URI: 
       # taz.de -- Opposition in Russland: Die Spur führt zum FSB
       
       > Internationale Rechercheure werfen acht russischen Geheimdienstagenten
       > vor, versucht zu haben den Kremlkritiker Alexej Nawalny zu vergiften.
       
   IMG Bild: Acht russische Geheimdienstagenten sollen versucht haben Alexej Nawalny zu vergiften
       
       Moskau taz | Die zentralen Nachrichten im russischen Fernsehen hielten sich
       am Montagabend strikt an das vorgegebene Drehbuch. Kremlchef Wladimir Putin
       hatte an den steigenden Lebensmittelpreisen in den letzten Wochen Anstoß
       genommen und der Regierung den Auftrag erteilt, dagegen etwas zu
       unternehmen. Preise von Zucker und Sonnenblumenöl sollen begrenzt werden,
       auch Mehlhersteller können mit Unterstützung rechnen. Das kommt bei einem
       Großteil der russischen Verbraucher sicher gut an.
       
       Von den Enthüllungen des Recherchenetzwerks bellingcats, von The Insider,
       CNN und des Spiegels im Fall des Oppositionellen Alexej Nawalny, der im
       August in Russland vergiftet wurde und sich seitdem in Deutschland aufhält,
       erfuhren russische Fernsehzuschauer nichts. Mindestens acht Mitarbeiter des
       Geheimdienstes FSB konnten demnach identifiziert werden. Sie sollen am
       [1][Einsatz gegen Nawalny im Sommer] beteiligt gewesen sein.
       
       Die Beschattung des „Berliner Patienten“ – Putin vermeidet Nawalny beim
       Namen zu nennen – läuft schon seit Januar 2017. Insgesamt stießen die
       Rechercheure bei 30 Reisen auf 36 Übereinstimmungen, sagte Nawalny in einem
       Video auf seinem Kanal. Fast eine Stunde erzählte er von den
       Nachforschungen, die einen „Hollywood Thriller“ schmücken würden.
       
       Nawalny war im August in Sibirien nur knapp mit dem Leben davongekommen. In
       Tomsk wurde er vergiftet und nach einer Notlandung im sibirischen Omsk nach
       Intervention Berlins in die Charité ausgeflogen. Er dramatisiert sein
       Schicksal aber nicht und bleibt auf Distanz.
       
       ## Mit Witz
       
       Doch genießt er es, die sechs Agenten und ihre beiden Vorgesetzten auf dem
       Kanal Nawalny vorzuführen. Mit Witz stellt er sich der eigenen Geschichte.
       Mit Passagierlisten russischer Linienflüge beginnt die Untersuchung.
       Zunächst wird nach Männern zwischen 27 und 50 Jahren auf Routen gesucht,
       die auch Nawalny gebucht hat. Meist fliegen sie einen Tag vorher hin und
       etwas später zurück.
       
       Nach einem Überfall im April 2017 in Moskau mit einer ätzenden Flüssigkeit
       sagte Nawalny den Flug ab, seine Beschatter waren schon vorausgeeilt. Zudem
       stellte sich heraus, dass Agenten ihre Geburtsjahre um ein Jahr verändern.
       
       Manche wählen als Decknamen die Mädchennamen ihrer Ehefrauen. Zupass kam
       den Rechercheuren der Zugang zu vielen Datenbeständen, die in Russland zum
       Verkauf angeboten werden, darunter Mobilfunk- und GPS-Daten.
       
       Einer der Chefs dieser Gruppe hatte regelmäßig Kontakt zu chemischen
       Labors, die für [2][Russlands Nowitschok-Programm] vorher einmal
       verantwortlich waren. Mit dem chemischen Nervenkampfstoff sollte Nawalny
       beseitigt werden.
       
       Er war am 20. August auf einem Flug von Tomsk nach Moskau
       zusammengebrochen. Zuvor hatte er in einer Hotelbar einen Cocktail
       bestellt, diesen aber nicht ausgetrunken. Nach dem Vorfall setzte ein reger
       Telefonverkehr zwischen den FSB-Leuten und einem Agenten in Tomsk ein.
       
