# taz.de -- Die Wahrheit: Voll fett Diät
> Tagebuch einer Blini-Bäckerin: Wenn eine ganze Straße seit Weihnachten
> von nur einem Rezept lebt, dann stimmt das Versorgungskonzept!
IMG Bild: Er setzt Häuser in Brand, sie Männerherzen: Pia Frankenberg als Gina und Ian Dury als Harry
Wie zu jedem Jahresanfang empfiehlt das Internet wieder Diät-Tipps vom
Schlage „Wenn Sie diese braune Brühe einmal täglich trinken, verbrennen Sie
Ihr Fett im Schlaf!“ Nun hat das gerade noch jungfräuliche 2021 schon so
viele Schreckensmeldungen angehäuft, dass man ihm wünscht, es könne sie
auch einfach wegpennen oder wenigstens auskotzen, bevor es Stressfett
ansetzt, aber leider bin ich nicht kompetent in Sachen Horror ungeschehen
machen und beschränke mich deshalb hier darauf, mein neues
Diät-Geheimrezept weiterzugeben. Ich muss dazu ein wenig ausholen.
Kurz vor Heiligabend fiel die Entscheidung: Im kleinsten Kreis lässt sich
mal richtig prassen, also gibt’s als Amuse-Gueule köstliche Lachseier vom
Russen um die Ecke. Dazu gehören obszöne Mengen Crème fraîche und vor allem
Blinis, und ich habe einen alten Freund, der weiß, wie man die macht – ein
begnadeter Herdhäuptling und ehemaliger Musiker in diversen DDR-Bands, auf
ausgedehnten Tourneen in Russland kulinarisch geschult. Ein Anruf, und
zack! kommt das Rezept; der vorsorgliche Hinweis, die Mengen gälten für den
Restauranttagesbedarf, geht in der Vorfreude unter. Kaviar! Blinis!
Juchhu!!
Leider geht unterwegs zum Supermarkt die Einkaufsliste verloren, aber man
ist ja geistig fit und erinnert sich an irgendwas mit „ein Kilo“ und zwei
Mehlsorten. Zu Hause geht’s dann frisch ans Werk. Zutaten werden
zusammengeschüttet, die Küchenmaschine ächzt unter dem Medizinball, der in
der Schüssel poltert. Aber das Ganze wird ja sicher noch im Warmen fluffig
aufgehen.
Die halbe Stunde auf der Heizung endet enttäuschend. Ein alarmierter Blick
ins Rezept enthüllt, dass insgesamt ein Kilo Mehl verarbeitet werden soll,
da sind jetzt aber – Familienmotto: Think big! – zwei drin. Meine Oma hat
mir eingebläut, nie was wegzuschmeißen, also das Monster teilen,
Milchanteil anpassen … Fehlt allerdings immer noch die angestrebte lockere
Ausdehnung. „Versuch ma im Bad, dit is feuscht und warm“, empfiehlt der
Meisterkoch.
Die Wanne dampft, die Heizung bullert – vor der Badezimmertür mit einer
Flasche Wein gespanntes Warten aufs Christkind. Es geschieht … nichts. Mein
Teig verweigert wie Oskar Matzerath leider immer noch störrisch jedes
fluffige Wachstum. Aber wer wird jetzt aufgeben? Nach dem Hinzufügen der
noch fehlenden doppelten Mengen an Eiern und allem, was einen sonst noch
vorzeitig ins Grab bringt, kämpfen Teig und ich um die letzten Zentimeter
Platz in meiner Küche. Die nächsten Stunden bis zum Morgen verbringe ich
mit meiner Antihaftpfanne von der Größe eines Tischtennisschlägers am Herd.
Was soll ich sagen? Das Zeug schmeckt. Meine Straße lebt seit Weihnachten
von Blinis, und mit meinen neuen Tiefkühlfachbeständen überstehe ich noch
mindestens drei Lockdowns. Ach ja, der Meisterkoch hatte die Hefe
vergessen. Und der Diät-Tipp? Einseitige Ernährung. Funktioniert!
14 Jan 2021
## AUTOREN
DIR Pia Frankenberg
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