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       # taz.de -- Christchurch-Nachahmer vor Gericht: Keine Ideologie, kein Attentat
       
       > Ein 22-Jähriger hatte in Niedersachsen ein Attentat auf eine Moschee
       > angekündigt. Alles nur ein Streich, behauptete er jetzt vor dem
       > Landgericht Hildesheim.
       
   IMG Bild: Er habe bloß provozieren wollen, behauptet Felix F vor Gericht
       
       Hildesheim taz | Vor dem Landgericht Hildesheim hat sich am Freitag der
       22-Jährige geäußert, dem [1][die Generalstaatsanwaltschaft Celle vorwirft,
       einen Anschlag] auf Muslime nach dem Vorbild von Christchurch geplant zu
       haben. Ihm wird unter anderem Androhung von Straftaten, Volksverhetzung,
       Beleidigung und Bedrohung vorgeworfen.
       
       Es sei ja alles gar nicht so gemeint gewesen, lautet im Wesentlichen die
       Verteidigungslinie von Felix F. Nie im Leben habe er ernsthaft vorgehabt,
       einen Anschlag zu verüben, sagt er.
       
       [2][Anders als die Attentäter von Utøya, Christchurch oder Halle] hat er
       kein Manifest mitgebracht, keine große Rede vorbereitet. Er blättert
       planlos in der Anklageschrift hin und her, und es braucht einige Nachfragen
       von der Richterbank, der Staatsanwältin, vom psychiatrischen Gutachter,
       damit er ins Erzählen kommt.
       
       Er selbst folge gar keiner Ideologie, betont er immer wieder. Im Internet
       schreibe man eben solche Sache. Er habe einfach nur mitmachen und
       akzeptiert werden wollen.
       
       ## Seine Neigung nach rechts kann er nicht erklären
       
       Und der Tag, an dem er einem ihm unbekannten Chatpartner schrieb, er stehe
       bewaffnet vor einer Moschee und werde jetzt gleich den Livestream starten,
       auf dem sein Attentat zu sehen sein soll? Ein Streich, sagt F.
       
       Richtig erklären, was ihn ausgerechnet an rechten Foren angezogen habe,
       kann er nicht. Das sei ja alles auch „auf Humor ausgelegt“ mit Memes und so
       weiter, das gebe es woanders in der Form halt nicht.
       
       Es sei ihm auch nicht gut gegangen zu dieser Zeit, er hatte die Nächte auf
       Amphetamin durchgemacht und eine Menge getrunken. Die Frage danach, was er
       gemacht habe, nachdem der Chat abbrach, kann er nicht so recht beantworten.
       Vielleicht war er einkaufen.
       
       Die Waffen, die man bei ihm gefunden hat – zwei Armbrüste, vier Messer, ein
       Teleskopschlagstock –, habe er teils zu Selbstverteidigung und teils aus
       Trotz angeschafft, sagt er.
       
       ## Psychische Probleme und Drogen sollen schuld sein
       
       Die Staatsanwaltschaft glaubt allerdings an eine klassische
       Online-Radikalisierung. Sie wirft ihm auch Äußerungen vor, die schon 2017
       in einem Facebook-Chat gefallen sind. Damals soll er – offenbar über die
       Internetverbindungen seines früheren Stiefvaters – eine 15-Jährige erst
       belästigt, dann beleidigt und bedroht haben. Das leugnet F. aber. „Das war
       ich nicht“, behauptet er mehrfach.
       
       Andere Äußerungen – die durchaus ähnlich klingen – räumt er ein, redet sie
       aber klein. Er habe halt provozieren wollen. Und die handschriftlichen
       Aufzeichnungen, die man bei ihm gefunden habe? „Wie provozieren die denn,
       wenn sie doch niemand zu Gesicht bekommt?“, fragt die Staatsanwältin.
       Vorbereitungen seien das gewesen, erklärt der Hildesheimer. Studien quasi,
       damit er auch glaubwürdig rüber [3][kommt in den rechten Foren].
       
       Immer wieder geht es dann um F.s sich früh abzeichnende psychische
       Probleme, seinen Drogenkonsum, seine Lebensumstände. Mit 17 zog er von
       zuhause aus, hauste zuletzt allein in seiner zunehmend vermüllten Wohnung,
       ging selten vor die Tür, hatte panische Angst, Leute ins Haus zu lassen,
       selbst die eigenen Eltern.
       
       ## Eltern haben Hilfe gesucht
       
       Die Eltern bestätigen diese Darstellung in ihrer Aussage. Nur von dem
       massiven Drogen- und Alkoholkonsum ihres Sohnes wollen sie so nichts
       mitbekommen haben. Auch darüber, womit sich Felix F. inhaltlich befasste,
       wussten sie nicht viel. Dafür betonen sie, wie früh und wie lange sie immer
       wieder Hilfe gesucht hätten: bei Psychiatern, beim Jugendamt, beim Gericht
       – auch als das Kind längst volljährig war und sich auf Behandlungen und die
       Betreuung nicht mehr einlassen wollte.
       
       Die Frage, wie schuldfähig F. überhaupt ist und wie ernst man seine
       verschiedenen rassistischen und auch frauenfeindlichen Drohungen nehmen
       muss, wird das Gericht noch eine Weile beschäftigen. Bisher sind sieben
       weitere Verhandlungstermine angesetzt, der nächste am 4. Januar.
       
       19 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
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