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       # taz.de -- Zweite Kandidatenrunde zum CDU-Vorsitz: Punktsieg für Laschet
       
       > Kaum Differenzen, aber deutliche Unterschiede in der Präsentation:
       > Röttgen gibt den Modernisierer, Laschet den Regierungschef. Und Merz?
       > Bleibt blass.
       
   IMG Bild: Die drei Männer aus dem Westen: Norbert Röttgen (l.), Armin Laschet und Friedrich Merz (r.)
       
       Berlin taz | Weil die erste Diskussionsrunde ein bisschen behäbig war, hat
       sich die CDU etwas einfallen lassen. Sie hat die Sitzordnung an dem großen
       Tisch im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses geändert. Und sie hat sich ein
       Spiel ausgedacht. Also müssen Armin Laschet, Norbert Röttgen und Friedrich
       Merz, die drei Kandidaten für den Parteivorsitz, zu Beginn des Abends je
       drei Karten ziehen, auf denen Ja/Nein-Fragen stehen, und diese beantworten.
       
       Merz, das lernt man nun, ist gegen ein Recht auf Homeoffice, was nicht
       verwundert. Röttgen will den Datenschutz für eine effektivere Corona-App
       nicht reduzieren, Laschet spricht sich gegen Steuererhöhungen aus, um damit
       die Schuldenbremse einzuhalten. Auch einen Lockdown bis zum Sommer will der
       NRW-Ministerpräsident möglichst nicht. Merz lehnt mehr Staatsbeteiligungen
       ab, um deutsche Unternehmen vor ausländischen Übernahmen zu schützen.
       
       Ein „Ja“ ist rar in dieser Runde, bis Röttgen nach Abschiebungen nach
       Syrien gefragt wird. „Ich bin dafür, dass der generelle Abschiebestopp
       beendet wird“, sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im
       Bundestag. Widerspruch gibt es nicht, obwohl das rechtlich kaum machbar
       ist. Zu schön vielleicht das Signal an die CDU-Rechten.
       
       Ohnehin geht es auch in der zweiten Diskussionsrunde der drei Kandidaten,
       die auf der Website der CDU gestreamt und beim Fernsehsender Phoenix
       übertragen wird, wenig kontrovers zu. Alle drei wollen das Klima mit Hilfe
       der Marktwirtschaft retten, sich ohne Wenn und Aber hinter die Polizei
       stellen und alle drei befüworten auch, dass in der EU eine Gruppe von
       Staaten in der Außenpolitik vorangeht, um Blockaden wegen der
       Einstimmigkeit zu vermeiden.
       
       Differenzen bei der Klimapolitik 
       
       Klimaschutz, innere Sicherheit und Außenpolitik – das sind die drei
       Diskussionsthemen an diesem Abend, der den noch unentschlossenen 1001
       Delegierten des CDU-Parteitags am nächsten Wochenende helfen soll, sich für
       einen der Kandidaten zu entscheiden. Die Debatte ist sachlich und
       freundlich im Ton, Witze bleiben aus, Sticheleien sind selten. Die Fragen
       konnten CDU-Mitglieder im Vorfeld einreichen, eine Moderatorin liest sie
       vor, in seltenen Fällen fragt sie sogar nach. Die drei Kandidaten kannten
       die Fragen vorher nicht, wie die CDU mehrfach betont. Eine Frage zum
       Rechtsextremismus, laut Bundesinnenminister immerhin die größte Gefahr für
       unsere Demokratie, ist übrigens nicht dabei.
       
       Einmal, beim Klimaschutz, werden unterschiedliche Positionen dann doch
       deutlich. NRW-Ministerpräsident Laschet warnt davor, die deutsche Industrie
       durch überzogene Klimaschutzmaßnahmen zu ruinieren. Wer Stahl- oder
       Chemieindustrie im Land halten wolle, müsse für bezahlbaren Strom sorgen.
       „Wenn die Stahlindustrie abwandert nach China und da den Stahl produziert,
       ist dem Weltklima nicht gedient“, sagt Laschet. Ein Stahlwerk in Duisburg
       dagegen sei ein Beitrag zum Weltklima.
       
       Das reicht Röttgen nicht, der früher mal Bundesumweltminister war, bis die
       Kanzlerin Merkel ihn entließ. Für ihn soll Klimapolitik das Topthema sein.
       „Wenn wir in dem Denken bleiben“, sagt er an Laschet gerichtet, „werden wir
       den Klimaschutz nicht erreichen, den Klimawandel nicht stoppen, und wir
       werden die Zukunft der Industrie und der Wirtschaft aushöhlen.“ Merz
       betont, dass man beim Klimaschutz schon viel erreicht habe und lobt die
       CO2-Bepreisung.
       
