# taz.de -- Asylrecht in Europäischer Union verletzt: Ungarn erneut vom EuGH verurteilt
> Der Europäische Gerichtshof beanstandet das massiv verschärfte ungarische
> Asylrecht. Das Land wich in zentralen Punkten von EU-Vorgaben ab.
IMG Bild: Aufnahmezentrum für Flüchtlinge nahe Vámosszabadi in Ungarn
Freiburg taz | Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Ungarn [1][erneut
wegen Verletzung des EU-Asylrechts] verurteilt. Geklagt hatte die
EU-Kommission in Brüssel.
2015 verschärfte Ungarn unter dem Eindruck der massiv steigenden
Zuwanderung von Flüchtlingen sein Asylrecht. Das Land wich dabei in
zentralen Punkten von den Vorgaben des EU-Asylrechts ab. Die EU-Kommission
eröffnete deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, das mit
dem jetzigen EuGH-Urteil zum Abschluss kommt.
So stellte der EuGH fest, dass Ungarn schon das grundlegende Recht
verletzte, dass Flüchtlinge an der Grenze einen Asylantrag stellen können.
In Ungarn konnten Asylanträge [2][nur noch in zwei Transitzonen] im
Grenzbereich zu Serbien gestellt werden, wobei pro Tag nur wenige Personen
in die Zonen eingelassen wurden. Außerdem wurden die [3][Asylantragsteller
unzulässig „inhaftiert“], weil sie die Transitzonen während des gesamten
Verfahrens nicht verlassen durften.
Auch bei Abschiebungen verstieß Ungarn gegen EU-Recht. Der Staat versuchte
die Verfahrensgarantien dadurch zu umgehen, dass er Personen, die das Land
verlassen sollten, nicht ins Ausland brachte, sondern auf einen Streifen
hinter dem ungarischen Grenzzaun, der zwar zu Ungarn gehörte, aber freien
Weg nur nach Serbien beließ. Der EuGH setzte dies mit einer Abschiebung
gleich.
## Weiteres Verfahren eingeleitet
Ungarn argumentierte, das EU-Recht erlaube Abweichungen, um die öffentliche
Ordnung aufrechtzuerhalten und die öffentliche Sicherheit zu schützen. Der
EuGH will den entsprechenden Artikel 72 des EU-Arbeitsvertrags (AEUV)
jedoch eng auslegen und sah hier die Voraussetzungen nicht erfüllt.
Bereits im Mai 2020 hatte der EuGH das ungarische Asylrecht für
EU-rechtswidrig erklärt. [4][Damals ging es um die Anfrage eines
ungarischen Gerichts.] Insoweit kommt die Entscheidung im jetzigen
Vertragsverletzungsverfahren nicht überraschend.
Ungarn hat inzwischen die beiden Transitzonen geschlossen und verlangt nun,
dass Absichtserklärungen auf Stellung eines Asylantrags bei den ungarischen
Botschaften in Belgrad (Serbien) oder Kiew (Ukraine) eingereicht werden.
Ungarn erlaubt dann einzelnen Flüchtlingen die Einreise nach Ungarn, um
tatsächlich einen Asylantrag stellen zu können. Auch gegen dieses neue
Verfahren hat die EU-Kommission in Brüssel im Oktober dieses Jahres ein
Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Az.: C-808/18
17 Dec 2020
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## AUTOREN
DIR Christian Rath
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