# taz.de -- Umstrittene Exporte aus Lingen: Atomtransporte ausgesetzt
> Framatome bestreitet, dass die Brennelement-Exporte in die Schweiz
> illegal waren. Das zuständige Bundesamt widerspricht der
> Konzerndarstellung.
IMG Bild: Mit Uran angereicherte Brennstäbe in der niedersächsischen Brennelementefabrik in Lingen 2016
Berlin taz | In Bezug auf den [1][Export von Brennelementen aus der Fabrik
im niedersächsischen Lingen ins Schweizer Atomkraftwerk Leibstadt trotz
eines laufenden Widerspruchsverfahrens] hat das betroffene Unternehmen den
Vorwurf zurückgewiesen, illegal gehandelt zu haben. Man habe über „gültige
Ausfuhrgenehmigungen“ verfügt, und die zuständigen Behörden hätten „kein
Vollzugshindernis“ gesetzt, teilte die Advanced Nuclear Fuels GmbH, eine
Tochter des französischen Atomkonzerns Framatome, mit.
Diese Aussage steht allerdings im klaren Widerspruch zu den Angaben der
zuständigen Genehmigungsbehörde, des Bundesamts für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle (BAFA). Das Unternehmen sei am 16. Dezember schriftlich
informiert worden, dass der Widerspruch des BUND „nicht offensichtlich
unzulässig“ sei, stellte das BAFA auf taz-Anfrage klar. „Und das bedeutet
damit, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat“, schreibt die
Behörde. Auch das für das Widerspruchsverfahren zuständige
Verwaltungsgericht Frankfurt hatte zuvor erklärt, dass von einer
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs auszugehen sei.
Stattgefunden haben die fraglichen Transporte am 14. und am 28. Dezember.
Zumindest der zweite wäre demnach nach dem Schreiben des BAFA durchgefürhrt
worden – und wäre damit unzulässig gewesen. Der BUND hat daraufhin
Strafanzeige wegen ungenehmigten Exports von Atombrennstoffen gestellt.
Diese werde derzeit geprüft, erklärte die Staatsanwaltschaft Erlangen; dort
hat Framatome Deutschland seinen Hauptsitz. Das BAFA hatte ebenfalls
strafrechtliche Schritte angekündigt.
Und auch das Unternehmen selbst scheint von der eigenen Argumentation nicht
wirklich überzeugt zu sein. Hatte Framatome in einer ersten Stellungnahme
noch erklärt, ein Widerspruch habe „keinen Einfluss auf die Wirksamkeit
einer Genehmigung“, äußerte sich der Atomkonzern in einer späteren
Mitteilung deutlich zurückhaltender: „Um einer weiteren Eskalation
entgegenzuwirken, hat die Framatome GmbH entschieden, bis zu einer
gerichtlichen Klärung von weiteren Lieferungen an das Kernkraftwerk
Leibstadt abzusehen“, heißt es nun.
Damit haben die Atomkraftgegner*innen ein Zwischenziel ihres
Widerspruchsverfahrens erreicht. Sie sehen in der Belieferung alter
ausländischer AKWs nahe der deutschen Grenze eine große Gefahr, die ihr
Recht auf Leben, Gesundheit und Eigentum bedrohe. Ein erster Widerspruch
von Privatpersonen gegen Exporte ins niederländische AKW Doel war vor allem
deshalb [2][gescheitert], weil Einzelpersonen sich nach Auffassung des
Gerichts nicht auf das Atomgesetz berufen können, um ihr Schutzinteresse
durchzusetzen. Diese Entscheidung ist aber nicht direkt auf das
Leibstadt-Verfahren übertragbar, weil dort ein klageberechtigter
Umweltverband Widerspruch eingelegt hat.
Auch die Große Koalition aus Union und SPD hatte im Koalitionsvertrag
angekündigt, die Exporte von deutschen Brennelementen in gefährliche
ausländische Atomkraftwerke zu unterbinden. [3][Dieses Vorhaben ist jedoch
gescheitert].
21 Jan 2021
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## AUTOREN
DIR Malte Kreutzfeldt
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