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       # taz.de -- Svenja Schulze zu 5 Jahre Klimaabkommen: Paris ist „quicklebendig“
       
       > Auch wenn es erst durch Corona zu einem Rückgang der CO2-Emissionen
       > gekommen ist: Umweltministerin Svenja Schulze lobt das Pariser
       > Klimaabkommen.
       
   IMG Bild: Dort wo die Rahmenbedingungen stimmen, ist Solarstrom mittlerweile die günstigste Energiequelle
       
       Fünf Jahre ist es her, dass in Paris unter Freudentränen und standing
       ovations das Pariser Klimaabkommen aus der Taufe gehoben wurde. Delegierte
       aus über 190 Ländern lagen sich in den Armen, Al-Jazeera, die BBC und The
       Hindu feierten einen historischen Durchbruch: das Versprechen die globale
       Erwärmung auf deutlich [1][unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad Celsius] zu
       beschränken und die Welt in der zweiten Jahrhunderthälfte klimaneutral zu
       machen.
       
       Die Delegierten in Paris waren sich der Kühnheit ihrer Beschlüsse bewusst:
       das Einläuten einer Zeitenwende, das Ende des fossilen Zeitalters von
       Kohle, Öl und Gas. Aber so einig sich alle waren, so wenig war in diesem
       Augenblick klar, ob und wie die Transformation von jedem einzelnen Staat zu
       schaffen sein würde. Die in Paris beschlossenen nationalen Klimaziele
       begrenzten außerdem die Erderhitzung auf gerade mal 3-4 Grad Celsius. Es
       war von Anfang an klar, dass Paris nicht der Abschluss, sondern der Anfang
       eines Prozesses sein würde.
       
       Wenig später kam die erste existenzielle Bewährungsprobe: Der neu gewählte
       US-Präsident kündigte den Ausstieg seines Landes an und löste weltweit
       Sorge aus, dass weitere Länder nachziehen würden.
       
       Heute, fünf Jahre später, ist Donald Trump abgewählt. Sein Versuch, den
       Klimawandel kleinzureden, ist gescheitert. Kein Land ist seinem Beispiel
       gefolgt. Stattdessen sind überall auf der Welt klimafreundliche Lösungen
       auf dem Vormarsch.
       
       Ein paar Beispiele:
       
       Solar-und Windenergie setzen sich durch: Dort wo die Rahmenbedingungen
       stimmen, ist Solarstrom mittlerweile die günstigste Energiequelle. Die
       Kohle ist weltweit auf dem absteigenden Ast. Etliche Länder steigen um auf
       umwelt- und menschenfreundliche Alternativen. Darunter solche, die bisher
       als notorische Kohle-Verfechter galten, wie Südafrika und die Philippinen.
       Diese Dynamik sollte dazu führen, dass auch hier in Deutschland der Umstieg
       viel schneller erfolgt als bisher geplant. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz
       (EEG) muss darauf ausgerichtet werden, dass wir deutlich vor 2050 100
       Prozent erneuerbaren Strom produzieren. Die schon viel zu lang verschleppte
       Reform darf nicht dazu führen, dass Wind- und Solaranlagen nächstes Jahr
       vom Netz gehen. Sie muss den Ausbau massiv beschleunigen.
       
       Mit dem Ausstieg von Anlegern und Fonds verliert die Kohle weiter an Boden.
       Globale Investoren setzen immer stärker auf „green finance“: Pensionsfonds
       und Versicherer, die rund 2,4 Billionen US-Dollar verwalten, haben sich
       verpflichtet, ihr gesamtes Portfolio auf netto-null Emissionen bis 2050
       auszurichten. Der weltgrößte Verwalter und Besitzer von Infrastruktur,
       Maquire Asset Management, will das bis 2040 erreichen.
       
