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       # taz.de -- Bestattungen in Ghana: Endlich wieder richtig sterben
       
       > In Ghana sind nach dem Corona-Lockdown wieder Beerdigungen mit hunderten
       > Gästen erlaubt. Das erfreut Bestatter und Angehörige gleichermaßen.
       
   IMG Bild: Stau und Corona: Accra, hier im April 2020
       
       Accra taz | David Asamoah hat es eilig. Mit seinem Cousin und weiteren
       Angehörigen sitzt er im Warteraum des Bestattungsunternehmens Gillman &
       Abbey Funeral Service, das an einer viel befahrenen Straße im Nordwesten
       Accras liegt. Es ist Freitagmittag und bevor der Nachmittagsverkehr
       einsetzt, soll die Fahrt quer durch die ghanaische Hauptstadt losgehen.
       
       Der weiße Sarg ist bereits zum Leichenwagen gebracht worden, der auf dem
       Parkplatz vor dem Geschäft steht. Darin liegt Asamoahs Tante, Auntie
       Korkor, die vor vier Wochen gestorben ist. Einen ganzen Monat haben die
       Vorbereitungen für das Begräbnis in Anspruch genommen. Jetzt steht der
       Familie eine dreitägige Feier bevor. Von großer Trauer ist wenig zu spüren.
       „Wer will schon die ganze Zeit weinen“, sagt Asamoah pragmatisch. Das sei
       dem engsten Familienkreis vorbehalten.
       
       Nach langen Monaten des Wartens sind Beerdigungen in Ghana endlich wieder
       möglich. Poster und Plakate überall in der Stadt weisen darauf hin. An
       Haustüren, Mauern und Straßenlaternen informieren sie darüber, wer
       gestorben ist, wer alles trauert – Dutzende Namen sind verzeichnet – und wo
       Beerdigung und Gottesdienst stattfinden. Ein Satz darf dabei nie fehlen:
       Alle Freunde und Bekannten sind herzlich eingeladen.
       
       All das war in den vergangenen Monaten nicht möglich gewesen, die
       Coronapandemie hatte es verhindert. Kurz nachdem das Land am 12. März die
       ersten zwei Fälle verzeichnete, verhängte die Regierung einen Lockdown.
       Nicht nur die Grenzen ließ sie schließen, sondern verhängte in Accra und
       Kumasi auch Ausgangssperren. Monatelang waren Versammlungen stark
       eingeschränkt; die Schulen blieben bis Jahresende komplett geschlossen.
       
       ## Kaum Arbeit für die tanzenden Sargträger
       
       Unter den Maßnahmen haben auch die Bestatter gelitten sowie der gesamte
       Wirtschaftszweig, der an Beerdigungen hängt: Kameraleute, die die
       Veranstaltungen filmen, Plastikstuhl- und Zeltverleiher,
       Catering-Unternehmen, Schneider, Discjockeys, Sargschreiner und auch die
       sogenannten Pallbearers, die tanzenden Sargträger in Frack und Zylinder.
       
       Doch nicht nur das: Schon Mitte April klagten ghanaische
       Bestattungsunternehmen, dass die Leichenhäuser überfüllt seien und sie für
       die Toten keinen Platz mehr hätten. An Covid-19 lag das allerdings nur
       indirekt: Zwar hat Ghana bis Jahresende 335 Tote und insgesamt knapp 55.000
       positive Tests verzeichnet, womit das Land weit über den Nachbarländer
       liegt.
       
       Doch die Restriktionen haben dazu geführt, dass Angehörige die Beerdigungen
       in vielen Fällen immer weiter nach hinten verschoben. Wer will schon
       jemanden im engsten Familienkreis mit nur 25 Personen unter die Erde
       bringen? In Ghana jedenfalls niemand: „Wer ein bedeutungsvolles Leben
       hatte, soll auch dementsprechend verabschiedet werden“, sagt Ebenezer
       Ayesu, Historiker am Heritage Christian College in Ghana.
       
       Dazu gehört auch, dass Angehörige aus dem Ausland anreisen. Laut
       Internationaler Organisation für Migration (IOM) leben rund drei Millionen
       Ghanaer und Ghanaerinnen in der Diaspora. Die Anreise ist auch schon ohne
       Corona schwierig und kann Wochen und Monate dauern. Die aktuellen
       Reiseeinschränkungen haben die Teilnahme nun aber oft unmöglich gemacht.
       Die Bestattter von Gillman & Abbey Funeral Service haben deshalb in ihrer
       Trauerhalle Kameras installiert und bieten ein Live-Streaming der
       Trauerfeier per Zoom an.
       
       ## 350 Gäste – mindestens
       
       David Asamoah outet sich als Beerdigungs-Neuling. Zum ersten Mal in seinem
       Leben müsse er selbst eine Bestattung organisieren. „Wir haben mit 350
       Gästen geplant“, sagt der junge Mann. Das heißt: 350 Portionen Essen,
       Wasser für alle und noch mehr Softdrinks. Über die Kosten will er gar nicht
       erst nachdenken. „Ich kann wirklich nicht sagen, was wir zum Schluss
       bezahlen müssen.“ Da die Corona-Beschränkungen nun gelockert sind und
       niemand mehr genau mitzählt, werden möglicherweise noch mehr Gäste kommen.
       
       Den Samstag auf einer Beerdigung verbringen? Asamoah grinst schief. „Wir
       gehen doch auch zu Taufen, Geburtstagen und Hochzeiten. Da ist es doch
       genau so gut, wenn die Party eine Beerdigung ist.“
       
       2 Jan 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Gänsler
       
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