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       # taz.de -- Regierung plant Identitätsnummer: Eine Ziffer fürs Leben
       
       > Die Bundesregierung plant eine einheitliche Identitätsnummer für jeden
       > Bürger. Datenschützer sind skeptisch.
       
   IMG Bild: FDP und Grüne lehnen das Vorhaben ab, da es die Bildung von Persönlichkeitsprofilen ermögliche
       
       Freiburg taz | Die Bundesregierung will eine einheitliche
       Personenkennziffer einführen, um die digitale Verwaltung zu erleichtern.
       Dies sei im Interesse der Bürger, betont Innenminister Horst Seehofer
       (CSU). FDP und Grüne lehnen das Vorhaben ab, da es die Bildung von
       Persönlichkeitsprofilen ermögliche.
       
       Künftig soll jeder Mensch mit einer einheitlichen dauerhaften elfstelligen
       Ziffer identifiziert werden. Das sieht der Entwurf der Bundesregierung für
       ein Registermodernisierungsgesetz vor. Als Identifikationsnummer soll die
       bereits 2003 von Rot-Grün beschlossenen Steuer-ID genutzt werden.
       
       Die Bundesregierung präsentiert die Katalogisierung der Bürger als
       notwendigen Schritt für eine bürgerfreundliche [1][Verwaltung]. Sie
       verweist auf das bereits 2017 beschlossene Onlinezugangsgesetz. Es sieht
       vor, dass bis Ende 2022 fast 600 staatliche Dienstleistungen von Bund,
       Ländern und Gemeinden im Internet abgewickelt werden können. So sollen
       Wohngeld, Bafög, Führerschein und Baugenehmigungen online beantragt werden
       können. Wichtig sei aber, die Bürger eindeutig zu identifizieren.
       
       Dabei sollen die Bürger beim [2][digitalen Kontakt mit der Verwaltung]
       nicht immer wieder die gleichen Daten angeben müssen – obwohl sie bei einer
       anderen Stelle in der Verwaltung bereits bekannt sind. Grundlegende
       Dokumente wie eine Geburtsurkunde sollen nicht immer wieder neu vorgelegt
       werden müssen. Stattdessen sollen 66 staatliche Register – vom
       Melderegister über das Passregister bis zum Insolvenzregister – mit der
       einheitlichen Identitätsnummer verknüpft werden.
       
       ## „Datencockpit“ geplant
       
       Die Steuer-ID sei als allgemeine Personenkennziffer gut geeignet, so das
       Innenministerium, weil sie schon vorhanden ist. Sie sei auch
       datenschutzfreundlich, weil die elf Ziffern an sich keine Informationen
       enthalten. Die Zusammenführung aller Behördendaten zu einem
       Persönlichkeitsprofil sei weiterhin verboten.
       
       Historisch hat die Vergabe von Ziffern an Personen in Deutschland einen
       schlechten Ruf. Manche erinnert sie an die Häftlingsnummern in den
       Nazi-KZs, andere an die „Personenkennzahl“ der DDR. 1976 musste der
       damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher seinen Versuch, eine
       Personenkennziffer in Westdeutschland einzuführen, wegen
       verfassungsrechtlicher Bedenken aufgeben. 1983 erklärte das
       Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil nebenbei auch die
       Einführung von einheitlichen Personenkennziffern für „unzulässig“.
       
       Die Bundesregierung verweist dagegen auf die anderen EU-Staaten, die fast
       alle eine einheitliche Kennziffer für ihre BürgerInnen nutzen. Das
       Bundesverfassungsgericht sei auch missverstanden worden, es habe nicht die
       Kennziffer verbieten wollen, sondern die Bildung von
       Persönlichkeitsprofilen.
       
       Ulrich Kelber, der Bundesdatenschutzbeauftragte, lehnte die Pläne der
       Bundesregierung Mitte Dezember bei einer Anhörung im Bundestag dennoch ab.
       Die Modernisierung der Verwaltung sei auch ohne einheitliche Personenziffer
       möglich.
       
       Um Datenschützer zu besänftigen, soll im Registermodernisierungsgesetz
       immerhin ein „Datencockpit“ eingeführt werden. Dort sollen alle BürgerInnen
       künftig digital nachvollziehen können, welche Behörde zu welchem Zeitpunkt
       aus welchem Grund auf welche ihrer Daten zugegriffen hat.
       
       Die Beschlussfassung des Gesetzes soll im Bundestag in den kommenden Wochen
       erfolgen.
       
       4 Jan 2021
       
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