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       # taz.de -- Letzte Amtshandlung von Mike Pompeo: Genozidvorwurf zum Abschied
       
       > Der scheidende US-Außenminister wirft Peking Völkermord an den Uiguren
       > vor. Washingtons künftiger Außenminister Antony Blinken stimmt ihm zu.
       
   IMG Bild: Uiguren-Protest im schweizerischen Bern gegen ein Handelsabkommen mit China, September 2020
       
       Berlin taz | Am seinem letzten vollen Arbeitstag als US-Außenminister hat
       Mike Pompeo am Dienstag China Völkermord und Verbrechen gegen die
       Menschlichkeit an der Bevölkerungsgruppe der Uiguren und anderen
       Minderheiten in der Provinz Xinjiang vorgeworfen. „Ich glaube, dass dieser
       Genozid andauert, und dass wir Zeugen des systematischen Versuchs des
       chinesischen Parteienstaates werden, Uiguren zu zerstören“, sagte Pompeo
       laut [1][US-Außenministerium]. Pekings Ziel sei die Zwangsassimilation der
       dortigen Muslime und die Auslöschung ihrer Kultur.
       
       Der scheidende Minister warf China willkürliche Verhaftungen von mehr als
       einer Million Uiguren, Kasachen und Kirgisen, Zwangsarbeit,
       [2][Zwangsabtreibungen] und -sterilisationen, weit verbreitete Folter und
       die Unterdrückung der Religions-, Meinungs- und Bewegungsfreiheit von
       Muslimen in Xinjiang vor. Dies habe in großem Stil spätestens im März 2017
       begonnen.
       
       Chinas [3][Botschaft in Washington] wies den Vorwurf des Völkermordes als
       „Lüge“ zurück. Dieser sei eine „Farce, um China zu diskreditieren“. Peking
       habe in der Region erfolgreich den Terrorismus bekämpft und von 2010 bis
       2018 sei die Zahl der Uiguren von 10,17 auf 12,72 Millionen gestiegen. Eine
       andere Reaktion aus China ist der Verweis auf 400.000 Coronatote in den
       USA.
       
       Der Weltkongress der Uiguren (WUC), ansässig in München, freute sich über
       Pompeos Statement: „Heute wurde nicht nur für die Uiguren Geschichte
       geschrieben, sondern für die gesamte Menschheit“, [4][erklärte
       WUC-Präsident Dolkun Isa]. Dies lasse hoffentlich auch andere Regierungen
       aktiv werden.
       
       ## Pompeos Nachfolger spricht gar von Konzentrationslagern
       
       Pompeos Statement sieht im ersten Moment danach aus, als würde er damit der
       neuen Regierung Bidens ein Ei ins Nest legen. Doch auch Joe Biden hatte im
       Wahlkampf im August erklären lassen, dass er Chinas Vorgehen in Xinjiang
       als Völkermord werte.
       
       Am Dienstag erklärte auch Bidens designierter US-Außenminister Antony
       Blinken bei seiner Senatsanhörung zur Bestätigung im Amt, dass er den
       Begriff Genozid für Chinas Vorgehen in Xinjiang passend finde. „Das wäre
       auch mein Urteil“, sagte er zu Pompeos Erklärung. „Ich glaube, wir sind uns
       sehr einig.“
       
       Die [5][Arbeitslager], in denen in Xinjiang womöglich mehr als eine Million
       Menschen ausgebeutet werden und die Peking lapidar zu Trainingszentren
       deklariert hat, nennt Blinken „Konzentrationslager“.
       
       Pompeos Abschiedsstatement ist denn auch eine Abgrenzung von Trump. Laut
       [6][New York Times] gab es in dessen Regierung Streit über den Umgang mit
       Chinas Repression in Xinjiang. So habe Trump, der Pekings Vorgehen dort
       anfänglich sogar lobte, lange auf ein Handelsabkommen mit China gehofft und
       deshalb nicht von Genozid sprechen wollen. Genau dagegen hatte sich Biden
       im Wahlkampf gewandt.
       
       ## US-Kongress forderte Untersuchung zu Genozid
       
       Am 27. Dezember forderte schließlich der Kongress die US-Regierung auf, den
       Vorwurf des Völkermordes an China innerhalb von 90 Tagen zu untersuchen.
       Bereits zuvor waren schon einige für Xinjiang Verantwortliche chinesische
       Kader und einige an der Ausbeutung von Uiguren beteiligte chinesische
       Staatsfirmen mit US-Sanktionen belegt worden. Am 13. Januar verboten die
       USA Importe von Baumwolle und Tomaten aus der chinesischen Region.
       
       Die USA haben zuletzt Genozide festgestellt in Bosnien (1993), Ruanda
       (1994), Irak (1995), Darfur (2004) und in den IS-Gebieten in Syrien und
       Irak (2016 und 2017). Das Vertreiben von mehr als einer Millionen Rohingya
       aus Myanmar hat Washington dagegen bisher nicht als Genozid gewertet.
       
       In Dezember 2020 hatte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag
       einen Antrag von Uiguren abgelehnt, den Völkermordvorwurf gegen China zu
       untersuchen, weil die Volksrepublik kein Mitglied des Gerichtshofes ist. In
       Kanada sprach ein Parlamentsausschuss im Oktober 2020 erstmals von
       Völkermord in Xinjiang.
       
       Pompeos Genozidvorwurf dürfte auch den Druck auf andere Regierungen und
       Institutionen erhöhen. So hatte die EU-Kommission kurz vor dem
       Jahreswechsel ein umstrittenes Investitionsabkommen mit Peking geschlossen.
       Das muss noch vom EU-Parlament abgesegnet werden. Die dortigen Gegner des
       Abkommens dürften sich von Pompeo Völkermordvorwurf an China ermutigt
       fühlen, auch wenn dem polternden Trump-Gehilfen nur wenige Abgeordnete
       nachtrauern dürften.
       
       Auch westlichen Firmen dürften künftig ihre umstrittenen Geschäfte in
       Xinjiang schwerer fallen. Zumindest können sie nicht mehr so einfach wie
       [7][VW-Chef Herbert Diess] behaupten, sie hätten von Arbeitslagern in
       Xinjiang noch nie gehört.
       
       20 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.state.gov/determination-of-the-secretary-of-state-on-atrocities-in-xinjiang/
   DIR [2] /Unterdrueckung-von-Uiguren-in-China/!5697513
   DIR [3] http://www.china-embassy.org/eng/zmgxss/t1847392.htm
   DIR [4] https://www.uyghurcongress.org/en/press-release-the-wuc-welcomes-the-us-genocide-designation/
   DIR [5] /Menschenrechtsverletzungen-in-China/!5735542
   DIR [6] https://www.nytimes.com/2021/01/19/us/politics/trump-china-xinjiang.html
   DIR [7] /Verfolgte-Uiguren-in-China/!5644320
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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