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       # taz.de -- US-Senat verabschiedet Konjunkturpaket: Minimalistisches Flickwerk
       
       > Nach monatelanger Blockade haben sich Republikaner und Demokraten auf ein
       > weiteres Corona-Hilfspaket geeinigt. Zuvor wurde es erheblich ausgedünnt.
       
   IMG Bild: Essensausgabe an Bedürftige im besonders stark betroffenen Stadtteil Lincoln Heights in Los Angeles
       
       New York taz | Nach fast neun Monaten [1][Blockade] haben sich die beiden
       Parteien im US-Senat am Sonntagabend zu einem zweiten Hilfspaket der
       Bundesregierung an die Corona-Opfer durchgerungen. Mit einem Umfang von nur
       900 Milliarden Dollar ist es eine Billig-Variante des [2][ersten
       Konjunkturpakets] vom März, das 2,3 Billionen Dollar stark war. Unter
       anderem sollen die mehr als 20 Millionen Arbeitslosen für weitere elf
       Wochen eine – reduzierte – staatliche Beihilfe zur Arbeitslosenhilfe
       bekommen.
       
       Auch soll das landesweite Verbot von Wohnungsräumungen um einen Monat bis
       zum 31. Januar verlängert werden. Dazu soll es punktuelle Geldspritzen für
       Corona-Impfungen sowie Schulen geben und sollen Menschen mit mittleren und
       niedrigen Einkommen – wegen des hartnäckige Drängens von Bernie Sanders –
       einen zweiten Konjunkturscheck bekommen.
       
       „Hilfe ist unterwegs“, pries am Sonntagabend der Chef des Senats, der
       Republikaner Mitch McConnel,l das Paket. Er hatte ein bereits im Mai von
       der Mehrheit im Repräsentantenhaus verabschiedetes, vielfach besser
       ausgestattetes Hilfspaket monatelang im Senat blockiert.
       
       Die Billigvariante, der er jetzt zustimmte, halbiert viele staatliche
       Hilfsleistungen. Die Beihilfe zum Arbeitslosengeld soll nur noch 300 Dollar
       pro Woche statt bislang 600 betragen. Der einmalige Konjunkturscheck
       umfasst nur noch 600 Dollar, nachdem der im Frühling ausgezahlte erste, den
       Präsident Donald Trump als Wahlkampfargument für sich benutzt hatte,
       doppelt so hoch war.
       
       ## „Viel weniger, als wir brauchen“
       
       Bevor die Republikaner*innen dem Paket am Sonntag zustimmten, dünnten sie
       es bis zur Unkenntlichkeit aus. So lehnten sie es ab, die Bundesstaaten und
       die Kommunen finanziell zu unterstützen. Die langanhaltenden Steuerausfälle
       haben schon jetzt vielerorts zu Schließungen von Bibliotheken und
       Kulturzentren sowie zu Entlassungen in Krankenhäusern und im öffentlichen
       Dienst geführt.
       
       Die Republikaner*innen sorgten auch dafür, dass Unternehmen vor Klagen von
       Corona-Opfern geschützt sind – zum Beispiel von Beschäftigten, die sich
       wegen mangelnder Schutzvorkehrungen mit Corona infiziert haben. In einer
       anderen freundlichen Geste an ihre unternehmerische Klientel sorgten die
       Republikaner*innen dafür, dass Dienstessen in dem Paket steuerbegünstigt
       werden.
       
       „Hilfe für wen?“, fragte die Linke Rashida Tlaib bitter. Die Abgeordnete
       der Demokratischen Partei im Repräsentantenhaus fügte hinzu: „Wie sollen
       Millionen von Zwangsräumung bedrohte Arbeitslose, die an Suppenküchen für
       Essen anstehen, von 600 Dollar leben?“
       
       Sie ist eine von vielen Demokrat*innen, die keinen Hehl aus ihrer
       Enttäuschung machen. Aus Missouri kommentierte die erst im November
       gewählte neue Abgeordnete Cori Bush kurz und bitter: „600 ist nicht genug.“
       Aus Kalifornien beschrieb der Abgeordnete Ro Khanna den Kompromiss als
       „viel weniger, als wir brauchen“.
       
       ## Anstieg von Armut und Arbeitslosigkeit
       
       Nachdem das erste Konjunkturpaket vom März den ersten ökonomischen Schock
       der Pandemie abgefedert hatte, ist die Armut in den USA mit dem Ausbleiben
       neuer Hilfen seit Juni kontinuierlich gestiegen. Nach den Zahlen der
       Bundesregierung sind in den letzten sechs Monaten zusätzliche 8 Millionen
       Menschen unter die Grenze von 26.000 Dollar für eine vierköpfige Familie
       gefallen. Damit sind nach offiziellen Zahlen mehr als 12 Prozent der
       Bevölkerung arm. Fachleute schätzen, dass die tatsächliche Armutsziffer bei
       über 20 Prozent liegt.
       
       In den letzten Wochen hat sich auch die Zunahmen der Arbeitslosigkeit
       wieder beschleunigt. Allein in der zurückliegenden Woche meldeten sich
       weitere 0,8 Millionen neue Arbeitslose bei den Arbeitsämtern. Angesichts
       der rasanten Ausbreitung des Virus im Land wird dieser Anstieg weitergehen.
       
       Die USA sind das weltweit zahlenmäßig am stärksten von Corona betroffene
       Land. Bislang sind mehr als 316.000 Menschen in den USA an dem Virus
       gestorben, knapp 18 Millionen Menschen haben sich nachgewiesenermaßen
       infiziert. Dieser Dezember Monat ist der bislang tödlichste der Pandemie.
       Täglich sterben mehr als 3.000 Menschen an dem Virus.
       
       Drei Wochen nach den [3][Thanksgiving-][4][Feiern] sind die
       Intensivstationen vieler Krankenhäuser überfüllt. Diese Weihnachtswoche, in
       der trotz der Mahnungen von Gesundheitsexpert*innen und Politiker*innen
       wieder Millionen Menschen unterwegs sind, wird voraussichtlich ein
       neuerliches „Super-Spreader-Ereignis“ werden.
       
       Angesichts der Verarmung von Millionen und der grassierenden Krise, aber
       auch weil die allerletzten Leistungen aus dem ersten Hilfspaket am 31.
       Dezember auslaufen, sahen die Demokrat*innen keine andere Möglichkeit, als
       dem Billig-Hilfspaket zuzustimmen.
       
       ## Schon bald braucht es neue Hilfen
       
       Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, und Chuck Schumer,
       der Chef der Fraktion der Demokrat.innen im Senat, priesen am Sonntag die
       Zugeständnisse, die sie den Republikaner*innen abgerungen haben – darunter
       Nahrungsmittelhilfen und Mietbeihilfen.
       
       Bevor das Hilfspaket in Kraft tritt, stehen ihm noch drei Hürden in
       Washington bevor. Beide Kammern des Kongress müssen zustimmen und Präsident
       Trump muss unterschreiben. Selbst wenn das in dieser Woche klappt, bleibt
       das Paket ein minimalistisches Flickwerk. Die Hilfsmaßnahmen sind zeitlich
       so begrenzt, dass Joe Biden, der am 20. Januar in Weiße Haus einzieht,
       unmittelbar danach neue Hilfsmaßnahmen ergreifen muss.
       
       21 Dec 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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