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       # taz.de -- Fifa klagt gegen Blatter: Skandale sind nur was fürs Museum
       
       > Der Fußballweltverband Fifa hat Strafanzeige gegen seinen Expräsidenten
       > Sepp Blatter gestellt. Aber nur, um ungestört zu bleiben.
       
   IMG Bild: Alte Geschichten: Die Fifa interessiert sich für Sepp Blatter und die Skandale von früher
       
       Der Vorwurf, der Weltfußballverband Fifa sei kriminell, hat kaum
       Unterhaltungswert. Es sei denn, die Fifa selbst erfreut das Publikum mit
       der Botschaft über aufgetauchte „Beweise für den Verdacht auf kriminelles
       Missmanagement“. Die nun gestellte Strafanzeige bezieht sich allerdings auf
       „das frühere Fifa-Management“. Fifa-Boss Gianni Infantino gegen
       Ex-Fifa-Boss Sepp Blatter also.
       
       Interessant an dieser Anzeige ist, dass alles, was die Fifa vorträgt, seit
       Jahren bekannt ist: [1][Das 2016 in Zürich eröffnete „Fifa World Football
       Museum“] war teuer und es produziert jährlich Defizite im zweistelligen
       Millionenbereich. Man spricht von 140 Millionen Franken Umbaukosten für das
       Gebäude, das gar nicht der Fifa, sondern Swiss Life gehört; die Mietkosten
       sollen bis zum Vertragsende 2045 etwa 360 Millionen Franken betragen. Die
       avisierte jährliche Besucherzahl von 250.000 wurde grandios verfehlt, was
       niemand verwundert – nur zwei der über fünfzig Zürcher Museen können
       überhaupt solche Zahlen verzeichnen.
       
       Nun zu vermuten, die neue Fifa-Führung um den im Februar 2016 gewählten
       Gianni Infantino habe es versäumt, sich um das Museum, ein Herzensprojekt
       Sepp Blatters, zu kümmern, wäre falsch. Dass statt der Viertelmillion
       Besucher im ersten Jahr nur 107.000 kamen, hatte die neuen Fifa-Herren
       tatsächlich sofort alarmiert: Sie warfen nicht nur den Geschäftsführer
       raus, sondern auch 50 von 140 festangestellten Mitarbeitern. 2018 trat ein
       neuer Museumschef an, und die Besucherzahlen stiegen merklich. Ende 2018
       waren es 141.000, Ende 2019 schon 162.000, und während Corona wurden neue
       Konzepte entwickelt, unter anderem zum E-Football.
       
       Kurz gesagt: Bedarf zu handeln, ja, sogar die Staatsanwaltschaft
       einzuschalten, hätte vielleicht 2016 bestanden, aber warum dies alles
       jetzt, Ende 2020, geschieht, leuchtet nicht ein, solange die Fifa nicht
       neue Fakten auf den Tisch legt. Zumindest gegenüber den Zürcher Behörden
       sollte sie das bald tun, sonst scheitert Infantino wie sonst nur ein
       anderer Präsident vor dem Supreme Court.
       
       Musealisierung krummer Deals 
       
       Aber wer denkt schon, wenn es um Skandale der Fifa geht, ans Museum?
       Richtig, nur die Fifa, denn niemand sonst hat ein derart massives Interesse
       an der Musealisierung aller bislang schon enttarnten und noch nicht
       enttarnten krummen Deals, die dieser Verband so treibt.
       
       Es ist überhaupt nicht zu erkennen, warum ausgerechnet die Fifa ein
       besonderes Interesse daran haben könnte, dass Sepp Blatter vor Gericht
       gestellt wird. Der langjährige Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino galt
       als Günstling des langjährigen Fifa-Generalsekretärs und -Präsidenten Sepp
       Blatter. Man müsste schon sehr naiv sein zu vermuten, dass Blatter im Falle
       einer drohenden Verurteilung [2][nicht Infantino mit reinreißen würde.]
       
       Es geht der Fifa kein bisschen um das, was rund um das Museum geschieht.
       Die Geschichte des Fußballs ist ja auch nicht die, die dort ausgestellt
       wird. Dort geht es nicht um die Kämpfe von asiatischen und afrikanischen
       Kickern, endlich ernst genommen zu werden. Es geht nicht um den Ausschluss
       von Frauen, auch nicht um die Durchkapitalisierung auf dem Rücken von Fans
       und Spielern und nicht um die Skandale der Fifa. Es geht dort nur um eine
       geschönte Historie eines bei Lichte betrachtet völlig überflüssigen, aber
       leider immer noch sehr mächtigen Verbandes.
       
       Was die Fifa will, ist eine Musealisierung ihrer Skandale und des zu ihnen
       gehörenden Personals. Korruption, Missmanagement, Machtmissbrauch? Ja, das
       soll es früher wohl mal gegeben haben, bald findet es sich in einer Zürcher
       Glasvitrine.
       
       23 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.fifamuseum.com/de/?gclid=CjwKCAiA8ov_BRAoEiwAOZogwbLIN8Cevn0an8VbY-zHiorHEjRzld6wgxvDXHEf-OpBiutHD9HyyxoC8y0QAvD_BwE
   DIR [2] /Verfahren-gegen-Fifa-Praesident/!5699719
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Krauss
       
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