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       # taz.de -- Sportlicher Ausblick für 2021: Die Löwin der Mannschaft
       
       > Mit Himbeerturnschuhen, Bayern München im freien Fall, Greta Thunberg bei
       > Olympia, Panter ohne Pucks und Inka Grings als Fußball-Bundestrainerin.
       
   IMG Bild: Klare Ansagen: Bundestrainerin und Löw-Nachfolgerin Inka Grings wirkt auf Leroy Sané befreiend
       
       London, 1. Januar Die umstrittenen Corona-Schutzregeln bei der Darts-WM im
       Alexandra Palace bewähren sich, so die Veranstalter. Das tausendköpfige
       Alkoholpublikum werde jetzt „täglich verantwortungsbewusst ausgetauscht“.
       Einzelne seien sogar „nachweislich ohne Infektion wieder rausgekommen“.
       
       Stockholm, 3. Januar Greta Thunberg feiert, leider nicht an einem Freitag,
       ihren 18. Geburtstag. Bei der kleinen öffentlichen Familienfeier „Sundays
       for Sports Future“ kündigt sie einen neuen Versuch als Olympia-Teilnehmerin
       an. „How dare I!? Wie kann ich es wagen!? Mit Mut.“
       
       Bischofshofen, 6. Januar In der restlos ausverkauften Skisprungarena (null
       ZuschauerInnen) schweben die handelsüblichen Federgewichte wie Aerosole zu
       Tal. Eines gewinnt. „Das Vierschanzenevent“, sagt Tournee-Präsident Johann
       Pichlersteiner-Langmuth, „hat auch in schweren Zeiten seine
       schneeflockenhafte Leichtigkeit unter Beweis gestellt.“
       
       Krefeld, 9. Januar Eishockey I: Kaum hat [1][die Saison der 14
       Finanzhasardeure] verspätet begonnen, sorgen die Krefeld Pinguine für die
       ersten Kapriolen. Seit Monaten ist der hochverschuldete Klub mit dubiosem
       Geldgeber aus der Schweiz sowohl in launigen Schlagzeilen („EC Hollywood“)
       als auch im Rückstand bei Lohnzahlungen. Jetzt sollen die Cracks „als
       fairen Interessenausgleich“ 60 Prozent Gehaltsverzicht „vorab
       zurückzahlen“. Dann werde es „das volle Geld geben, und vielleicht schon
       absehbar bald“. Das Team tritt in den Streik.
       
       Augsburg, 10. Januar Eishockey II: Bei den Kufen-Pantern muss das Match
       gegen Mannheim am Abend abgebrochen werden, weil der letzte spielfähige
       Puck nicht mehr aufzutreiben war: „Die Dinger sind teuer. Wir können uns
       keine Reserven leisten.“ Spendenaktionen laufen an. Die Saison wird
       ausgesetzt.
       
       Frankfurt, 16. Januar Endlich, Schalke knackt die Bestmarke: 32. Am Tag
       danach begeht Gelsenkirchen das Jahrgedächtnis für den letzten
       Bundesligasieg am 17. 1. 20 – Ältere erinnern sich. Jetzt soll – „Wir geben
       nicht auf“ – statt des Trainertalents Huub Stevens der 58er Meistertrainer
       Edi Frühwirth das Training virtuell leiten, atmosphärische Assistenten
       werden Max Merkel (Kondition) und Kosmopolit Rudi Gutendorf (internationale
       Beziehungen).
       
       Berlin, 4. März Union Berlin verpflichtet im Kampf um die Champions League
       Christoph Biermann als Erfolgsmaskott. [2][Der Autor des Buches „Wir werden
       ewig leben“], für das er die Elf während der Saison 2019/20 als
       beobachtendes Teammitglied begleiten durfte, müsse unbedingt wiederkommen:
       „Wir brauchen ihn in den himbeerfarbenen Turnschuhen und seine
       Gesangseinlagen der Tote Hosen Lieder für den eiskalten Durchmarsch“, sagt
       Kapitän Christopher Trimmel. „Wir sind total von ihm überzogen“,
       schwytzerdütscht Trainer Urs Fischer.
       
