URI: 
       # taz.de -- Vorauseilender Jahresrückblick 2021: Helmut statt Otto
       
       > Wie wird 2021 in Hamburg gewesen sein? Über die Brexit-Konsequenzen in
       > den Elbvororten, die Nöte von Messen und Musicals und die
       > Sozialdemokratie.
       
   IMG Bild: Löst so viele Probleme: Statt des ungeliebten Otto – ein Helmut für den Hamburger Hafenrand
       
       ## Januar
       
       Von wegen „zehn Prozent sind unbelehrbar“: Mit [1][seiner Prognose] war
       Hamburgs Polizeichef zu optimistisch, seinen diensttuenden Kolleg:innen
       beschert die Nacht zum neuen Jahr zahlreiche Einsätze. Auf der Reeperbahn,
       aber auch der Krugkoppelbrücke errichten Feierfreudige zeitweise Barrikaden
       und zünden dahinter definitiv nicht bloß Wunderkerzen und Tischfeuerwerk.
       Dass die FDP-Abgeordnete Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein unter
       Deklamation des Grundrechtekatalogs – sowie von [2][„Wir lassen uns das
       Singen nicht verbieten“] – mitgezündelt hat, bleibt unbestätigt.
       
       Seit Mitternacht stellt der „Partnerschaftsvertrag“ die Beziehungen
       zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich auf eine
       neue Grundlage. „Von der erreichten Einigung“, so [3][das Auswärtige Amt],
       würden „beide Seiten profitieren“. Deutschlands britischste Stadt sieht die
       Scheidung mit Sorge.
       
       ## März
       
       Pendler:innen atmen auf: Von Norden her kann die A7 wieder benutzt werden –
       allerdings nur bis Stellingen. Was mit den „sehr vielen“ geschieht, die
       [4][laut einem Sprecher der Autobahn GmbH] hier abfahren? Das kann auch die
       wiederholte Suche im Stadtteil nicht klären; das schleswig-holsteinische
       Innenministerium erwägt angeblich eine Reisewarnung für die Hansestadt.
       Südlich des Elbtunnels gehen die Arbeiten weiter.
       
       Wann Museen, Theater und Kinos wieder geöffnet werden, ist immer noch
       offen. In einem Gastbeitrag für Theater heute geißelt Kultursenator Carsten
       Brosda (SPD) die anhaltende Hängepartie.
       
       ## April
       
       Das Kleingedruckte des „in Rekordzeit“ (so damals das Auswärtige Amt)
       vereinbarten Abkommens zwischen EU und Großbritannien erfahren zahlreiche
       Bewohner:innen der Elbvororte am eigenen Leib: Zum 1. April müssen sie
       Wachsjacken und Land Rover abgeben; entschädigt werden sollen sie mit des
       Vereinigten Königreichs verwiesenen Lodenjankern sowie älteren,
       rechtsgelenkten VW-Modellen. Die FDP-Abgeordnete von Treuenfels-Frowein
       bereitet angeblich eine Sammelklage vor.
       
       ## Mai
       
       Langfristig [5][abgesagt hat die Wirtschaftsbehörde] den eigentlich vom 7.
       bis 9. geplanten 832. Hafengeburtstag: Gegenüber „ehrenamtlichen Partnern“,
       „verbundenen Unternehmen“, „unseren Dienstleistern“, aber auch „allen, für
       die der Hafengeburtstag eine Herzensangelegenheit ist“, so Senator Michael
       Westhagemann, wäre alles andere „unverantwortlich“ gewesen.
       
       Stattfinden kann am 5./6. die für Januar geplante Messe für
       Industrieautomation [6][„All About Automation“], und das statt in Schnelsen
       in der Innenstadt. Der Besuch ist aber nur Robotern gestattet – auch weil
       sich in den ewig nicht mehr genutzten Messehallen Wölfe und Wildkatzen
       angesiedelt haben.
       
       ## Juni
       
       Ebenfalls aus dem Januar verschoben, kann vom 10. bis 12. die
       Spirituosenmesse „Hanse Spirit“ stattfinden. „Um die gleichzeitig anwesende
       Gästeanzahl zu reduzieren, wird es Zeitfenster von 4 Stunden geben“, [7][so
       die Veranstalter], was freilich reicht, sich gehörig einen einzuschenken –
       man sei schließlich nicht bei Craftbier-Hipstern, heißt es.
       
       Beinahe unbemerkt beginnen am 24. die Sommerferien. Oder endet nur die
       Option, die Schulen aufzusuchen – bei allerdings weiter ausgesetzter
       Präsenzpflicht? Oder muss nun einfach noch öfter gelüftet werden? Die
       eigens eingerichtete Hotline der Schulbehörde (☎ 040-FRAGRABE) bricht in
       den Tagen davor, so ist zu hören, immer wieder unter dem Ansturm
       Auskunftsbedürftiger zusammen.
       
       Noch immer ist nicht abzusehen, wann die Pandemie die Öffnung der
       Kulturinstitutionen erlaubt. Senator Brosda findet dafür [8][in seinem
       Podcast] „Mit Wenn und Aber“ geharnischte Worte.
       