       Während die inhaltlichen Differenzen der drei Männer allenfalls in Nuancen
       deutlich werden, treten die Unterschiede in der eigenen Präsentation klarer
       hervor – lässt man die einheitlich dunklen Anzüge samt hellblauen Krawatten
       mal außer acht. [1][Röttgen, der als Außenseiter gestartet ist] und in den
       Umfragen schwer aufgeholt hat, gibt sich vor allem als Modernisierer. Am
       Ende, als jeder der drei noch zwei Minuten lang ein Abschlussstatement in
       die Kamera sprechen darf, bringt er auch seine Lieblingsmessage unter, die
       nie fehlen darf: dass er die CDU weiblicher, jünger und digitaler machen
       will.
       
       Zwei spielen ihre Vorteile aus 
       
       Röttgen betont außerdem, dass er für kein Lager, sondern für die ganze
       Partei stehe. Auch die, die nicht für ihn stimmen werden, könnten sich
       deshalb hinter ihm als Vorsitzenden versammeln. Das ist ein wichtiger
       Punkt. Schließlich muss der neue Chef die zerrissene CDU möglichst
       geschlossen in das Superwahljahr führen.
       
       Laschet lässt, durchaus geschickt, fast in jeder Antwort etwas von seiner
       Regierungserfahrung einfließen und gibt sich staatsmännisch. Er habe in den
       vergangenen zehn Monaten nicht voll in den Wettbewerb geben können, sagt er
       in seinem Schlussstatement. Schließlich sei noch eine Pandemie zu
       bekämpfen. Das darf man als Spitze gegen Roettgen verstehen, der kurz zuvor
       betont hatte, dass er in den vielen, vielen Gesprächen während des
       Wettbewerbs viel gelernt habe. Und trifft Merz, der gar kein politisches
       Amt inne hat, gleich mit.
       
       Dann spielt Laschet seinen Vorteil voll aus. „Sie werden fragen, was
       bringen Sie denn mit?“, sagt er und zählt gleich auf: „Regierungserfahrung,
       Leitung eines großen Landes, Ausgleich zwischen unterschiedlichen
       Interessen und, was vielleicht auch nicht ganz schädlich ist für einen
       CDU-Vorsitzenden, auch schon mal eine Wahl gewonnen zu haben.“ Mit dieser
       Strategie dürfte Laschet einen Punktsieg erlangt haben. Schließlich stimmen
       am kommenden Samstag Delegierte über ihren Vorsitzenden ab – und das sind
       oft Parteifunktionäre und Abgeordnete, die Wahlchancen, an denen ihre Jobs
       hängen, fest im Blick haben.
       
       [2][Und Merz?] Der bleibt überraschend blass. Selbst beim Thema innere
       Sicherheit, das die Rechten in der CDU gern nutzen, um Stimmung zu machen.
       Als ein CDU-Mitglied nach der Bekämpfung der Clankriminalität fragt,
       schlägt Merz vor, Autos einzuziehen: „Wenn diese Kerle morgens zu Fuß gehen
       müssen“, das treffe sie mehr als eine Haftstrafe. Und dann lobt er noch den
       NRW-Innenminister und Grün-Schwarz in Baden-Württemberg und betont die
       Rolle der Künstlichen Intelligenz, die durch den Einsatz von Bodycams viel
       zur Aufklärung von Gewalt gegen PolizistInnen beitragen könnte.
       
       Merz, der Kandidat all jener ist, die sich einen Bruch mit dem Kurs Merkels
       wünschen [3][und in den Umfragen vorne liegt], weiß, dass er unentschiedene
       Delegierte in der Mitte der CDU gewinnen muss, um nicht ein zweites Mal mit
       seiner Kandidatur für den Parteivorsitz zu scheitern. Möglicherweise lässt
       ihn das gebremst auftreten. Für den Sauerländer ist das ein Dilemma, denn
       nach Einschätzung vieler hat genau seine laue Rede auf dem Hamburger
       Parteitag Ende 2018 dazu geführt, dass er gegen Annegret Kramp-Karrenbauer
       bei der Wahl um den CDU-Vorsitz unterlag.
       
       9 Jan 2021
       
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