       Eine ganze Menge Fortschritt in nur fünf Jahren 
       
       Die Elektromobilität ist längst keine Nischenlösung mehr, sondern nimmt
       global an Fahrt auf. Anleger reißen sich um Tesla-Aktien. In Deutschland
       hat sich der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen im Vergleich zu 2019
       verfünffacht. Immer mehr Länder wollen schon bald nur noch klimafreundliche
       Autos zulassen: Kalifornien zum Beispiel ab 2035, einige europäische
       Nachbarn und Großbritannien noch früher. Fern- und Nachtzüge werden als
       Alternative wiederentdeckt.
       
       Lange schien es, als ob energieintensive Industrien wie Chemie-, Stahl- und
       Zementwerke zwingend Treibhausgase ausstoßen müssen. Aber auch hier macht
       sich längst die Erkenntnis breit, dass Strom aus Erneuerbaren und grüner
       Wasserstoff das Geschäftsmodell für die Zukunft sichert. Staatlich
       geförderte Pilotanlagen zeigen, dass Stahl auch klimaneutral geht.
       
       Das ist eine ganze Menge Fortschritt in nur fünf Jahren. [2][Das hat bis
       2019 – vor Corona – noch nicht dafür gereicht, dass die Emissionen weltweit
       sinken], aber das ist ein guter Anfang. Es wird immer besser verstanden,
       was durch die Klimakrise auf dem Spiel steht, für uns und kommende
       Generationen. Junge Leute fordern ihr Recht auf eine lebenswerte Zukunft
       ein. Sie mischen sich ein und packen mit an. Der Trend ist gesetzt.
       
       Da wundert es nicht, dass sich weltweit immer mehr Länder immer mehr
       zutrauen im Klimaschutz. Das führt der heutige UN-Klimagipfel noch einmal
       deutlich vor Augen: CO2-Rekordhalter China will bis 2060 CO2-neutral
       werden. Japan, Südkorea, Südafrika, Kanada, Neuseeland und über andere
       streben die Klimaneutralität schon für 2050 an, wie auch Deutschland und
       die EU. In den USA kehrt mit Joe Biden und Kamala Harris eine ehrgeizige
       Klimapolitik ins Weiße Haus zurück.
       
       Die EU hat gerade entschieden, ihr Klimaziel für 2030 auf mindestens 55
       Prozent Treibhausgasreduktion gegenüber 1990 zu erhöhen. Wir haben damit
       das Tempo enorm angezogen, mit dem wir in den 20er Jahren CO2-Emissionen
       vermeiden. Das wird eine Herkulesaufgabe. Aber eine, die sich auszahlt: für
       Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit, für eine europäische Wirtschaft,
       die unsere Ressourcen schont und Abhängigkeiten verringert, für mehr
       Lebensqualität.
       
       Als EU den Kurs korrigiert 
       
       Wir haben als EU den Kurs korrigiert geradewegs in Richtung
       Klimaneutralität. Wenn die jetzt beschlossenen mindestens 55 Prozent
       Reduktion bis 2030 erreicht werden, kann auch das große Ziel der
       Klimaneutralität bis 2050 Wirklichkeit werden.
       
       Die Corona-Pandemie macht eine große Weltklimakonferenz in diesem Jahr
       unmöglich. Ich bin aber zuversichtlich, dass bis zum Treffen in Glasgow im
       nächsten Jahr viele weitere Länder ihre Ziele nach oben korrigieren – wie
       in Paris verabredet. Die Konjunkturprogramme zur Überwindung der
       wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise können bis dahin weltweit zum
       Treibstoff für den Klimaschutz werden.
       
       Mit einem eigenen Klimaschutzgesetz hat Deutschland sichergestellt, dass
       wir es mit der Klimaneutralität bis 2050 ernst meinen und bei Bedarf
       nachsteuern. Der Europäische Green Deal und das neue EU-Klimaziel sorgen
       dafür, dass wir im europäischen Verbund handeln. Das Pariser Abkommen hat
       seine ersten Bewährungsproben bestanden. Es ist quicklebendig und zeigt
       heute mehr denn je, dass die Weltgemeinschaft die globalen
       Herausforderungen der Klimakrise annimmt und lösen kann.
       
       12 Dec 2020
       
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