URI: 
       # taz.de -- Tötung einer Wölfin: Wer hat Angst vor Gloria?
       
       > In der Nähe von Wesel soll eine Wölfin „entnommen“ werden. Bürger*innen
       > kämpfen dafür, dass sie doch nicht getötet wird.
       
   IMG Bild: Symbolbild: Seit 2018 lebt Wölfin Gloria im Wolfsgebiet Schermbeck
       
       GW954f hat ein Problem. Denn GW954f hat offenbar gelernt, 1,20 Meter hohe
       Zäune zu überwinden. Deshalb ist sie jetzt in Lebensgefahr. W954f lebt
       rund um die niederrheinische Gemeinde Schermbeck, unweit von Wesel. Das
       Kürzel steht für: Grauwolf 954, weiblich. Vor Kurzem gab es sogar Nachwuchs
       – und just stimmte der Gemeinderat Schermbeck für den [1][Abschuss der
       Wölfin]: GW954f tötete nachweislich mehrere Schafe. Erst am Montag starb
       ein Shetlandpony durch einen Kehlbiss.
       
       Auf change.org kämpfen nun Bürger [2][mit einer Petition gegen die Tötung
       der Wölfin], rund 80.000 Menschen haben bereits unterzeichnet. Die
       „Initiative Wolfschutz Deutschland“ macht Wölfe zu Individuen: GW954f heißt
       dank ihr nun Gloria von Wesel, ihr Bruder Ingolf von Wesel. Seit 2018 lebt
       die Wölfin in dem Gebiet um Schermbeck. Und fast genauso lange streiten
       Politik und Umweltschützer vor Ort schon über die Frage: Wer darf leben und
       wer nicht?
       
       Laut Peter Malzbender, Vorsitzender der Nabu-Kreisgruppe Wesel, ist der
       Wolf kein Problemtier. Im Zentrum stehe der Herdenschutz: Nur wenn
       Landwirte Schutzmaßnahmen wie elektrogesicherte 1,20 Meter hohe Zäune oder
       auch Herdenschutzhunde einsetzen, haben sie Anspruch auf Entschädigung
       durch das Land NRW, wenn eines ihrer Tiere gerissen wird. Und sowohl das
       NRW-Umweltministerium als auch der Nabu sind sich einig, dass die
       entsprechenden Zäune häufig nicht sachgemäß aufgebaut sind. Aus diesem
       Grund hat Umweltministerin Ursula Heinen-Esser der Tötung von Gloria nicht
       zugestimmt.
       
       Ob die Wölfin getötet werden darf, hängt also nicht davon ab, wie viele
       Schafe sie reißt, sondern davon, wie viele Schafe sie reißt, obwohl der
       Herdenschutz erfüllt ist. Nun liegt es in der Natur des Wolfs, Beute zu
       machen. Pro Nacht bewegt sich ein Wolf rund fünfzig Kilometer durch sein
       Gebiet. Laut Malzbender entspricht die gerissene Zahl der Nutztiere nur
       etwa einem Prozent der üblichen Beute eines Wolfs – für die Landwirte sei
       also der emotionale Schaden wesentlich größer als der wirtschaftliche.
       
       Ein konsequenter Herdenschutz bedeute allerdings auch mehr Aufwand.
       Auffallend ist, dass die Grünen sich für die „Entnahme“ von Gloria
       ausgesprochen haben. Sie hätten sich an einer Empfehlung orientiert, die
       von Naturschutzverbänden (darunter BUND und Nabu) abgegeben worden ist, in
       der stehe, dass ein Wolf getötet werden sollte, wenn er die Maßnahmen des
       erhöhten Schutzes von 1,20 Meter überwindet. Die Aktivist*innen von
       „Wolfschutz Deutschland“ stellen allerdings infrage, ob Gloria diese Zäune
       tatsächlich überwunden hat oder vielmehr darunter hindurchgekrochen ist.
       
       Laut Malzbender vom Nabu sind 70 bis 80 Prozent der Bürger dafür, dass
       Wölfe in Deutschland leben. Durch die Düngemittel in der Landwirtschaft
       gebe es zu jeder Jahreszeit so viel Grünfutter, das die Wildpopulation
       explodieren würde. Durch die Überdüngung und den Stickstoff im Boden würden
       beispielsweise Brombeeren das ganz Jahr über – auch im Winter – Blätter
       tragen. Ein paradiesisches All-you-can-eat-Buffet für Rehe und Schwarzwild.
       Und so am Ende auch für ihre natürlichen Feinde. Selbst wenn Gloria sterben
       müsste: „Die Wölfe werden kommen“, prophezeit Malzbender „Sie sind nicht
       aufzuhalten.“
       
       10 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Zu-Besuch-beim-Wolfshundrudel/!5738721
   DIR [2] https://www.change.org/p/rathaus-wesel-w%C3%B6lfin-gloria-soll-nicht-get%C3%B6tet-werden?recruiter=980936305&recruited_by_id=b1982e20-9db6-11e9-a28b-cde3e24c6e63
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Amonte Schröder-Jürss
       
       ## TAGS
       
   DIR Tierschutz
   DIR Wolfsmanagement
   DIR Wölfe
   DIR Brandenburg
   DIR Wolfsberater
   DIR Bundesamt für Naturschutz
   DIR Landwirtschaft
   DIR Deiche
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Wölfe in Brandenburg: Übers Ziel hinaus geschossen?
       
       Brandenburg ist das Bundesland mit den meisten Wölfen. Sogenannte
       Problemwölfe sollen künftig einfacher getötet werden können.
       
   DIR Zwischen Angst und Faszination: Draußen ist der Wolf
       
       Die Debatte über Wölfe wird in Deutschland geht weit über Detailfragen
       hinaus. Tatsächlich geht es darum, wer definieren darf, was Natur ist.
       
   DIR Neue Studie zur Verbreitung von Wölfen: Raubtiere brauchen keine Wildnis
       
       In Deutschland gibt es 700 bis 1.400 potenzielle Reviere für Wölfe, sagt
       eine Studie. Das Bundesamt für Naturschutz fordert ein besseres Management.
       
   DIR Wölfe in Deutschland: Schutz nur noch in Schutzgebieten
       
       Außerhalb von großen Wäldern sollen Wölfe bis zu einer Obergrenze
       abgeschossen werden können, verlangen Jäger- und Bauernverbände.
       
   DIR Problemwölfe im Norden: Abschuss oder Zaun?
       
       Der Nabu fordert, dass Schafhalter*innen ihre Tiere durch Zäune vor Wölfen
       schützen sollen. Kritiker sehen durch Zäune das Ökosystem der Marschlande
       in Gefahr.