       Einige FSB-Mitarbeiter besuchten einen Tag später in Gorno-Altaisk das
       Institut für Probleme chemischer Technologien, das Kampfstoffe beseitigt.
       Zur Agentengruppe gehörte auch ein Nachbar Nawalnys.
       
       Sechs Millionen Zuschauer sahen Nawalnys Beitrag seit Montag. Nach der
       Attacke konnte er seine Zustimmungswerte auf 20 Prozent erhöhen. Doch
       glaubt nur ein Drittel der Befragten an eine gezielte Vergiftung.
       
       15 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Russischer-Oppositioneller-Nawalny/!5702949
   DIR [2] /Nach-Vergiftung/!5718870
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
       ## TAGS
       
   DIR Russland
   DIR Kreml
   DIR FSB
   DIR Alexei Nawalny
   DIR Russland
   DIR Wladimir Putin
   DIR Alexei Nawalny
   DIR Russland
   DIR Wladimir Putin
   DIR US-Sanktionen
   DIR Schwerpunkt Krisenherd Belarus
   DIR Alexei Nawalny
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Nawalny in Moskau festgenommen: Mit Ansage
       
       Der Kremlkritiker wurde nach seiner Ankunft auf dem Moskauer Flughafen
       Scheremetjewo festgenommen. Heiko Maas fordert die sofortige Freilassung.
       
   DIR Russland nach Nawalny-Enthüllung: Putins carte blanche
       
       12 Millionen Besucher*innen haben das Nawalny-Video gesehen. Doch der ganz
       große Aufschrei bleibt aus. Haben sich die Russ*innen so an Putin gewöhnt?
       
   DIR Nach Giftanschlag auf Alexei Nawalny: Moskau sanktioniert Deutschland
       
       Der Kreml reagiert auf Sanktionen der EU und verhängt Einreiseverbote auch
       gegen deutsche Abgeordnete. Nawalny belegt die Beteiligung des FSB am
       Giftanschlag.
       
   DIR Russlands Präsident zum Fall Nawalny: Fahrig gegen den „Blogger“
       
       Bei seiner jährlichen Pressekonferenz äußert sich Russlands Präsident
       Wladimir Putin zur Vergiftung des Oppositionellen Nawalny. Er wiegelt ab.
       
   DIR Putins Jahrespressekonferenz: Drohungen aus Moskau
       
       Armut? War schon mal schlimmer. Corona? Wird schon. Ungemütlich wird es für
       Putin erst, als er über den Fall Nawalny spricht.
       
   DIR Sanktionspolitik der EU: Kein Shopping mehr für Folterer
       
       Mit einem neuen Mechanismus will Brüssel Personen treffen, die
       Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Vorbild ist der Magnitsky Act
       der USA.
       
   DIR EU-Außenminister für Sanktionen: Minsk und Moskau im Visier
       
       Die Europäische Union plant neue Sanktionen. Sie richten sich gegen den
       belarussischen Diktator Lukaschenko und gegen russische
       Nawalny-Tatverdächtige.
       
   DIR Nach Vergiftung: Nawalny fordert Kreml-Sanktionen
       
       Gegen Profiteure des russischen Regimes brauche es harte Maßnahmen. Alexei
       Nawalny kritisiert auch Gerhard Schröder und will den Stopp von Nord Stream
       2.
       
   DIR Kremlkritiker im Koma: Nawalny darf ausreisen
       
       Der schwer erkrankte Oppositionspolitiker soll in Deutschland medizinisch
       behandelt werden. Zuvor war seine Ausreise versagt worden.
       
   DIR Russischer Oppositioneller Nawalny: Kremlkritiker im Koma
       
       Der russische Putin-Kritiker Nawalny liegt auf der Intensivstation. Ein
       Arzt vermutet eine Vergiftung. Es wäre nicht die erste Attacke auf ihn.