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       # taz.de -- Nutzung des Bergwerks Gorleben: Endlager als Wellness-Oase?
       
       > Die CDU möchte das einstige Endlager-Bergwerk Gorleben für kommerzielle
       > Zwecke nutzen. Atomkraftgegner warnen davor, die Grube offen zu halten.
       
   IMG Bild: Anlass für Gedankenspiele: das ehemalige Erkundungsbergwerk in Gorleben
       
       Gorleben taz | Die Lichtung im Gorlebener Wald, auf der das ehemalige
       Greenpeace-Schiff „Beluga“ aufgebockt ist, liegt still im Dezembernebel.
       Die Mauer, die Jahre lang das große Bergwerk umgab, ist bis auf ein kleines
       Stück abgebaut. Ein Atommüll-Endlager in Gorleben ist vom Tisch. Oder doch
       nicht? Eines Tages könnten radioaktive oder andere giftige Abfälle doch
       noch in den Salzstock im Kreis Lüchow-Dannenberg eingelagert werden, warnen
       Atomkraftgegner.
       
       Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hatte Ende September erstmals
       eine Karte mit Gebieten veröffentlicht, die für den Bau einer Lagerstätte
       für hochradioaktiven Atommüll infrage kommen. Gorleben ist nicht darauf
       verzeichnet. Da es keine Pläne für eine Nachnutzung des Erkundungsbergwerks
       gebe, werde es dauerhaft geschlossen, hatte die BGE angekündigt. Für die
       Schließung solle ein sogenannter Abschlussbetriebsplan erstellt werden, das
       könne gut und gerne zwei Jahre dauern.
       
       Nach dem Neustart der Endlagersuche – 2013 parteiübergreifend vereinbart
       und 2017 dann tatsächlich begonnen – und um Gorleben ein wenig aus dem
       Fokus zu rücken, hatte der Bundestag beschlossen, die Erkundungsarbeiten im
       Salzstock einzustellen. Das Bergwerk ging in den sogenannten
       Offenhaltungsbetrieb über. „Der Erkundungsbereich wird außer Betrieb
       genommen und abgesperrt“, erläuterte BGE-Sprecherin Monika Hotopp damals
       der taz. Alle nicht mehr erforderlichen Maschinen und Fahrzeuge wurden nach
       oben geholt, die Schächte verschlossen, aber nicht zugeschüttet. Dies
       hatten Atomkraftgegner verlangt, sie konnten sich aber nicht durchsetzen.
       
       Jetzt bekräftigt die örtliche Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz
       Lüchow-Dannenberg ihre alte Forderung. Die Schächte und Stollen müssten mit
       dem aufgefahrenen Salz, das zu Hügeln aufgetürmt auf dem Gelände liegt,
       verfüllt werden, das Bergwerk müsse wieder zur „grünen Wiese“ werden.
       
       Anlass für die Warnungen sind Gedankenspiele örtlicher CDU-Politiker. Das
       Bergwerk mit seinen Schächten und Stollen sowie auch die überirdischen
       Gebäude sollten eine sinnvolle Nachnutzung erfahren, fordern nämlich
       Christdemokraten in der Samtgemeinde Gartow, in der auch Gorleben liegt.
       Nichts was mit Atom zu tun habe, das müsse ausgeschlossen werden, sagt zwar
       der Vorsitzende des Ortsverbandes, Matthias Hennings. Aber es gebe denkbare
       und überlegenswerte Alternativen. Chancen, die man „nicht einfach so
       wegschmeißen sollte“.
       
       45 Jahre lang hätten der Landkreis Lüchow-Dannenberg und ganz besonders die
       Samtgemeinde Gartow die Last für die Erkundung eines möglichen Endlagers
       getragen, zitiert die Elbe-Jeetzel-Zeitung aus einem Positionspapier der
       CDU – als habe nicht gerade diese Partei selbst stets erbittert für die
       Atomanlagen in Gorleben gestritten. „Stigmatisiert worden“ seien die ganze
       Region und ihre Bewohner. Und mit dem „am Ende völlig richtigen und
       nachvollziehbaren Aus“ für das Endlagerprojekt lasse man die Menschen nun
       ein weiteres Mal im Stich, sagt Matthias Hennings.
       
       Das Areal eigne sich etwa als Standort für Windräder, im Bergwerk könnte
       Energie aus Erdwärme gewonnen werden, es lasse sich dort auch Wasserstoff
       produzieren und lagern. Auch eine Nutzung als „Heilstollen“ wie im
       österreichischen Gastein sei denkbar, meint die CDU. 14.000 Gäste kämen
       dort Jahr für Jahr hin, um sich in den dortigen ehemaligen Bergwerksstollen
       zu kurieren.
       
       Für ein „gefährliches Spiel“ halte er diesbezügliche Überlegungen und
       überhaupt eine Offenhaltung des Bergwerks, sagt nun BI-Sprecher Wolfgang
       Ehmke. Es habe in der Vergangenheit bereits Planspiele gegeben, wie die
       Anlage genutzt werden könnte, sollte sich der Salzstock als ungeeignet für
       ein Endlager für den hochradioaktiven Müll erweisen. „Eine mögliche
       Giftmülldeponie war im Gespräch“, erinnert Ehmke. Auch die Einlagerung der
       Abfälle aus der havarierten Atommülldeponie Asse sei schon „als kleineres
       Übel gepriesen“ worden – kleiner im Vergleich zu dem hochradioaktiven
       Schrott, für den Gorleben jahrzehntelang im Gespräch war.
       
       In das ehemalige Salzbergwerk Asse II wurden zwischen 1967 und 1978 rund
       126.000 Fässer mit schwach und mittelradioaktiven Abfällen sowie Chemiemüll
       versenkt. Weil die Grube instabil ist und voll Wasser zu laufen droht,
       sollen die Behälter nach Möglichkeit an die Oberfläche geholt werden. Ihr
       dauerhafter Verbleib ist völlig ungeklärt. In das frühere Eisenbergwerk
       Schacht Konrad, das zurzeit von der BGE zum Bundesendlager für schwach und
       mittelradioaktiven Atommüll umgerüstet wird, können die Asse-Fässer schon
       aus Platzgründen nicht. Auch für die strahlenden Rückstände aus der
       Urananreicherungsanlage Gronau gibt es bislang kein Endlager. „Das
       Standortauswahlgesetz ist nicht in Stein gemeißelt“, sagt Wolfgang Ehmke.
       „Der Bundestag kann es entsprechend modifizieren. Deshalb wollen wir kein
       Türchen offen lassen.“
       
       30 Dec 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reimar Paul
       
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