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       # taz.de -- Demokratische Republik Kongo: Der gewonnene Krieg gegen Ebola
       
       > Ebola ist weitaus tödlicher als Covid-19. Aber trotz Armut und Konflikten
       > hat die Demokratische Republik Kongo 2020 zwei Ebola-Epidemien besiegt.
       
   IMG Bild: Eine Mitarbeiterin der WHO befreit sich von einem Schutzanzug
       
       Berlin taz | Es hätten eigentlich Anlässe zum Feiern sein müssen: die
       gefürchtete Viruskrankheit Ebola wurde dieses Jahr in der Demokratischen
       Republik Kongo gleich zweimal besiegt. Am 25. Juni konnte die
       [1][Weltgesundheitsorganisation WHO] das Ende der bisher größten
       Ebola-Epidemie dort verkünden, die in den Bergwäldern und -dörfern
       Ostkongos seit August 2018 gewütet und 2.287 bestätigte Tote gefordert
       hatte. Just in dieser Zeit brach Ebola in einem seiner Rückzugsgebiete
       1.500 Kilometer weiter westlich in den Regenwäldern am sumpfigen Unterlauf
       des Kongo-Flusses erneut aus – doch am 18. November war auch diese kleinere
       Epidemie besiegt, nach 55 Toten.
       
       Ebola – benannt nach dem Fluss im Kongo, wo das Virus 1976 zuerst
       identifiziert wurde – ist ein Beiprodukt der Moderne und des Vordringens
       menschlicher Siedlungen in bisher unberührte Waldgebiete. Das Virus springt
       von tierischen Trägern wie Affen oder Flughunden auf den Menschen über,
       mutmaßlich bei Kontakt mit Ausscheidungen, und wird von Mensch zu Mensch
       durch infizierte Körperflüssigkeiten übertragen. Für Ebola-infizierte ist
       die Wahrscheinlichkeit zu sterben viel höher als für Covid-19-Infizierte.
       Die 2.287 Toten im Ostkongo waren das Ergebnis von nur 3.324 bekannt
       gewordenen Infektionsfällen. Die größte Ebola-Epidemie der Weltgeschichte –
       von Ende 2013 bis Mitte 2016 erst in Guinea, dann in Liberia und Sierra
       Leone – tötete 11.325 Menschen, bei rund 28.600 Fällen.
       
       Doch obwohl die betroffenen Regionen sämtlich zu den ärmsten der Welt
       gehören, wo es kaum ein Gesundheitswesen gibt, sind afrikanische Mediziner
       sich mittlerweile sicher, Ebola im Griff zu haben. In Guinea wurden
       Impfstoffe entwickelt, die später im Kongo so effektiv waren, dass sie noch
       vor der formalen Zulassung aus humanitären Gründen zum Einsatz kamen. Aus
       den vielen Seuchenausbrüchen im Kongo, in Uganda und in Westafrika sind
       Behandlungsmethoden entwickelt worden, die das Sterberisiko deutlich
       reduzieren. Trotz vieler Befürchtungen konnten alle Ebola-Epidemien Afrikas
       eingedämmt werden, bevor sie sich in Millionenstädten einnisten und
       Zehntausende dahinraffen konnten.
       
       Das Grundrezept der Ebolabekämpfung besteht in überperfekten
       Schutzmaßnahmen und geradezu rabiater Kontaktverfolgung und Isolation. Und
       das Geheimnis des Erfolgs besteht darin, dass die Menschen aus eigener
       Überzeugung mitmachen. Je besser das gelingt, desto weniger müssen
       Zwangsmaßnahmen mit Kriegsrechtsmitteln durchgesetzt werden: totale
       Ausgangssperren, Desinfektion sämtlicher Räume, Kontaktsperren,
       Bewegungsverbote, Feuerbestattung ohne Zeugen. Solche autoritären Schritte,
       in Westafrika noch Standard, traten im Kongo in den Hintergrund – wohl
       auch, weil das Seuchengebiet Kriegsgebiet war und der Staat in der
       Defensive. Wichtiger war gesellschaftlich getragene Aufklärung über
       Selbsthilfegruppen, Radiosender und Kirchen, damit auch Frauen und Kinder
       die Hygieneregeln in die Familien tragen, sowie zielgenaues Unterbrechen
       der Infektionsketten: Kontaktpersonen von Erkrankten wurden aufgesucht und
       geimpft, insgesamt knapp 370.000.
       
       Wissenschaft und Solidarität – diese Kombination sei der Schlüssel zum
       Erfolg gewesen, sagten Mediziner hinterher. Ihre bei der Arbeit ständig zu
       tragende – und kaum zu ertragende – Ganzkörperschutzkleidung, äußerlich
       einer Mondlandung angemessener als geeignet für das tropische Afrika, ist
       nicht nur Schutz, sondern auch Signal an die Bevölkerung, wie ernst die
       Lage ist. Aber sie ist kein Selbstzweck. Sinnlose Machtdemonstrationen
       durchschauen die Kongolesen schnell. Aber sichtbare Erfolge werden
       honoriert. Die Differenz zwischen 90 und „nur“ noch 40 Prozent Sterberate
       bedeutet nicht nur mehr gerettete Leben, sondern weist auch auf die
       Einsicht der Menschen hin, dass es lohnt, das Richtige zu tun.
       
       Hilfsgelder flossen in Kongos Ebolabekämpfung, nach UN-Angaben „mehrere
       Hundert Millionen US-Dollar“ – manche davon versickerten spurlos. Am Ende
       aber haben kongolesische, nicht europäische Ärzte und Freiwillige Ebola im
       Kongo besiegt, und nur sie konnten es tun. Gemessen an dieser Leistung und
       dem, was die Menschen dabei auf sich nahmen, sind die Erfordernisse des
       Schutzes gegen Covid-19 geradezu ein Kinderspiel.
       
       Vielleicht steckt darin ein Rezept über die Seuchenbekämpfung hinaus. Wer
       Ebola und dann Covid-19 in Schach hält, kann auch andere Probleme lösen –
       diese Idee beginnt in Afrika um sich zu greifen. Könnte man sich nicht auch
       gegen Cholera und Malaria effektiv organisieren? Sind nur vor
       Hygieneregeln alle gleich oder auch vor dem Gesetz, der Verfassung?
       Müssten Priester und Politiker nicht vernünftige Dinge predigen statt
       Quatsch? Wenn man sich schon einmal befreit hat...
       
       1 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.who.int/health-topics/ebola/#tab=tab_1
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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