# taz.de -- Langmut der Polizei in Washington: Die Gretchen-Gegenfrage
> Hätte Obama Black-Power-Militante zu einem Staatsstreich aufgestachelt,
> wären sie auch so davongekommen? Mitnichten, sondern mit Vernichtung.
IMG Bild: Es hätte ein guter Tag werden können: der 33-Jährige Jon Ossoff gewinnt die Wahl in Georgia
Der 6. Januar 2021 hätte eigentlich ein guter Tag für die US-Demokratie
sein sollen. Denn zwei progressive Kandidaten für den US-Senat hatten,
entgegen allen Erwartungen, gerade eine wichtige Stichwahl ausgerechnet im
Südstaat Georgia gewonnen: beide Demokraten, und zwar nicht lediglich
bezüglich der parteipolitischen Zugehörigkeit. Der eine ist der
Investigativjournalist Jon Ossoff, Sohn jüdischer Einwanderer, der andere
der schwarze Baptistenpastor Raphael Warnock, der lange in der Kirche von
Dr. Martin Luther King gepredigt hat. Als queere Berlinerin mit
afroamerikanischen Wurzeln habe ich mich gefreut. Diese beiden verkörpern
Vielfalt, Hoffnung und Fortschritt.
Mit deren Einzug in die obere Kammer des US-Kongresses sind die
Demokrat*innen zudem auf 50 der 100 Sitze im Senat gekommen. Es ist ein
Sieg, zumal die antretende Vizepräsidentin Kamala Harris mit ihrer Stimme
Pattsituationen zugunsten der Demokraten entscheiden kann.
Doch gestern sind auch ganz andere Personen in das Kapitol eingedrungen,
allerdings auf unbefugte Weise. Eine Kundgebung MAGA-süchtiger
Rassist*innen wurde zu einem [1][versuchten Coup gegen die demokratische
Staatsgewalt]. Aberhunderte white supremacists bestürmten das
Regierungsgebäude, teilweise bewaffnet. Sie schwenkten
Konföderiertenflaggen wie zur blutigen Blütezeit der Sklaverei, machten mit
Parolen wie „Murder the media!“ [2][Jagd auf Journalist*innen], besetzten
die Büros bevorzugt von Abgeordneten der Demokraten, die um ihr Leben
fürchteten. Es gab mindestens vier Tote – und so gut wie keine Festnahmen.
Manche dieser Störenfriede machten sogar Selfies mit langmütigen
Polizisten. Selbst „Mainstreammedien“ bezeichneten die Eindringlinge
anfangs noch als Protestierende.
Trump selbst bekam eine wenigstens zeitweilige Twitter-Sperre. Auweia!
Trotzdem verfügt er nach wie vor über die Nuklearcodes, bis Joe Biden ins
Amt eingeführt wird. Einige Menschen hüben wie drüben fragen mich, was der
Begriff white privilege bedeute.
Heute stelle ich die Gretchen-Gegenfrage: Wenn ein abgewählter Präsident
namens Obama lauter Black-Power-Militante zu einem gewalttätigen
Staatsstreich aufgestachelt hätte – wären er und seine Putschist*innen auch
so davongekommen? Mitnichten, sondern mit Vernichtung.
7 Jan 2021
## LINKS
DIR [1] /Trump-und-der-Sturm-aufs-Kapitol/!5742463
DIR [2] /Angriffe-auf-Journalistinnen-am-Kapitol/!5738374
## AUTOREN
DIR Michaela Dudley
## TAGS
DIR White Supremacy
DIR IG
DIR US-Wahl 2024
DIR Donald Trump
DIR Mieten
DIR US-Wahl 2024
DIR US-Wahl 2024
DIR US-Wahl 2024
DIR US-Wahl 2024
DIR US-Wahl 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Wohnungsnot in Berlin: Noch keine Herdenimmunität
Inkonsequent und ambivalent ist Berlin bei seiner Politik gegen
Mietsteigerungen und Wohnungsnot. Sogar New York macht's besser!
DIR Verhältnis zwischen EU und USA: Schock und Fassungslosigkeit
Die EU hofft auf Joe Biden. Doch es ist fraglich, ob der sich viel Zeit
nehmen wird für Europa und eine neue Ära der transatlantischen
Freundschaft.
DIR Nach dem Sturm auf das Kapitol: Republikaner in der Sackgasse
Der 6. Januar bedeutet einen Bruch in der Republikanischen Partei. Aber
eine Abkehr von Trump würde den Weg in eine unbekannte Identität bedeuten.
DIR Angriffe auf Journalist*innen am Kapitol: Bloß noch ein Feindbild
Die Aggressionen der Rechtsextremen gegen Medienvertreter*innen in
Washington geben eine Aussicht auf das Erbe der Trump-Ära.
DIR Trump und der Sturm aufs Kapitol: Angestachelt und vorbereitet
Putsch oder Aufstand? Trump hat die Demokratie untergraben. Seine Anhänger
haben Blut geleckt.
DIR Sturm aufs Kapitol in Washington: Donald Trumps treues Fußvolk
Seit dem frühen Morgen waren Trump-Anhänger in Washington unterwegs. Die
meisten waren friedlich – aber bereit, für Trump zu kämpfen.