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       # taz.de -- Hunde in der Coronazeit: Die Einsamkeit der Hunde
       
       > Sechsmal am Tag Gassigehen – was ist bloß mit den Menschen los? Und warum
       > ist die Stadt so leer? Das Leben der Hunde in der Pandemiezeit.
       
   IMG Bild: Ein Riesenschnauzer ist unterwegs im Berliner Grunewald
       
       Die Vereinsamung der Hunde in der Stadt, der Haushunde, die tagsüber oft
       allein sind, weil ihre Besitzer in irgendeiner Firma arbeiten, scheint mit
       dem verordneten Shutdown und der Heimarbeit wenigstens vorübergehend
       gestoppt zu sein. Es mehren sich sogar die Fälle, da es Hunden zu viel
       wird, dass laufend Nachbarn oder Kinder ankommen, die mit ihnen rausgehen
       wollen, weil sie so auch mal an die „frische Luft“ dürfen. Einige Leute
       annoncieren bereits im Internet, dass sie im Falle, dass ein Hundebesitzer
       in Quarantäne ist, gerne seinen Hund ausführen würden – „ehrenamtlich“.
       Viele gehen jetzt gleich ins Tierheim und adoptieren einen Hund.
       
       In der taz gibt es einige Bürohunde, denen die Arbeit ihrer Besitzer im
       Homeoffice keine große Veränderung gebracht hat, insofern sie hier wie dort
       bei ihm sind. In der taz halten sie sich in der Nähe seines Schreibtischs
       auf und im häuslichen Homeoffice ebenfalls – und hier wie dort geht man ab
       und zu mit ihnen auf einen Spaziergang nach draußen.
       
       Es gibt Anzeichen dafür, bei einem Boxer-Weibchen etwa, dass sie sogar
       lieber in der taz sind, weil sie dort nicht nur neben dem Schreibtisch
       liegen (müssen). Immer wieder kommt ein taz-Mitarbeiter vorbei, der eine
       Runde oder mehrere mit ihnen spielt – und sie zum Beispiel um sämtliche
       Schreibtische herumjagt, im vermeintlichen Versuch, ihnen ihren
       Gummiknochen abzujagen.
       
       ## Der „glückliche Hund“ wird gepostet
       
       Ein anderer Bürohund aus der taz hat es noch besser: Nach einem Sturz mit
       dem Motorroller muss sich dessen Besitzerin nun auskurieren. Um das Gehen
       wieder zu üben, fährt sie jeden Tag aufs Land mit ihm, wo die beiden durch
       Felder und Wälder streifen. Anschließend postet sie stets ein Foto von
       ihrem „glücklichen Hund“ auf Facebook. Zwei Rentnerinnen im nahen
       Besselpark meinen, dass der Shutdown für ihren kleinen weißen Vierbeiner
       keine Bedeutung hat: Sie seien sowieso immer zu Hause mit ihr, Olga, und
       wenn sie einkaufen oder Besorgungen machen müssten, dann nähmen sie sie
       jedes Mal mit.
       
       An dieser Stelle warf die Besitzerin eines Hütehundes ein: Sie lebe auf dem
       Land, und er könne rein und raus, auch in die Felder und nahen Wälder, er
       streune aber nicht allzu weit außerhalb des Grundstücks, seinem Revier. Bei
       den Hunden, bei denen man das „Gassigehen“ mit den eigenen Einkäufen
       verbindet, war sie sich sicher, dass sie – jedes Mal vor den Läden wartend
       – extrem leiden würden, denn sie könnten sich so – an einer Leine
       festgebunden – nicht richtig verteidigen, wenn ein Hund oder ein Mensch
       ihnen zu nahe käme oder sie angreifen würde.
       
       Außerdem sei das Ladeninnere für sie doch äußerst vielversprechend, bleibe
       ihnen aber unverständlicherweise verwehrt. „Wie viele Hunde jaulen vor den
       Supermärkten oder allein in einer Wohnung – und freuen sich tierisch, wenn
       ihr Herrchen oder Frauen wiederkommt und sie erlöst?“
       
       ## Der Mensch ist ein schwacher Ersatz
       
       Mit der Hundeforscherin Elizabeth Marshall Thomas ist sich die
       Hundehalterin einig, dass die Menschen für Hunde nur ein hundeähnlicher,
       schwacher Ersatz sind. Mit den Worten der feministischen Biologin und
       Hundebesitzerin Donna Haraway: „Die Wildheit bleibt doch unsere ganze
       Hoffnung“. Dass Gassigehen an der Leine, auch wenn man noch so sehr auf die
       Schnüffelbedürfnisse seines Hundes Rücksicht nehme, sei nur ein äußerst
       schwacher Ersatz für dessen Bedürfnis nach Wildheit, nach Herumjagen.
       
       Trotzdem mache es natürlich einen Unterschied, ob man zwei Mal am Tag oder
       wie jetzt während des Lockdowns mindestens sechs Mal am Tag mit seinem Hund
       rausgehe und zudem auch die übrige Zeit mit ihm verbringe, ihn streichle,
       kämme, verschiedene Leckereien anbiete und mit ihm rede.
       
       Wenn man jedoch davon ausgehe, dass die Coronapandemie irgendwann zu Ende
       ist und damit auch die Zeit im Homeoffice, dann werde der Hund tagsüber
       ganz sicher noch mehr unter seiner Einsamkeit in einer Wohnung leiden als
       früher.
       
       Ein in Berlin-Charlottenburg lebender Amerikaner, der einen Mischlingshund
       aus dem Tierheim besitzt und unter anderem von zu Hause aus arbeitet,
       versucht nebenbei herauszubekommen, wie Hunde ihre Beziehung zu einem
       Menschen kontrollieren und aufrechterhalten. Er erzählte, dass sein Hund
       Shape es z. B. mit seiner offensichtlichen Überzeugung, dass er ihn
       ausführen werde, schaffe, dass genau diese Absicht bei ihm ausgelöst werde.
       
       ## Depression im Zoologischen Garten
       
       Aber jetzt während der Shutdowns, da er viel mehr als sonst zu Hause
       arbeite und sich sowieso die meiste Zeit dort aufhalte, lasse Shape ihn
       unbeeinflusst – also ihn selbst auf den Gedanken kommen, mal wieder mit ihm
       auf einen Schaufensterbummel oder Grunewaldspaziergang nach draußen zu
       gehen.
       
       Überhaupt habe er den Eindruck, dass sein Hund jetzt, da die Stadt in der
       Coronazeit wie ausgestorben wirke, viel weniger gerne nach draußen gehe als
       früher noch.
       
       Er habe außerdem gehört, dass selbst die Tiere im Zoo darunter leiden, dass
       keine Besucher mehr kämen, ein Zoodirektor berichtete sogar, dass sie
       regelrecht depressiv geworden wären – und die Tierpfleger mit ihnen. Die
       Hunde seien da aber anders – äußerst anpassungsfähig: „Die drehen nicht so
       schnell durch im Shutdown.“
       
       29 Dec 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Helmut Höge
       
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