       München, 3. April Vierfachchampion FC Allesabräumen feiert nach
       Weihnachts-, Faschings- und Frühjahrsanfangs- auch die Ostermeisterschaft.
       „Damit ist das Octuple voll“, heißt es auf der Hoamseitn.
       
       Augusta, 8. April Endlich wieder das Azaleen-Masters der Golfprofis an der
       frühjahrsfrischen Magnolia Lane – weiter ohne Publikum, bis auf einen
       offenbar geistig verwirrten, gelbhaarigen Rentner, der sich auf das Gelände
       schleicht. Nach empörten Ausrufen („Ich bin der Präsident der Vereinigten
       Staaten“) wird er im Bezirksgefängnis zwischengelagert. Seine Freunde
       protestieren: „Yellow Lifes Matter“.
       
       Augusta, 11. April Dustin Johnson gewinnt erneut. [3][Damit darf er sich
       als Titelverteidiger] das neue grüne Sieger-Jackett reichen, höflich
       dankend annehmen und eigenhändig anziehen. Es gelingt geschmeidig im ersten
       Versuch. „Um ehrlich zu sein“, gesteht er, „ich habe das zu Hause vor dem
       Spiegel schon geübt.“
       
       München, 30. April Der FC Bayern holt tatenlos zum 9. Mal (oder doch schon
       17.? Egal) in Folge den deutschen Fußballtitel. Dass es diesmal erst am
       drittletzten Spieltag gelingt, zumal ohne eigenes Zutun durch die
       freitägliche Niederlage des Verfolgers Borussia Leipzig (oder doch Bayer 05
       Dortmund? Egal), wurmt die Unersättlichen. „Ich sehe uns im freien Fall“,
       mahnt Vorstandshumorist Rummenigge, der erstmals seit Pandemiebeginn seinen
       Atemschutzschutz meisterlich über die Nase zu ziehen vermag, „wenn das so
       weitergeht, wird es schon in ein paar Jahren knapp mit der Meisterschaft.“
       
       Köln, 22. Mai Das Kölsch welkt, kein halber Hahn kräht mehr, die Höhner
       requiemen „Mer ließe dr Dom in Kölle“. Ließe statt losse, also ließen: Nach
       dem Abstieg des FC durch ein 0:1 gegen Erstmalsgewinner und Mitabsteiger
       Schalke war am Abend auch der zweite Turm des Gotteshauses vor Scham in den
       Rhein gestürzt. „Erst kein Karneval und jetzt noch das“, sagt OBin
       Henriette Reker. „Nun müssen wir unseren Vater Fluss langfristig stauen, um
       die historischen Kirchenschätze zu bergen. Wo soll das noch hinführen mit
       der schönsten Stadt der Welt?“
       
       Düsseldorf, 24. Mai Flussabwärts gibt es die Antwort: in den Ruin. Die
       Landeshauptstadt setzt Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe auf wegen
       heimtückischen Wasserraubes. [4][Die Serie „taz folgt dem Wasser“] kündigt
       Expeditionen in die Krisenregion und tägliche Doppelseiten an.
       
       Paris, 5. Juni Das deutsche Tennis-Doppel Kevin Kramies und Andreas Wirtz
       gewinnt erneut die French Open und beherrscht wieder die Schlagzeilen der
       Kurzmeldungen. Kramies twittert: „Als unbekannteste Erfolgssportler des
       Landes in einer Kerndisziplin“ freue man sich über den Ehrentitel
       „Tarnkappenträger der Leibesübungen“.
       
       München, 15. Juni Start der Fußball-EM: [5][Bundestrainerin Inka Grings
       nimmt ihre Männer in Schutz]: „Ein Nullnull gegen Frankreich ist sehr
       achtbar.“ Und fast hätte Leroy Sané „ja noch den Siegtreffer erzielt“.
       Grings schafft es als erste Person in diesem Amt, Sané nicht zur Sahne zu
       machen. „Und der Le Roi hat wie befreit gespielt.“ Vorgänger Löw war nach
       einem 0:6 gegen Spanien im Testspiele-Cup („Nations League“) und dem 0:1
       gegen Armenien in der WM-Quali im März („ein gefühltes 0:7“) zurückgetreten
       worden.
       
