URI: 
       # taz.de -- US-Präsidentschaft: Trumps vergiftetes Erbe
       
       > Joe Biden will das Land versöhnen. Das wird schwierig, hat doch Trump
       > nicht nur den Institutionen, sondern auch den Republikanern Schaden
       > zugefügt.
       
   IMG Bild: Donald Trump während der Kundgebung am Mittwoch bevor die Ausschreitungen begannen
       
       Vier Jahre lang funktionierte die [1][Republikanische Partei als
       Steigbügelhalter für Trumps autokratischen Machtanspruch]. Trump war
       nützlich. Steuersenkungen für die Reichen! Drei konservative Oberste
       Richter! Druck auf Familienplanung und Migration! Keine Verschärfung der
       Schusswaffenkontrollen! Da wurden, nach acht Jahren Obama-Präsidentschaft,
       konservative Träume wahr.
       
       Die Zerstörung der Institutionen von innen, die Trumps erster Chefberater
       Stephen Bannon einst als strategisches Ziel ausgegeben hatte, wurde wahr.
       Wo immer möglich, überdehnte Trump seine Machtbefugnisse, preschte mit
       offenkundig rechtswidrigem Handeln so lange voran, wie Gerichte das gerade
       noch zuließen, entledigte sich störenden Expertenwissens in den
       Ministerien, beschimpfte die Medien als „Volksfeinde“ und verbreitete
       Tweets von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremisten. Für seine
       Anhänger*innen, mit denen er vier Jahre lang per Twitter und auf nie
       aufhörenden Großveranstaltungen eng kommunizierte, war er damit derjenige
       Präsident, der sein Versprechen hielt, sich nicht dem verhassten
       Washingtoner Establishment anzupassen, sondern das korrupte System als
       Außenseiter aufzumischen.
       
       Es ist nur folgerichtig, dass kranke Fantasien wie das von Qanon
       verbreitete Hirngespinst, [2][Trump kämpfe gegen einen Deep State], dessen
       Repräsentanten Kinder gefangen hielten und deren Blut tränken, so starke
       Verbreitung fanden, dass bei den jüngsten Wahlen mindestens zwei
       republikanische Abgeordnete gewählt wurden, die diesen Irrsinn tatsächlich
       glauben.
       
       Wäre der Mehrheit der Republikanischen Partei ernsthaft daran gelegen
       gewesen, dieser bewussten Verwüstung des Systems der US-amerikanischen
       Demokratie und der Zerstörung ziviler Debattenkultur Einhalt zu gebieten,
       hätten ihre Vertreter*innen längst einschreiten müssen und können. Taten
       sie aber nicht, im Gegenteil.
       
       Gerade noch rechtzeitig vor der Kongresssitzung am Mittwoch entdeckte der
       republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, seinen Anstand.
       14 Tage vor Trumps Abgang ist er nach vier Jahren Trump-Unterstützung
       nichts anderes als die Ratte, die das sinkende Schiff verlässt. Und die
       Heuchelei, mit der nach dem von Trump selbst orchestrierten Sturm auf das
       Kapitol jetzt Minister*innen und führende Mitarbeiter*innen
       moralisch empört ihren Rücktritt erklären, verschlägt einem die Sprache.
       
       Dennoch ist der Umgang mit solchen prinzipienlosen, machtgeilen
       Opportunist*innen gar nicht so einfach. Denn die Republikanische Partei
       ist und bleibt ein wichtiger Machtfaktor, und sie muss sich ändern, wenn
       Bidens Vorhaben, die Spaltung der USA zu überwinden, irgendeine Chance
       haben soll. Wenn sie aufhörte, mit Lügengeschichten ihre Wähler*innen
       aufzuputschen und im Kongress jegliche vernünftige Gesetzgebung zu
       blockieren – das wäre ein Fortschritt, der es rechtfertigen würde, diesen
       Leuten sogar vier Jahre Trump zu verzeihen. Enttrumpifizierung würde
       Mittäter*innen und Mitläufer*innen ungeschoren davonkommen lassen
       müssen.
       
