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       # taz.de -- Eisschnellläufer beklagen Missstände: Revolte der Gleiter
       
       > Der Führungsstil und die Umbaumaßnahmen des Eisschnelllauf-Präsidenten
       > Matthias Große erregen einmal mehr Unmut unter den Athleten.
       
   IMG Bild: Flinker Kritiker: Joel Dufter beim Weltcup 2019 in Minsk
       
       Am Freitag meldet sich Matthias Große wieder. Er spricht vom Berliner
       Müggelturm herab zu seiner Gefolgschaft. Ob der seit einigen Monaten
       amtierende Präsident der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack
       Gemeinschaft (DESG), wie der Verband jetzt heißt, in seiner Videobotschaft
       wieder den Song des Interpreten Andy Ost – [1][wie zuletzt in seiner
       Dezember-Ansprache] – einspielen wird, ist noch ungewiss.
       
       Ein Interview mit der taz, das diese Frage hätte klären können, lehnte
       Matthias Große ab. Auch schriftlich wollte der Berliner
       Immobilienunternehmer nicht auf Fragen dieser Zeitung antworten, teilte
       Großes Pressesprecher Daniel Gäsche mit. „Weil Totgesagte länger leben, ’s
       alle die, die immer nur reden, ist es unsere Natur, im Feuer stehen zu
       bleiben. Ihr schreibt uns vielleicht ab, doch wir sind die, die Geschichte
       schreiben“, trällert Schmalzrocker Ost in seinem Song „Kufenträume“, den
       Große im Sommer in Auftrag gegeben hat.
       
       Große will etliche Personalien verkünden. Seitdem Ende Dezember das
       Bundesinnenministerium Geld lockergemacht hat, sucht die DESG – in dieser
       Reihenfolge – einen Leistungssportreferenten Eisschnelllauf, einen
       Leistungssportreferenten Shorttrack, einen Bundestrainer für den Nachwuchs,
       einen Stützpunkttrainer für Berlin (Eisschnelllauf), einen
       Disziplin-Bundestrainer Eisschnelllauf für Damen und Herren, einen
       Shorttrack-Assistenztrainer und einen Bundesstützpunktleiter für Berlin.
       
       Der große Umbruch – so könnte man das Geschehen im Eislaufverband
       beschreiben. [2][Große baut und krempelt im großen Stil und nach seinen
       eigenen Vorstellungen um,] was zu Unmut, Turbulenzen und auch schon zu
       Rücktritten geführt hat. Hingeschmissen haben Bundestrainerin Jenny Wolf,
       Shorttrack-Assistenztrainer Leon Kaufmann-Ludwig, Schatzmeisterin Marina
       Wunderlich und die Berliner Bundesstützpunkt-Leiterin, Katrin
       Mattscherodt-Bunkus.
       
       ## Menschliche Verfehlungen und persönliche Rachepläne
       
       Der am 31. Dezember 2020 endende Vertrag von Sprint-Bundestrainer Danny
       Leger wurde nicht verlängert, was Legers Athleten, die schon im nächsten
       Jahr bei den Olympischen Winterspielen starten wollen, mit einem offenen
       Brief quittierten. Während sich Jenny Wolf moderat im taz-Gespräch äußert
       („Wenn Personal fehlt und ich sportfachlich gar nicht weiß, wo man steht,
       dann funktioniert es nicht“), gingen die Sprinter Jeremias Marx, Stefan
       Emele, Joel Dufter und Hendrik Dombek weiter: „Kommuniziert wird mit den
       Sportlern so gut wie gar nicht, und auch ihre Bezugstrainer können ihnen
       auf die meisten Fragen keine Antworten geben“, schrieben sie am 11. Januar.
       
