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       # taz.de -- Coronamythen und Fakten (5): „Es gibt keine Übersterblichkeit“
       
       > Coronaskeptiker bezweifeln, dass im Pandemiejahr mehr Menschen sterben
       > als sonst. Doch das ist vielerorts der Fall.
       
   IMG Bild: Der Friedhof in im US-Staat Florida wurde angelegt, um an die vielen Corona-Toten zu erinnern
       
       Übersterblichkeit ist ein nicht ganz leicht zu verstehender Begriff aus der
       Medizinstatistik. Vereinfacht gesagt gibt er an, ob in einem bestimmten
       Zeitraum und in einer bestimmten Region mehr Menschen gestorben sind, als
       zu dieser Zeit und dort zu erwarten gewesen wäre. Wird Übersterblichkeit
       festgestellt, muss nach Erklärungen dafür gesucht werden.
       
       Im Jahr 2018 starben binnen weniger Wochen viel mehr Menschen als erwartet.
       Daraus errechnete später [1][das Robert-Koch-Institut, dass in dem Winter
       25.100 Menschen an den Folgen der damals besonders heftigen Grippewelle
       gestorben sind]. Medizinisch attestiert waren nur rund 1.700 Grippeopfer.
       Da es keine andere Erklärung für die vielen Toten gab, wurden alle der
       Grippe zugerechnet.
       
       Auch für die Bewertung der Coronapandemie ist Übersterblichkeit eine
       hilfreiche Größe. Die aktuellsten Zahlen liefert das [2][European Mortality
       Monitoring] (Euromomo), das in wöchentlichen Bulletins Zahlen aus 26
       Staaten und Regionen in Europa auswertet. Dort [3][konnte man schon Ende
       April ablesen], dass während der Pandemie mehr Personen starben, sogar
       deutlich mehr als offiziell als Coronatote anerkannt waren. [4][Aktuell
       kommt Euromomo auf 300.000 Menschen], die im Laufe des Jahres in den 26
       Regionen „zu viel“ gestorben sind. Grafiken der New York Times [5][zeigen
       das anschaulich auch für viele nichteuropäische Länder].
       
       Die Kurven für Deutschland haben aber kaum Ausschläge. Daher behaupten
       Coronaskeptiker, [6][wie etwa der Fraktionschef der Brandenburger AfD,]
       Hans-Christoph Berndt, es gebe keine Übersterblichkeit. René Gottschalk,
       Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts, [7][kritisierte zu harte
       Coronamaßnahmen, weil eine Übersterblichkeit nicht zu verzeichnen sei].
       
       Und selbst der anerkannt seriöse Virologe Hendrik Streeck, hatte schon im
       März [8][in einem FAZ-Interview gesagt]: „Ich lehne mich mal weit aus dem
       Fenster und sage: Es könnte sein, dass wir im Jahr 2020 zusammengerechnet
       nicht mehr Todesfälle haben werden als in jedem anderen Jahr.“
       
       Langfristig gleicht sich Übersterblichkeit eher aus, bei kürzeren
       Zeiträumen aber wurde sie schnell sichtbar. So kamen bei der ersten Welle
       im April binnen einer Woche 19.636 Menschen ums Leben, fast 15 Prozent mehr
       als üblich. Das Statistische Bundesamt sprach erstmals [9][von einer
       Übersterblichkeit].
       
       [10][Die neuste Sonderauswertung zu Sterbefallzahlen des Bundesamts] zeigt
       das Drama der zweiten Welle. Vom 25. Oktober bis 21. November starben fast
       7 Prozent mehr Menschen als üblich. Im Lauf des Jahres wurden bis dahin
       rund 15.000 mehr Tote registriert als im Schnitt der Vorjahre. Die extrem
       gestiegene Zahl der Coronatoten aus den letzten vier Wochen ist da nicht
       einmal berücksichtigt. Die Übersterblichkeit wird daher bis Silvester noch
       steigen.
       
       Sind aber alle Übertoten Coronaopfer? Nein, auch im August gab es einen
       Ausschlag nach oben: wegen der Hitzewelle. Umgekehrt trug die Pandemie auch
       zur Senkung der Opferzahlen bei. [11][Im Frühjahr gab es weniger
       Verkehrstote], weil im Lockdown wenige unterwegs waren.
       
       Übersterblichkeit ist in Deutschland noch nicht so dramatisch, wie in
       anderen Ländern, aber dennoch ein Fakt. Sie ist ein Indiz für die
       Auswirkung der Coronapandemie. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
       
       Nachtrag: Am Freitag hat das [12][Statistische Bundesamt eine neuste
       Auswertung der Sterbefallzahlen in Deutschland veröffentlicht]. Danach
       starben Ende November in der Kalenderwoche 47 bundesweit 9 Prozent mehr
       Menschen als in den Vorjahren. In Sachsen gab es sogar 46 Prozent mehr Tote
       als im Schnitt der letzten vier Jahre. In Baden-Württemberg, Brandenburg
       und Thüringen lagen die Sterbefallzahlen in der Woche 12 Prozent über dem
       Normalniveau.
       
       17 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2019/10_2019.html
   DIR [2] https://www.euromomo.eu/
   DIR [3] /Uebersterblichkeit-durch-Corona/!5681183
   DIR [4] https://www.euromomo.eu/graphs-and-maps/#excess-mortality
   DIR [5] https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/21/world/coronavirus-missing-deaths.html
   DIR [6] https://www.rbb-online.de/imparlament/brandenburg/2020/30-oktober-2020/30__oktober_2020_-_23__Sitzung_des_Brandenburger_Landtags1/hans-christoph-berndt--afd---as.html
   DIR [7] https://www.berliner-zeitung.de/news/keine-uebersterblichkeit-trotz-corona-amtsarzt-fordert-diskussion-ueber-die-mittel-der-pandemie-bekaempfung-li.108672
   DIR [8] https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/neue-corona-symptome-entdeckt-virologe-hendrik-streeck-zum-virus-16681450-p2.html
   DIR [9] /Uebersterblichkeit-waehrend-Corona/!5683691
   DIR [10] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html
   DIR [11] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/10/PD20_422_46241.html
   DIR [12] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/12/PD20_523_12621.html
       
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   DIR Gereon Asmuth
       
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