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       # taz.de -- Österreichs Arbeitsministerin tritt ab: Über Plagiatsvorwürfe gestolpert
       
       > Die ÖVP-Politikerin Christine Aschbacher bestreitet jedes Fehlverhalten.
       > Sie habe mit ihrem Rücktritt jetzt nur ihre Familie schützen wollen.
       
   IMG Bild: Einstudiertes Geschwurbel und nun noch Plagiatsverdacht: Ministerin Aschbacher wurde untragbar
       
       Wien taz | „Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes; sie
       verlangsamen uns.“ Dieser Satz stammt aus der Dissertation von Christine
       Aschbacher, bis Samstag Ministerin für Arbeit, Familie und Jugend in
       Österreichs Bundesregierung. In der Doktorarbeit, die letztes Jahr an der
       TU Bratislava im Fach Industriemanagement erfolgreich verteidigt wurde,
       geht es um den „Entwurf eines Führungsstils für innovative Unternehmen“.
       
       Dort sind auch weitere Kleinodien der Stilkunst zu finden wie: „Vielleicht,
       daher ist es seltsam, dass, wenn es irgendeine Phrase, die garantiert wird,
       um mich auf den Weg, es ist, wenn jemand zu mir sagt: 'Okay, fein. Du bist
       der Chef!“.
       
       Aschbacher war schon in ihren ersten Interviews als Ministerin dadurch
       aufgefallen, dass sie auf Fragen immer dieselbe einstudierte Antwort ohne
       Bezug zu den Fragen gab. Auch zuletzt gab sie immer wieder Unverständliches
       von sich.
       
       Deshalb warf der als „Plagiatsjäger“ bekannte Universitätslektor Stefan
       Weber einen Blick in die Diplomarbeit der Ministerin. Die 2006 unter ihrem
       Mädchennamen Christine Kowald an der Fachhochschule Wiener Neustadt
       abgegebene Magisterarbeit „Kompetenzen im Vertrieb – Anforderungen im Key
       Account Management“ qualifizierte er als „wissenschaftliche Katastrophe“.
       
       ## Plagiatsverdacht samt eigenwilliger Orthografie
       
       Am letzten Donnerstag ging Weber an die Öffentlichkeit und erklärte: Große
       Textstrecken seien ohne korrekte Zitierung aus verschiedenen Quellen
       übernommen, also plagiiert. Und eigene Absätze glänzten durch eigenwillige
       Orthografie, Grammatik, Syntax und Interpunktion.
       
       In den sozialen Medien zirkulierten schnell Blüten aus dem Opus der
       Ministerin, deren Büro erklärte, Frau Dr. Aschbacher sei sich keiner Schuld
       bewusst und habe „nach bestem Wissen und Gewissen“ gearbeitet. Die
       Diplomarbeit sei im Übrigen mit „sehr gut“ benotet worden.
       
       Doch wuchs überraschenderweise auch innerhalb der regierenden Volkspartei
       (ÖVP) der Druck. Samstagabend schließlich folgte der Rücktritt. Nicht aus
       Schuldbewusstsein, sondern weil sich „Anfeindungen, die politische
       Aufgeregtheit und die Untergriffe leider nicht auf mich, sondern auch auf
       meine Kinder mit unerträglicher Wucht entladen“.
       
       ## Kanzler machte jetzt offenbar kurzen Prozess
       
       Dass Bundeskanzler und Parteifreund Sebastian Kurz den Rücktritt
       unverzüglich annahm, lässt ahnen, dass er ihn angeordnet hat. Kurz und die
       37-jährige Steirerin kennen sich seit fast zwei Jahrzehnten aus gemeinsamen
       Zeiten in der ÖVP-Schülerunion. Er muss sich die Frage gefallen lassen, ob
       ihm bedingungslose Loyalität wichtiger ist als Fachkompetenz.
       
       Die FH Wiener Neustadt will jetzt die Diplomarbeit überprüfen. Für Stefan
       Weber ist die Aberkennung des akademischen Grades zwingend. Dann wäre auch
       der PhD aus Bratislava weg.
       
       10 Jan 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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