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       # taz.de -- Machtkampf im Kongo: Tshisekedi will Neustart
       
       > Kongos Präsident Tshisekedi kündigt an, sich vom Bündnis mit seinem
       > Vorgänger Kabila zu lösen. Er will nun „die Erwartungen des Volkes“
       > erfüllen.
       
   IMG Bild: Kriselig: Kongos Präsident Felix Tshisekedi im März 2020
       
       Berlin taz | Eine Staatskrise droht in der Demokratischen Republik Kongo,
       nachdem Präsident [1][Felix Tshisekedi] angekündigt hat, seine
       Regierungskoalition mit seinem Vorgänger Joseph Kabila zu beenden.
       
       In einer mit Spannung erwarteten [2][Rede], die landesweit im Fernsehen
       übertragen wurde, kündigte Tshisekedi am Sonntagabend die „Neugründung des
       Landes“ an. Er werde unverzüglich einen „Informator“ zum Sondieren einer
       neuen Mehrheit im Parlament benennen und, sollte dies nicht gelingen, das
       Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen.
       
       Die bisherige Koalition zwischen seinem Parteienbündnis CACH (Kurs auf den
       Wandel) und dem Kabila-Parteienbündnis FCC (Gemeinsame Front für den Kongo)
       werde von einer „überwältigenden Mehrheit“ der Bevölkerung abgelehnt, denn
       „sie hat sich als unfähig erwiesen, die Erwartungen und Hoffnungen unseres
       Volkes zu erfüllen“.
       
       Diese Rede war die Kampfansage, auf die Tshisekedis Anhänger seit Monaten
       drängen. Denn Tshisekedi regierte bisher nur mit Kabilas Gnaden.
       
       ## Kabila hatte ein faktisches Vetorecht
       
       Nach den Wahlen Ende 2018 hatte der scheidende Präsident Joseph Kabila,
       dessen Wunschnachfolger durchgefallen war, das Amt des Präsidenten dem bei
       der Wahl eigentlich weit abgeschlagen gelandeten Tshisekedi [3][geschenkt]
       – im Gegenzug für weitreichende Privilegien und Immunitäten.
       
       Die Kabila-treuen Kräfte dominieren seitdem die Regierung, stellen den
       Premierminister und halten eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Kabila
       war der starke Mann im Hintergrund, mit einem faktischen Vetorecht über
       alle wichtigen Entscheidungen.
       
       Erst dieses Jahr geht Tshisekedi mutiger gegen Kabila-treue Käfte vor – mit
       spektakulären [4][Korruptionsverfahren] sowie Umbesetzungen im
       Verfassungsgericht. Das Kabila-Bündnis FCC ist darüber irritiert und
       benutzt das Parlament, um Initiativen des Präsidenten zu blockieren.
       
       Im Oktober behauptete die FCC, es sei vereinbart, dass bei den nächsten
       Präsidentschaftswahlen 2023 Tshisekedi einen FCC-Kandidaten unterstützen
       müsse, nämlich Kabila selbst. Da Tshisekedis Partei davon ausging, 2023
       endlich einen tatsächlichen Wahlsieg einzufahren und dann frei regieren zu
       können, war damit die Koalition faktisch erledigt, der Bruch nur noch eine
       Frage der Zeit.
       
       Am 23. Oktober kündigte Tshisekedi „nationale Konsultationen“ über das
       weitere Vorgehen an, deren Ergebnis – der Bruch mit Kabila – jetzt
       vorgestellt wurde.
       
       ## Auseinandersetzungen vor dem Parlament
       
       Kongos Demokratiebewegung, die Tshisekedis Mauschelei mit Kabila 2019
       [5][als Verrat kritisiert] hatte, ist nun begeistert. [6][„FCC-CACH: es ist
       vorbei“], jubelte am Montag die Tshisekedi-treue Tageszeitung Le Phare und
       behauptete, der Kabila-treue Premierminister Sylvestre Ilunga sei
       abgesetzt, was nicht der Fall ist.
       
       Am Montag jubelten Tshisekedi-treue Jugendliche vor dem Parlamentsgebäude
       in Kinshasa, während drinnen Kabila-treue Abgeordnete von Verfassungsbruch
       sprachen.
       
       Die Tshisekedi-Jugendlichen wollten verhindern, dass die zum
       Kabila-Lager zählende Parlamentspräsidentin Jeanine Mabunda das Gebäude
       erreicht und die Sitzung leitet, damit die Abgeordneten keine Beschlüsse
       gegen Tshisekedi fällen können. Die Polizei ging schließlich mit Tränengas
       gegen sie vor.
       
       In einem offenen Machtkampf zwischen Tshisekedi und einem zum
       Oppositionsführer degradierten Kabila hätte der Präsident schlechte Karten,
       denn Kabila kann auf die Loyalität der wichtigsten Teile des
       Sicherheitsapparats sowie pensionierter Generäle mit erheblichen
       informellen Gewaltmitteln zählen.
       
       Manche Beobachter sehen in der jüngsten Zunahme bewaffneter Überfälle und
       Massaker an Zivilisten im Osten des Landes bereits eine bewusste
       Destabilisierung.
       
       7 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Praesidentenwahl-im-Kongo/!5563846
   DIR [2] https://actualite.cd/2020/12/06/discours-de-felix-tshisekedi-lissue-des-consultations-integralite
   DIR [3] /Umstrittene-Wahl-im-Kongo/!5566621
   DIR [4] /Staatskrise-im-Kongo/!5678982
   DIR [5] /Kongos-Oppositionsfuehrer-im-Interview/!5573512
   DIR [6] https://www.lephareonline.net/fcc-cach-cest-finifatshi-annonce-un-informateur/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
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