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       # taz.de -- Taschen Verlag wird 40: Bildbände für uns
       
       > Der Taschen Verlag legt zum 40-jährigen Bestehen seine 40 erfolgreichsten
       > Titel neu auf. Besonders empfehlenswert: „Wolfgang Tillmans four books“.
       
   IMG Bild: Ausschnitt aus Wolfgang Tillmans, summer, still life, 1995
       
       Reizt einen noch heute, spricht einen immer noch spontan an – dieses
       undurchschaubare, weil offenbar hierarchie- und regellose Nach- und
       Durcheinander der Fotografien, [1][das Wolfgang Tillmans liebt,] wenn er
       seine Ausstellungswände installiert und seine Bildbände layoutet. Den
       ersten veröffentliche Benedikt Taschen 1995 in seinem Kölner Verlag.
       Taschen war da schon berühmt für die sorgfältig hergestellten, opulenten
       Bildbände, die der Verlag zu moderaten Preisen auf den Markt brachte.
       
       Was früher mächtig ins Budget gegangen und daher keine Option gewesen wäre:
       Dank Taschen fand sich ab 1980 bei jungen Leuten, Berufsanfänger*innen,
       Student*innen und Künstler*innen, aber auch Freiberuflern mit volatilem
       Einkommen jederzeit eine zuverlässige Bildauswahl zu einem Thema oder von
       Protagonisten aus Kunst, Architektur, Design und Popkultur im Bücherregal.
       Diese Demokratisierung des Wissens über Kunst war damals so neu wie
       Wolfgang Tillmans’ Fotografien.
       
       Sein 40-jähriges Bestehen feiert der Taschen Verlag nun mit einem
       besonderen Coup. Er legt eine Sonderedition der 40 erfolgreichsten Titel
       auf. Jeder der in kleinerem Format publizierten, dabei aber nicht weniger
       aufwendig ausgestatteten Bände ist 512 Seiten stark und kostet 20 Euro.
       „Wolfgang Tillmans four books“ macht in diesem Format nun die vier
       Bildbände wieder zugänglich, die Tillmans mit Taschen gemacht hat.
       
       ## Schöne Zeiten?
       
       In „Wolfgang Tillmans 1995“ besticht noch immer die Aufnahme „Suzanne &
       Lutz, white dress, army skirt“ (1993), auf der es Suzanne
       unglaublicherweise gelingt, ihre Arme hinter dem Kopf so zu verschränken,
       dass sie ihre Hände auf ihre Brust legen kann. Und dann „Corinne on
       Cloucester Place“ (1993), wie sie in ihren Camouflagepants, ein weißes Tuch
       um die Hüften gewickelt, mit freiem Oberkörper mitten auf der Straße steht.
       
       Ja, damals stellte der Aids-Aktivist und Kunstkritiker Simon Watney in
       seinem Einführungstext Tillmans noch ganz selbstverständlich in den Kontext
       der Modefotografie und sah in ihm dazu den „principal photographic poet of
       Europe’s resurgent nightlife“. Man möchte heute, in diesen elenden Corona-
       und Post-Brexit-Zeiten meinen, das waren noch schöne Zeiten.
       
       Doch dann stößt man auf den vermeintlichen Schnappschuss „Silvio
       Samariterstraße“ (1992) und erinnert sich an den in Ostberlin von Neonazis
       [2][ermordeten linken Aktivisten Silvio Meier.] Ja, Tillmans’ Bildprogramm
       war 1995 auf unerhörte, so bislang nicht gesehene Art und Weise eben
       politisch und – wie die lässigen Aufnahme „Stiefelknecht II“ (1993)
       klarmacht – auch sexuell wach.
       
       ## Digitale Fotografie und Drucktechnik
       
       Bei „Burg“ (1998) fallen einem sofort die Ratten am Broadway in Tribeca
       ein, beim dritten Band „truth study center“ (2005) die Bilder vom
       kosmischen Venus-Transit und die Farbabstraktionen auf direkt belichtetem
       Fotopapier. Und beim Stichwort „Tukan“ (2010) ist man dann beim Band „Neue
       Welt“ (2012), in dem sich das hinreißende Porträt dieses Schnabels plus
       anhängendem Vogel findet und in dem Tillmans erstmals die Möglichkeiten der
       digitalen Fotografie und Drucktechnik nutzt.
       
       Lakonisch, hoch assoziativ und auf überraschende Weise anschlussfähig
       begegnet einem Tillmans’ Werk noch immer.
       
       3 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wolfgang-Tillmans-ueber-Kunst-und-Politik/!5595057
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       ## AUTOREN
       
   DIR Brigitte Werneburg
       
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