       ## August
       
       Nach dem enttäuschenden Start der Neuinszenierung des – [9][laut
       Veranstalter Stage Entertainment] – „weltbekannten Broadway-Musicals
       ‚Wicked‘“ im Mai kommt das für August angesetzte Debüt von „Die Eiskönigin“
       gar nicht mehr zustande: Der Entertainmentkonzern Disney beschließt die
       Bühnenadaption der „Geschichte von unkontrollierbarer Kraft“ doch lieber
       selbst zu vermarkten: als Stream auf der eigenen Plus-Plattform. Vor den
       Hamburger Stage-Häusern werden vereinzelt Lustige Taschenbücher und
       Plüschschneemänner verbrannt.
       
       ## Oktober
       
       Beinahe unbemerkt beginnen am 11. die Vorlesungen an der Uni, was mit dem
       bis zuletzt unklaren Format zu tun hat: hybrid oder präsent oder beides,
       irgendwie? Echte Aufmerksamkeit erfährt einzig der ehemalige AfD-Grande
       Bernd Lucke. Seine Veranstaltung „Makroökonomik II“ wird wiederholt
       zoomgebombt.
       
       ## November
       
       Der [10][für das Jahresende angesetzte Baubeginn] für die U-Bahnlinie 5
       wird auf unbestimmte Zeit vertagt: Diverse „bislang nur unzureichend
       erschlossene Stadtteile im Nordwesten und Nordosten“ an die Innenstadt
       anzubinden, ist auf den Rathausfluren zu vernehmen, wolle doch gut überlegt
       sein.
       
       ## Dezember
       
       Nicht mal sein gekonnter Battlerap – featuring [11][Haiyti] und Schorsch
       Kamerun – führt zur Wiederöffnung der Kultur. Dennoch endet das Jahr
       versöhnlich für Carsten Brosda: Am Silvesternachmittag kann er der Presse
       die Lösung der anhaltenden Diskussionen um das Bismarck-Denkmal vorstellen:
       Der steinerne Sozialdemokratenfresser geht als Leihgabe ans
       [12][völkerkundliche Freilichtmuseum] in Parakou, Benin. Und auf den
       Elbhang kommt, zur Hälfte vom Bund bezahlt – ein 35 Meter hoher
       Bronze-Helmut-Schmidt.
       
       31 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/coronavirus/Polizeichef-ueber-Silvester-Zehn-Prozent-sind-unbelehrbar,silvester1222.html
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=OAex3wGE7ik
   DIR [3] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/europa/Brexit/brexit-verhandlungen-wo-stehen-wir/2203744
   DIR [4] https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Ausblick-fuer-Autofahrer-Strassenbauprojekte-2021,baustellenausblick100.html
   DIR [5] https://www.hamburg.de/hafengeburtstag/14609468/hafengeburtstag-info/
   DIR [6] https://www.elektro-automatisierung-digital.de/branchennews/all-about-automation-hamburg-2021-wird-von-januar-auf-mai-verlegt
   DIR [7] https://www.hanse-spirit.de/
   DIR [8] https://www.hamburg.de/bkm/podcast-senator-brosda/
   DIR [9] https://www.stage-entertainment.de/musicals-shows/musicals-in-hamburg
   DIR [10] https://www.schneller-durch-hamburg.de/u5-gesamt
   DIR [11] /Neues-Album-Influencer-von-Haiyti/!5734271
   DIR [12] https://en.wikipedia.org/wiki/Mus%C3%A9e_en_Plein_Air_de_Parakou
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alexander Diehl
       
       ## TAGS
       
   DIR Hamburg
   DIR SPD
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Feuerwerk
   DIR Jahresrückblick
   DIR Klaus-Michael Kühne
   DIR Jahresrückblick
   DIR Jahresrückblick
   DIR Reeperbahn
   DIR Bremen
   DIR Jahresrückblick
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Vorauseilender Jahresrückblick 2025: Alte reiche Männer tun Gutes. Wir sagen Danke! Danke! Danke!
       
       2025 stehen Machtwechsel an, die Reichen werden reicher, die Armen ärmer,
       und es schlägt die Stunde der Mäzene, die sich ein Denkmal setzen wollen.
       
   DIR Vorauseilender Jahresrückblick: Es geht voran!
       
       VW übernimmt Bobby-Car und Cristiano Ronaldo wechselt zum FC St. Pauli: Die
       taz blickt darauf zurück, was 2023 in Norddeutschland gewesen sein wird.
       
   DIR Vorauseilender Jahresrückblick 2022: Das Patriarchat schlägt zurück
       
       So wird's gewesen sein: Spätestens ab der dritten groten Mandränke geht es
       nicht mehr nur um Corona, dafür droht die Rückkehr einer alten Ordnung.
       
   DIR Nach dem Klubsterben: Eine Dystopie: Rentnerdisco auf dem Kiez
       
       Als erstes geschlossen, zuletzt geöffnet: Klubs kämpfen in der Pandemie ums
       Überleben. Was mit der Reeperbahn passieren könnte, wenn sie sterben.
       
   DIR Vorausschauender Jahresrückblick Bremen: Der Kampf um Bremen
       
       2019 warten schwere Prüfungen auf Bremen. Den Krieg mit Niedersachsen wird
       das Land aber selbst vom Zaun gebrochen haben.
       
   DIR Vorausschauender Jahresrückblick Hamburg: Ein Mann verschwindet
       
       Rückblick 2019: Die taz nord dokumentiert die Memos des Personal Coach von
       Peter Tschentscher, dem unbekanntesten Bürgermeister der Welt.