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       # taz.de -- Die längste Nacht des Jahres: Bitte mehr Licht in dunklen Zeiten
       
       > Alles wird immer schlimmer!? Doch es gibt Hoffnung. Denn es geht endlich
       > wieder bergauf: Am 21. Dezember ist Wintersonnenwende.
       
   IMG Bild: Fällt dieses Jahr auch aus: In Stonehenge wird sonst die Wintersonnenwende gefeiert
       
       Die Zahl der täglichen Coronatoten ist auf einem neuen Höchststand, Hertha
       kann nicht einmal gegen Mainz gewinnen, und dann macht auch noch der
       Glühweinverkauf der Eckkneipe dicht – es scheint so, als gebe es keine
       Hoffnung mehr für Berlin. Vermutlich haben die Pandas im Zoo auch noch
       Migräne in diesen Tagen, aber niemand traut sich, uns diese weitere
       Schreckensmeldung zuzumuten.
       
       Es wird dunkel in Berlin. Und das ist nicht nur ein subjektiver Eindruck.
       Die Weihnachtsbeleuchtung am Ku’damm musste in diesem Jahr aus Geldgründen
       reduziert werden. Nur noch 140 Kilometer Lichterketten und 140.000
       LED-Lämpchen kämpfen dort verzweifelt gegen die Finsternis! Auch sonst wird
       es kaum noch hell. Kürzer und kürzer werden die Tage, die Sonne geht
       kommenden Montag, am 21. Dezember, nach nur 7 Stunden und 39 Minuten schon
       um 15.54 Uhr wieder in den Lockdown – Wintersonnenwende! Das Prämenstruelle
       Syndrom im Jahreszyklus.
       
       Immer schon hat die Zeit der kürzesten Tage die Menschen beeindruckt und zu
       allerlei Budenzauber animiert, um der astronomisch aufoktroyierten
       Dunkelheit etwas entgegenzusetzen. Julfest, Weihnachten,
       Helene-Fischer-Show. Und natürlich „Räuchern zur Wintersonnenwende –
       Rituale mit Kindern“. Ob SS, FDJ oder Feng Shui – praktisch alle großen
       deutschen Denkschulen feiern traditionell die Wintersonnenwende. Zumal
       direkt danach [1][die 12 Rauhnächt]e folgen, in denen sich die Lichttore am
       Firmament öffnen und die Energie des neuen Jahres nach der Zeugung zur
       Sonnenwende wie bei einer Schwangerschaft ausgetragen wird. Oder so
       ähnlich.
       
       Also raffen wir in der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember Muschelschale,
       weißen Salbei und Räucherwerk zusammen, begeben uns auf unseren
       persönlichen Kraftplatz und folgen den Empfehlungen zum Beispiel der
       Berliner Feng-Shui-Meisterin und Schamanin Parvati S. Hörler, um die
       heurige „besondere Raunächtekraft“ zu nutzen: „Schreibe deine Ängste und
       Befürchtungen auf Zettel und verbrenne sie in einer Feuerschale. Wichtig
       dabei ist, dass du es wirklich loslässt und zu 100 Prozent bereit bist, es
       zu verbrennen. Bitte die geistige Welt, dir zu helfen.“
       
       ## Möge die geistige Welt helfen
       
       Schnell sind die ärgsten Befürchtungen und Ängste formuliert, dass nämlich
       spirituelle und sonstige spinnerte Impfgegner den Erfolg der anstehenden
       Corona-Impfkampagne versauen könnten. Möge die geistige Welt dagegen
       helfen. Oder sonst halt die Impfpflicht.
       
       Denn es ist zwar sicherlich nur ein Zufall, dass die [2][Europäische
       EU-Medikamentenbehörde EMA] nun die voraussichtliche Zulassung des ersten
       Corona-Impfstoffs für just jenen 21. Dezember angekündigt hat – aber wer
       wären wir, diese hübsche Pointe ungenutzt in der Muschelschale liegen zu
       lassen?
       
       Es ist natürlich nicht schön, dass in Berlin die Kneipen schließen müssen,
       während gleichzeitig die Kirchen anlässlich der Geburt ihres Erlösers die
       Gläubigen auf Coronapartys empfangen und ihnen einen Superspreading-Segen
       erteilen dürfen. Aber gut terminiert ist es schon, dass sich genau
       zeitgleich die tatsächliche Erlösung durch kühle Naturwissenschaft und
       Schulmedizin anbahnt.
       
       Dass die Tage endlich wieder heller werden, erklärt sich eben auch durch
       kein höheres Wesen, sondern durch das Kreisen der Erde um die Sonne. Eine
       Erkenntnis, gegen die Professor Bhakdi, Wolfgang Wodarg und Ken Jebsen
       seinerzeit zweifellos schlagkräftige Querdenker-Videos ins Netz gestellt
       hätten, um das Gegenteil zu beweisen. Weil es damals noch kein Youtube gab,
       mussten man eben mit Scheiterhaufen vorliebnehmen. Es ist ja nicht so, dass
       es gar keine Fortschritte gegeben hätte in all den Jahrhunderten.
       
       Es gibt also Hoffnung. Man muss die Zeichen nur zu deuten wissen. Blicken
       wir auf das, was Mut macht.
       
       ## Glühweinverkauf endlich verboten
       
       Zum Beispiel: Der Glühweinverkauf ist endlich verboten, Hertha kann nicht
       einmal gegen Mainz gewinnen, und die Helene-Fischer-Show fällt in diesem
       Jahr einfach aus.
       
       Außerdem ist die Verlängerung der U5 um satte 2,2 Kilometer nach nur 10
       Jahren Bauzeit gerade eröffnet worden, sodass man nur noch einmal umsteigen
       muss, wenn man von Friedrichshain in den Wedding will. Gut, im selben
       Zeitraum wurden in Peking 250 Kilometer neue U-Bahn-Strecken gebaut, wie
       irgendwelche Miesepeter gleich herummäkelten. Aber was nutzen 250 neue
       U-Bahn-Kilometer, wenn man auf denen nicht schneller von Friedrichshain in
       den Wedding kommt?
       
       Vor allem aber stehen die Chancen nicht schlecht, dass das elende Virus im
       Lauf der nächsten Monate tatsächlich zurückgedrängt und normales Leben
       wieder möglich wird. Bis zur Sommersonnenwende am 21. Juni sollte das zu
       schaffen sein.
       
       Und dann ist aber wirklich mal Schluss mit diesem
       symbolistisch-spirituellen Unsinn. Wenn wir am Ende vielleicht aus dieser
       Krise gelernt haben werden, endlich angemessen auf die Wissenschaft zu
       hören, und dass es möglich ist, auch grundlegende, zuvor undenkbare
       Maßnahmen in kurzer Zeit umzusetzen, einfach nur deshalb, weil sie nun
       einmal nötig sind, dann werden die Tage in der Zukunft tatsächlich
       dauerhaft heller. Ganz unabhängig davon, was gerade im Kalender steht.
       
       19 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Rauhnacht
   DIR [2] https://www.ema.europa.eu/en
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Werning
       
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