       München, 19. Juni. Selbst gegen Portugal bleibt „Die Mannschaft mit der
       Frau“ (Kicker) ungeschlagen – 2:2. Teammeteorologe Oliver Bierhoff („der
       Plöger des Rasens“) sieht „wolkenlosen Sonnenschein aufziehen“ und nennt
       seine Cocheuse Grings „die Löwin der Mannschaft“. Ungarn vier Tage später
       ist dann aber doch zu stark: Abschied vom Turnier, Reisekosten gespart. Den
       Titel holt erwartungsgemäß Belgien.
       
       Tokio, 23. Juli „Sse geems aa opn“: Mit angeblichem Englisch des
       Ringeherrschers Thomas Bach beginnen die Olympischen Spiele. Der übliche
       prasselnde Beifall bleibt aus, einerseits aus Verständnismängeln,
       andererseits weil eh niemand im Stadion ist. Alle Aktiven müssen geimpft
       sein. „Endlich können wir spritzen, was die Nadel hergibt“, heißt es in
       einem internen Memorandum des asarbeid-tschikistanischen
       Gewichtheberverbandes.
       
       Tokio, 8. August Am Ende der Spiele läuft eine Rekordzahl an positiven
       Dopingtests auf. Und ebenso viele Einsprüche. Sie werden mit verunreinigten
       Covidspritzen begründet oder mit „überraschenden Nebenwirkungen der
       geheimen Inhaltsstoffe“. Die Eingaben sind ohne Ausnahme erfolgreich: Die
       wissenschaftliche Datenlage sei zu unerforscht, sagen IOC-Mediziner mit
       routiniertem Schulterzucken.
       
       Enoshima, 10. August Auch der zweite Versuch einer Olympiateilnahme von
       Greta Thunberg scheitert. Seit Mai war sie per Segelboot unterwegs, „am
       Ende hatten wir nur Gegenwind“, und so kommt das Schiff zu spät im
       Jachthafen von Enoshima an. Folglich bleibt die neue Disziplin Mitsegeln
       ohne Wertung, weil die engagierte Passivathletin einzige Starterin in der
       Bootsklasse Nullhandsegeln gewesen wäre. Schon im Vorjahr hatten Thunberg
       und ihr dgeutscher Skipper Boris Herrmann nach der Olympiaabsage am Kap der
       Guten Hoffnung beidrehen müssen. Den kürzeren Törn nach Japan über das
       eisfreie Eismeer der Arktis hatte die Schwedin „aus klimapolitischen
       Gründen“ abgelehnt. Das wäre ja „fast wie fliegen“.
       
       Enoshima, 11. August Unerwartet verleiht das IOC Thunberg das erste
       Olympiagold honoris causa. „Schließlich hat heute der große deutsche
       Vorzeigeathlet Turnvater Jahn Geburtstag“, weiß der Sporthistoriker Bach.
       Ungerührt von seinen Lobeshymnen („So eine tolle Persönlichkeit, und kaum
       kleiner als ich“) kündigt die Geehrte an, sie werde die Medaille
       einschmelzen, um die Klimabewegung finanziell zu unterstützen. Dann segelt
       sie zurück.
       
       TVtanien, 20. November Allmählich werden die Folgen der weitgehend
       überstandenen Pandemie sichtbar: ARD und ZDF übertragen mehr denn je
       Wintersport, wochenendenweise live und rund um die Uhr. „Wir müssen noch
       einiges aus dem Vorjahr nachholen“, erläutert eine Sendersprecherin die
       Foltermethoden.
       
       Zürich, 31. Dezember Der „Zürcher Silvesterlauf“, erster großer Volkslauf
       ohne AHA-Regeln, gerät fast zum Fiasko: Beim Start drängeln Tausende
       TeilnehmerInnen andere hektisch zur Seite, viele stolpern beim Start, es
       gibt sogar zwei Massenstürze. Organisator Ruedi Keuchner liefert zur
       Geisterstunde erste Erklärungen: „Die Mentsche paniken in Gruppen, durch
       die Isolation fehlt die Gwonheit von Nebenleuten, jeder Nachbar erscheint
       als Gfar. Wir müsse gmeinschaftliches Laufe alle erst wieder lerne. Proscht
       Nuwjar!“
       
       1 Jan 2021
       
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