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       # taz.de -- Coronakrise in Krankenhäusern: Infizierte pflegen Infizierte
       
       > Immer mehr Ärzt*innen und Pflegekräfte stecken sich mit dem Coronavirus
       > an. Doch die Personalnot ist so groß, dass einige trotzdem
       > weiterarbeiten.
       
   IMG Bild: Am Limit: Das Pflegepersonal in vielen Kliniken stößt an seine Belastungsgrenze
       
       Berlin taz | Die Zahl der [1][Coronapatient*innen] auf Intensivstationen
       steigt, gleichzeitig infiziert sich immer mehr Krankenhauspersonal mit dem
       Virus oder muss in Quarantäne. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI)
       haben sich seit Pandemiebeginn mehr als 34.760 Angestellte angesteckt, die
       in Kliniken oder Praxen arbeiten. Allein in der letzten Woche sind 3.500
       Infizierte hinzugekommen. Mancherorts ist die Lage so prekär, dass
       Kontaktpersonen und sogar infizierte Pflegekräfte und Ärzt*innen
       weiterarbeiten. Das zeigt eine Recherche der taz.
       
       So gut wie jedes der über 60 Krankenhäuser, die die taz kontaktiert hat,
       klagt über [2][extremen Personalmangel]: Die Main-Kinzig-Kliniken in Hessen
       etwa sprechen von einer „Notlage, wie wir sie bisher noch nicht zu
       bewältigen hatten“, das Klinikum Ludwigshafen behandelt wegen Engpässen
       ausschließlich Covid-19-Patient*innen und Notfälle, in der Uniklinik Bochum
       ist die Versorgung der Intensivpatienten nur noch unter „schwierigen
       Bedingungen“ sichergestellt.
       
       Im Klinikum Niederlausitz in Senftenberg (Brandenburg) ist die Personalnot
       so groß, dass derzeit zwei positiv getestete Mitarbeiter*innen im Einsatz
       sind. Sie versorgten ausschließlich Covid-19-Patient*innen, seien
       symptomfrei und hätten sich freiwillig dazu bereit erklärt, schreibt eine
       Sprecherin auf Anfrage. „Wir sind den Schritt gegangen, um die Versorgung
       aufrechtzuerhalten“, sagt sie.
       
       Wie gravierend der Personalmangel in dem Krankenhaus ist, verdeutlicht ein
       Aufruf auf dessen Internetseite: „Wer helfen will, im Idealfall
       medizinische Vorerfahrung hat, gesundheitlich dazu in der Lage ist und sich
       unter allen zur Verfügung stehenden Schutzmaßnahmen und unter Anleitung von
       qualifiziertem Fachpersonal einen Einsatz in unserem Krankenhaus vorstellen
       kann, den bitten wir, sich (…) bei uns zu melden.“
       
       ## Kontaktpersonen arbeiten in vielen Kliniken weiter
       
       Auch im Klinikum Altenburger Land in Thüringen arbeiten momentan infizierte
       Ärzt*innen und Pfleger*innen auf Covid-19-Stationen, wie eine Sprecherin
       mitteilt. Zusätzlich seien zehn Soldat*innen der Bundeswehr im Einsatz, um
       die immer größer werdenden Personallücken zu füllen.
       
       In Berliner Vivantes-Kliniken wurde erwogen, positiv getestetes Personal
       auf Covid-19-Stationen weiterarbeiten zu lassen, sofern es sich gesund
       fühlt. Andere Krankenhäuser schließen nicht aus, bei zunehmender
       Personalnot symptomfreie Mitarbeiter*innen mit Covid-19-Infektion
       einzusetzen, darunter die Uniklinik Essen, das Helios Klinikum Berlin-Buch
       sowie die Oberlausitz-Kliniken in Bautzen und Bischofswerda.
       
       15 Krankenhäuser sagten der taz, Kontaktpersonen der Kategorie 1a oder 1b
       zu beschäftigen. Zur Kategorie 1a zählt dem RKI zufolge Personal, das „ohne
       adäquate Schutzkleidung“ Kontakt zu Sekreten oder Körperflüssigkeiten von
       Infizierten hatte oder einer hohen Konzentration von infektiösem Aerosol
       ausgesetzt war. Wer weniger engen Kontakt zu einer infizierten Person
       hatte, fällt unter Kategorie 1b.
       
       Wegen der gravierenden Personalnot in Krankenhäusern hat das RKI
       Ausnahmeregeln für Ärzt*innen und Pflegekräfte aufgestellt. Demnach ist es
       Kontaktpersonen mit Covid-19-Verdacht sowie infizierten Mitarbeiter*innen
       erlaubt, weiterhin zu arbeiten – allerdings nur bei „relevantem
       Personalmangel“ und „in absoluten Ausnahmefällen“. Zuvor sollten
       Krankenhäuser aber alle „andere[n] Maßnahmen zur Sicherstellung einer
       angemessenen Personalbesetzung“ ergreifen, zum Beispiel verschiebbare
       Behandlungen absagen oder Patient*innen verlegen. Wie viele Ärzte und
       Pflegekräfte bundesweit trotz Erkrankung oder Kontakt zu einer infizierten
       Person weiterarbeiten, wird nirgends erfasst.
       
       ## Verbände äußern scharfe Kritik
       
       Der Ärzteverband Marburger Bund findet es „empörend“, positiv getestetes
       Personal einzusetzen. Das sei „indiskutabel und widerspricht der
       Quarantäneverordnung“, sagt ein Sprecher der taz. Der gleichen Meinung ist
       Klaus Reinhardt, Geschäftsführer der Bundesärztekammer: „Infizierte Ärzte
       gehören in Quarantäne und nicht ans Krankenbett.“
       
       Scharfe Kritik äußert auch Ludger Risse vom Bundesverband Pflegemanagement.
       Mit dem Einsatz von erkrankten Pfleger*innen gefährde man nicht nur
       Kolleg*innen, sondern auch Patient*innen: „Hundertprozentige Sicherheit
       gibt es nicht, ein kleiner Fehler beim Anziehen der Schutzkleidung reicht
       schon, um das Virus weiterzutragen.“
       
       Was in Krankenhäusern bisher noch eher Ausnahme ist, ist in Senioren- und
       Pflegeheimen schon seit Monaten Realität: In Bremen zum Beispiel sind
       derzeit 23 positiv getestete Pfleger*innen in vier Einrichtungen im
       Einsatz. Sie betreuten ausschließlich positiv getestete Bewohner*innen und
       hätten eine separate Umkleide, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher der Bremer
       Gesundheitssenatorin. Während des Dienstes und auf dem Arbeitsweg trügen
       die Pfleger*innen FFP2-Masken, öffentliche Verkehrsmittel dürften sie nicht
       benutzen.
       
       Bereits im Oktober kam es in einer Bremer Einrichtung, in der Menschen mit
       geistigen Behinderungen leben, zu einem großen Corona-Ausbruch. Sieben
       infizierte Pfleger*innen mussten wegen Personalengpässen weiterarbeiten.
       Ebenfalls im Oktober versorgten in einem Pflegeheim in Mellrichstadt
       (Bayern) zwei positiv getestete Pfleger*innen an Corona erkrankte
       Bewohner*innen.
       
       15 Dec 2020
       
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