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       # taz.de -- Bürgerkrieg in Äthiopien: Tigray kommt nicht zur Ruhe
       
       > Wichtige Führer der einstigen Tigray-Guerilla TPLF sind nach äthiopischen
       > Angaben in Haft oder tot. Die Kontroverse um Eritreas Eingriff eskaliert.
       
   IMG Bild: Frauen, die vor dem Konflikt in der äthiopischen Region Tigray nach Sudan geflohen sind
       
       Nairobi taz | Wenn es stimmt, was Äthiopiens Armee Ende vergangener Woche
       gemeldet hat, ist es ein entscheidender Erfolg im andauernden Krieg
       zwischen Zentralregierung und der regionalen Partei TPLF
       (Tigray-Volksbefreiungsfront) um die Kontrolle der Nordregion Tigray. Vier
       hohe TPLF-Führer sollen getötet und neun verhaftet worden sein.
       
       Tot, nach Angaben der Armee, sind TPLF-Sprecher Sekoture Getachew sowie
       Zeray Asgedom, der ehemalige TPLF-Finanzchef Daniel Assefa sowie der
       ehemalige Chef der äthiopischen Rundfunkbehörden (EBA), Zeray Asgedom, und
       der Journalist Abebe Asgedom.
       
       Zu den Verhafteten gehören Sebhat Nega, der zusammen mit dem ehemaligen
       äthiopschen Premierminister Meles Zenawi 1975 [1][die TPLF als
       Guerillaorganisation] gegründet hatte. Unabhängige Bestätigungen gibt es
       nicht.
       
       Immerhin aber bestätigen diese Meldungen, dass in verschiedenen Teilen von
       Tigray noch immer gekämpft wird, obwohl Äthiopiens Regierung bereits vor
       sechs Wochen den Sieg ausgerufen hatte. Vor allem in der Umgebung der
       Regionalhauptstadt Mekelle und den Orten Shire und Sheraro gibt es
       gewaltsame Auseinandersetzungen, meldet die UNO in einem Bericht.
       
       [2][Der Konflikt in Tigray] hatte Anfang November begonnen, als
       TPLF-Einheiten eine Basis der äthiopischen Armee in der Region besetzten
       und Äthiopiens Premier Abiy Ahmed Luft- und Bodenangriffe anordnete. Die
       TPLF-Regierung wurde für abgesetzt erklärt, Äthiopiens Armee marschierte in
       Tigray ein, unterstützt von Milizen der Amhara-Region sowie mutmaßlich
       Truppen des Nachbarlandes Eritrea.
       
       Nach der [3][Einnahme von Mekelle] Ende November erklärte die Regierung den
       Sieg, aber die TPLF schwor, weiterzukämpfen, und zog sich zurück in die
       Berge. Seitdem wurden ihre Führer gejagt.
       
       ## „Eine ausländische Armee, die wir nicht wollten“
       
       Vielfach wurde auch berichtet, dass [4][die Armee des Nachbarlandes Eritrea
       an der Seite der äthiopischen Streitkräfte in Tigray] kämpft und Übergriffe
       begeht. Es gibt unbestätigte Berichte, dass eritreische Truppen in Tigray
       geplündert haben und eritreische Flüchtlinge aus Lagern in Tigray zurück
       nach Eritrea entführt haben.
       
       Zwar hat Abiy Ahmed die Präsenz Eritreas immer wieder verneint. Aber
       schließlich gab Generalmajor Belay Sayoum, Kommandeur des in Tigray
       stationierten Nordkommandos der äthiopischen Streitkräfte, das während
       eines Treffens mit Bürgern der Stadt zu.
       
       „Eine ausländische Armee, die wir nicht wollten, ist hereingekommen“, sagte
       Belay in den Bemerkungen, die am 27. Dezember fielen und am 6. Januar in
       englischer Übersetzung [5][von der Zeitung Addis Standard verbreitet]
       wurden, nachdem auch Mekelles Bürgermeister Ataklit Hailselassie die
       Anwesenheit eritreischer Soldaten bestätigt und sich dabei auf den
       Generalmajor bezogen hatte.
       
       „Wir kennen die Probleme, die aufgeworfen werden, es ist schmerzhaft, aber
       wer hat sie reingelassen?“, so der Generalmajor. „Sie waren nicht
       willkommen. Mein Gewissen erlaubt mir nicht, zu sagen: ‚Eritreische Armee,
       komm und hilf uns!‘ Wir können unsere eigenen Probleme selbst lösen.“
       
       Die von Äthiopiens Zentralregierung eingesetzte provisorische
       Regionalverwaltung von Tigray kommentierte das nicht, aber kündigte
       „Disziplinarmaßnahmen“ gegen den Bürgermeister an, da er nicht dazu befugt
       sei, sich zu solchen Dingen zu äußern.
       
       Die UNO hat jetzt von der äthiopischen Regierung ungehinderten Zugang zu
       Tigray gefordert. Nach UN-Angaben brauchen 2,3 Millionen Menschen, die
       Hälfte der Einwohner von Tigray, [6][humanitäre Hilfe].
       
       Bisher gab es für Hilfswerke nur selektiven Zugang. UN-Stellen berichten,
       dass Schulen, Krankenhäusern und Büros von Behörden geplündert worden sind.
       „Es wird befürchtet, dass die Unterbrechung der Überwachungs- und
       Kontrollaktivitäten für Covid in der Region für mehr als einen Monat und
       die massiven Bevölkerungsbewegungen und überfüllten Bedingungen in
       Vertriebenenlagern eine massive Übertragung der Pandemie möglich gemacht
       hat“, so die UNO.
       
       Mehr als 50.000 Tigrayer, vor allem Frauen, Kinder und Älteren haben die
       Grenze überquert nach Sudan. Auch da sind die Lager übervoll.
       
       ## Neuer Konflikt an der Grenze zu Sudan
       
       Dazu kommt noch, das es jetzt Spannungen gibt entlang der Grenze zwischen
       Sudan und Äthiopien. Kurz nach dem Anfang des Konfliktes in Tigray bereits
       kam es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen sudanesischen und
       äthiopischen Streitkräften an der Grenze, wobei beide Seiten die jeweils
       andere dafür verantwortlich machten. Sudans Antwort war, Truppen ganz nah
       an der 774 Kilometer langen Grenze zu stationieren.
       
       Mittelpunkt der Spannungen ist das Gebiet Fashaga, das zu Sudan gehört aber
       wo schon sehr lange äthiopische Bauern das fruchtbare Land bearbeiten und
       die Ernten nach Äthiopien transportieren. Sudan hat das immer zugelassen,
       aber jetzt hat Sudans Armee die Region besetzt und die Bauern nach
       Äthiopien zurückgeschickt, was dort für verärgerte Reaktionen sorgte.
       
       Premier Abiy scheint die TPLF für diese Spannungen verantwortlich zu
       machen. „Parteien mit versteckten Motiven versuchen, Feindseligkeit und
       Misstrauen zwischen den Völkern zu erzeugen“, sagte er.
       
       Beide Länder führen momentan Gespräche über eine Lösung der Kontroverse,
       die neben den Kämpfen in Tigray und den ungelösten Spannungen zwischen
       Sudan und Äthiopien um den Bau des Renaissance-Staudamms durch Äthiopien am
       Blauen Nil die regionale Sicherheitslage weiter verschlechtert.
       
       10 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
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   DIR [6] /Humanitaere-Lage-in-Region-Tigray/!5732128
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ilona Eveleens
       
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