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       # taz.de -- Vermisste Flüchtlingskinder in Berlin: Wenn Kinder verschwinden
       
       > Vermisste unbegleitete Flüchtlingskinder haben für die Polizei offenbar
       > nicht die Priorität, die sie haben sollten, legt eine Linken-Anfrage
       > nahe.
       
   IMG Bild: Mit einem Bundesprogramm wurden einige Kinder aus dem abgebrannten Lager Moria geholt
       
       Berlin taz | Eine erschreckend hohe Zahl von unbegleiteten minderjährigen
       Flüchtlingen (UMF) verschwindet aus Berliner Hilfseinrichtungen. Seit 2015
       wurden bei der Polizei 1.452 diesbezügliche Vermisstenanzeigen aufgegeben,
       davon beziehen sich drei auf unter 14-Jährige. Die meisten UMFs (1.443)
       sind zwar wieder aufgetaucht, doch 3 Kinder sowie 6 Jugendliche blieben bis
       Mitte Dezember verschwunden. Das ergibt sich aus den Antworten der
       Innenverwaltung auf eine schriftliche Anfrage der Linkspartei-Abgeordneten
       Katina Schubert und Niklas Schrader, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.
       „Die hohe Zahl hat mich erschreckt“, sagte Schrader der taz. Vor allem
       beunruhige ihn, dass offenbar nicht „alle Register gezogen werden“, um die
       Kinder zu finden. So würden die für die Kinder eingesetzten gesetzlichen
       Vormünder von der Polizei oft gar nicht zum Verschwinden ihrer Mündel
       befragt.
       
       Nora Brezger vom Flüchtlingsrat bestätigte das gegenüber der taz.
       „Vormünder werden zum Großteil nicht befragt und auch nicht informiert über
       den Fortgang der Ermittlungen.“ Mindestens fünf Vormünder hätten dies
       gegenüber dem Flüchtlingsrat geäußert.
       
       Besonders bedenklich findet Brezger den Umgang der Polizei mit dem
       Verschwinden zweier Jungen im Alter von 8 und 13 Jahren, die im vorigen Mai
       aus dem griechischen Flüchtlingslager Moria nach Berlin kamen. Damals nahm
       Deutschland fünfzig Kinder und Jugendliche auf, acht kamen nach einer
       Quarantäne-Zeit in Osnabrück nach Berlin. Wochen später verschwanden die
       beiden aus ihren jeweiligen Hilfseinrichtungen, [1][ein Reporter des RBB
       hat die Fälle umfassend recherchiert].
       
       Laut der Schriftlichen Anfrage wird der 13-Jährige seit Juli vermisst.
       Inzwischen werde „aufgrund der geführten Ermittlungen angenommen, dass eine
       Weiterreise zu Familienangehörigen erfolgt ist“. In dem RBB-Bericht wird
       die Polizei deutlicher. Ein Sprecher wird dort sinngemäß so zitiert, dass
       vor dem Hintergrund der „bewältigten Fluchtroute nach Deutschland“ nicht
       von einer Hilflosigkeit des 13-Jährigen auszugehen sei. Auch habe der Junge
       sich in seiner Hilfseinrichtung nicht an Regeln gehalten und sei offenbar
       freiwillig gegangen.
       
       ## Ist das Kind inzwischen in Belgien?
       
       Für Brezger sind solche Äußerungen empörend. Dass ein verschwundener
       13-Jähriger „nicht in einer Hilfssituation sei, würde man von einem
       deutschen Kind nie sagen.“ Auch der Fall des seit September verschwundenen
       8-Jährigen sei bedenklich: Laut der Anfrage „ergaben sich Hinweise auf
       Verwandte des Jungen im europäischen Ausland, denen aktuell nachgegangen
       wird“, laut RBB ist das gesuchte Kind inzwischen in Belgien unter
       Vormundschaft gestellt worden. Aber wie und warum er dorthin gereist ist,
       ist den Behörden bis heute nicht bekannt.
       
       Auch dieser Fall ist für Brezger ein Hinweis darauf, „dass nach
       geflüchteten Kindern nicht so intensiv gesucht wird wie nach deutschen.“
       Dass ein Verbrechen geschehen sein könnte, werde bei Flüchtlingskindern
       schnell ausgeschlossen, „man geht einfach davon aus, dass sie Verwandte
       suchen gehen.“ Aber warum so viele weg rennen, ob und warum sie kein
       Vertrauen in ihre BetreuerInnen fassen, werde offenbar nicht untersucht.
       
       Auch Schrader sagt: „Es spricht nichts dafür, dass solche Fälle die
       Priorität haben, die sie haben sollten. Unbegleitete Minderjährige
       Flüchtlinge müssen besser geschützt und betreut werden, damit sie bleiben.“
       
       7 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2021/01/unbegleitete-minderjaehrige-moria-berlin-griechenland-gefluechtete.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
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