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       # taz.de -- „Tatort“ aus Stuttgart: Aura futsch
       
       > In einem Wohnprojekt hat es einen Mord gegeben. Wenn am Ende auch
       > Salbeiräuchern nicht mehr hilft, müssen halt doch die Ermittler ran.
       
   IMG Bild: Erst wurde Stefan (l.) aus dem Wohnprojekt geschmissen, jetzt soll er auch noch der Mörder sein
       
       Der neue [1][Stuttgart-„Tatort“] funktioniert wie eine „[2][Polizeiruf
       110-“Folge,] und das ist als Kompliment zu verstehen. Steht die Krimireihe,
       die ihren [3][Ursprung in fernen DDR-Tagen hat], doch dafür, sich eher mit
       dem sozialen Umfeld, in dem eine Straftat geschieht – und die gar nicht
       spektakulär sein muss –, auseinanderzusetzen. Und so kommt der
       Sonntagskrimi „Das ist unser Haus“ (so hieß mal ein Lied der Band Ton
       Steine Scherben) als Milieustudie daher. Es wird geschwäbelt auf Teufel
       komm raus. Das ist schön, Mundart wurde dem Tatort ja über die Jahre
       abtrainiert.
       
       Wir befinden uns im Kosmos einer Baugemeinschaft, die den Namen „Oase
       Ostfildern“ trägt. Natürlich ist das alles andere als das – es ist, man
       ahnt es bald, die reinste Hölle. Alle sind miteinander befreundet (haha).
       Alle sind nach den aufreibenden Jahren mit Vereinsgründung, Baugeschehen
       und immer wieder Gruppensitzungen mit nervtötenden Diskussionen und
       Abstimmungen am Ende. Und alle sind happy, weil sie jetzt endlich in ihrem
       Haus wohnen. Eine der Häuslebauer*innen wird übrigens von der grandiosen
       Christiane Rösinger gespielt.
       
       Doch dann ist das Fundament undicht, Wasser dringt ein, da muss man also
       noch mal ran. Dabei findet die Baufirma eine Leiche, arg verwest, sie hat
       dort rund ein Jahr gelegen. Hätte man nicht auf „Ökopampe“ bestanden,
       sondern auf Chemie gesetzt, fasst es ein Bauarbeiter zusammen: die Leiche
       wäre nie ans Tageslicht gekommen.
       
       Und schon dreht sich das Karussell. Schnell ist klar, dass der Täter oder
       die Täterin aus dem Haus stammen muss. Da hilft auch Salbeiräuchern nichts,
       die Aura des Hauses ist futsch: Denn bei der Toten handelte es sich um eine
       Anwärterin für eine der Wohnungen. Oder doch nicht?
       
       Es geht lange hin und her (und hoch her), gängige Volten werden geschlagen,
       es gibt einen Haufen Verdächtiger, hinzu kommen Klatsch und Tratsch,
       schwelende Konflikte, und dann immer mal eine neue Spur. Bootz (Felix
       Klare) befragt die Nachbarn, Lannert (Richy Müller) die Angehörigen
       vermisster Frauen – das sind klasse Milieustudien en miniature, herrlich
       anzuschauen. Ein „Tatort“, der richtig Spaß macht.
       
       Ach ja, Christiane Rösinger ist ja auch bekannt als Berliner Sängerin
       wunderbarer Songs. In ihrem Hit „Eigentumswohnung“, 2017 auf ihrem Album
       „Lieder ohne Leiden“ erschienen, singt sie: „Von den Eltern zur Belohnung /
       und zur eigenen Nervenschonung / und zur ständigen Naherholung / kriegen
       wir jetzt eine Eigentumswohnung.“ Von wegen Baugenossenschaft!
       
       17 Jan 2021
       
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