       Nur: Für einen solchen echten Schwenk der Republikaner*innen gibt es
       derzeit keinerlei Anzeichen. Und da sind immerhin auch 74 Millionen
       US-Amerikaner*innen, die im November Trump gewählt haben. Sie müssten
       konsequent mit anderen, leidlich der Wahrheit und dem Respekt
       verpflichteten konservativen Diskursen geführt werden, um aus dem
       Fantasieland herauszufinden. Bislang ist da niemand in der republikanischen
       Führungsriege, der das tun könnte oder würde, aber viel Angst, diese an
       Trump hängenden Massen als Wähler*innen zu verlieren.
       
       [3][Der Sturm aufs Kapitol war der sichtbare Kulminationspunkt] von vier
       Jahren Trump. Ja, das war vollkommen vorherzusehen, und wer jetzt erst
       merkt, dass etwas schiefläuft, macht sich politisch lächerlich. Trotzdem:
       Besser jetzt als nie.
       
       8 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-dem-Sturm-auf-das-Kapitol/!5742470
   DIR [2] /Impeachment-gegen-US-Praesident-Trump/!5738388
   DIR [3] /Die-USA-nach-dem-Sturm-aufs-Kapitol/!5742615
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
       ## TAGS
       
   DIR US-Wahl 2024
   DIR Schwerpunkt USA unter Donald Trump
   DIR Joe Biden
   DIR US-Demokraten
   DIR Republikaner
   DIR US-Wahl 2024
   DIR USA
   DIR Stephen Bannon
   DIR Menschenrechte
   DIR Donald Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Donald Trump
   DIR US-Wahl 2024
   DIR US-Wahl 2024
   DIR US-Demokraten
   DIR US-Wahl 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Joe Bidens Versöhnungsrhetorik: Es liegt nicht in Bidens Hand
       
       Für das Trump-Lager bedeutet Bidens Programm nicht Heilung, sondern
       Angriff. Das Land wird er nicht heilen können, wenn die Spalter es nicht
       wollen.
       
   DIR Ehemaliger US-Chefstratege Steve Bannon: Von Trump begnadigt
       
       Der Ex-Leiter der rechten Website Breitbart verhalf Trump zum Wahlsieg.
       Nach Unterschlagungsvorwürfen wurde er im Sommer 2020 festgenommen.
       
   DIR Begnadigung Steve Bannons: Letzter böser Schachzug
       
       Trump ist wohl Geschichte, doch sein früherer Chefstratege will
       „Gladiatorenschule für Kulturkämpfer“ aufziehen. In Italien. Ein
       gefährliches Erbe.
       
   DIR Bericht von Human Rights Watch: „Trump war ein Desaster“
       
       Den Menschenrechten sei Trumps US-Regierung feindselig gegenüber gestanden,
       heißt es im Jahresbericht der Organisation. Auch Deutschland wird gerügt.
       
   DIR Trumps letzte Tage im Amt: Der Putschversuch ist nicht vorbei
       
       Nach vier Jahren Hetze ist die Büchse der Pandora geöffnet. Die
       Leichtigkeit, mit der das Kapitol erstürmt werden konnte, hat die
       Putschisten ermutigt.
       
   DIR Twitter sperrt Account von Trump: Es hat sich ausgezwitschert
       
       Die Demokraten bereiten ein Amtsenthebungsverfahren gegen den
       US-Präsidenten vor. Und eine erste republikanische Senatorin fordert seinen
       Rücktritt.
       
   DIR Nach dem Sturm auf das US-Kapitol: Im Hass vereint
       
       Rechte Ideolog:innen aus Deutschland reagieren begeistert auf die
       Ereignisse in Washington – sie selbst wollen es noch besser machen.
       
   DIR Die USA nach dem Sturm aufs Kapitol: Kein Tag länger mit Trump
       
       Die Forderungen nach sofortiger Amtsenthebung Donald Trumps werden lauter,
       Minister*innen treten zurück. Trump reagiert mit einem versöhnlichen Video.
       
   DIR Impeachment gegen US-Präsident Trump: Die Demokraten sind sich uneins
       
       Junge Demokraten-Abgeordnete wollen US-Präsident Trump schnellstmöglich aus
       dem Amt entfernen. Die alte Garde gibt sich zurückhaltender.
       
   DIR Nach dem Sturm auf das Kapitol: Republikaner in der Sackgasse
       
       Der 6. Januar bedeutet einen Bruch in der Republikanischen Partei. Aber
       eine Abkehr von Trump würde den Weg in eine unbekannte Identität bedeuten.