intelligent ist, sondern auch so schlau, dass er erst gar nicht mitmacht
       bei diesem Spielchen, das er eigentlich nur verlieren kann. Er wäre nicht
       der erste als Retter apostrophierte Quarterback, der sich weigerte für den
       schlechtesten Klub der Liga aufzulaufen. Sowohl John Elway als auch Eli
       Manning erzwangen noch am Tag des Drafts Tauschgeschäfte, die sie zu
       anderen Klubs brachten – mit denen sie später jeweils zwei Mal die
       Super-Bowl gewannen.
       
       22 Dec 2020
       
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