       „Dass aber nun, nach über sechs Monaten der Präsidentschaft, viele Trainer
       und Mitarbeiter meist ohne Begründung entlassen, ihre Stellen aber nicht
       adäquat oder gar nicht neu besetzt wurden, zeigt, mit wie wenig
       Fingerspitzengefühl und Sachverstand die DESG arbeitet. Von den
       offensichtlich menschlichen Verfehlungen und persönlichen Racheplänen mal
       ganz abgesehen.“ Und weiter: „Die DESG präsentiert sich nach außen als fair
       und kommunikativ und sagt, dass jeder seine Meinung sagen darf und auch
       gehört wird. Trotzdem handelt sie intern genau gegensätzlich. Es wird nicht
       im Sinne der Sportler entschieden, sondern nach Eigeninteressen.
       Persönliche Differenzen und Machtbestrebungen Einzelner stehen über allem.“
       
       Jeremias Marx räumt im Gespräch mit der taz ein, dass man über den Tonfall
       des Schreibens diskutieren könne, eine Veröffentlichung von Missständen
       findet der junge Athlet aber richtig – zumal das Quartett für viele andere
       Sportler zu sprechen glaubt. „Wir haben, vielleicht ein bisschen naiv,
       angenommen, Matthias Große überdenkt seine Entscheidung und schlägt sich
       auf die Seite der Sportler“, sagt er. Danny Leger, der als Hauptfeldwebel
       nun sein Auskommen bei der Bundeswehr in Berchtesgaden sucht, sagt der taz:
       „Ich habe immer Wert darauf gelegt, dass sich meine Athleten auch
       menschlich entwickeln, nicht nur sportlich.“
       
       Nur mit einem „offenen und ehrlichen Umgang“ sei im modernen Sport noch
       Spitzenleistung möglich. Leger ist gerührt von der Initiative seiner
       ehemaligen Schützlinge, nichtsdestotrotz hat er sie davor gewarnt, sich in
       die Schusslinie zu begeben. „Diese Art und Weise wird Konsequenzen haben“,
       kündigte Große prompt im „Sportinformationsdienst“ an; das Präsidium werde
       adäquat der Satzung auf die Kritik reagieren.
       
       ## Klima der Angst
       
       Leger diagnostiziert ein Klima der Angst. [3][Ähnlich sieht es
       Athletensprecher Moritz Geisreiter,] der noch bis Juni 2022 Stachel im
       Fleisch des neuen Präsidenten sein möchte. „Kritiker stehen weit im
       Abseits, es wird knallhart ausgesiebt und Kahlschlag betrieben unter den
       Leuten, die in den Augen von Matthias Große nicht loyal sind.“ Geisreiter
       hatte von Anfang an Zweifel am ruppigen, desintegrativen Führungsstil
       Großes, wollte aber erst einmal abwarten.
       
       Doch jetzt fühlt er sich in seiner Sicht bestätigt: „Wir haben einen
       Patriarchen an der Spitze, der glaubt, er kann schalten und walten, wie er
       will. Er schwingt radikal die Keule, wenn Missstände angeprangert werden.
       Wir sind in einer Situation, die nicht mehr tragbar ist. Es ist peinlich
       und vorzeitlich, was da geschieht“, findet Geisreiter.
       
       Kritisch wird auch die Rolle der „Generalbevollmächtigten für den
       sportfachlichen Bereich“, Nadine Seidenglanz gesehen, die nicht nur ihren
       Mann Alexis Contin als Trainer in Berlin unterbrachte, sondern auch ihren
       Bruder Tony Seidenglanz in die neu gegründete Trainerkommission berief. Sie
       wird gemeinsam mit Große ihre „Kufenträume“ präsentieren. Ein Kanadier und
       ein Holländer sollen darin angeblich eine Rolle spielen.
       
       21 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://vimeo.com/492385646/aff94f51a6
   DIR [2] /Krise-im-deutschen-Eisschnelllauf/!5643438
   DIR [3] /Aktivensprecher-ueber-Eisschnelllauf-Chef/!5690928
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
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