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       # taz.de -- Europäische Kulturhauptstadt 2025: Alle Zweifel ausgeräumt
       
       > Nach Querschüssen aus Bayern war die Nominierung von Chemnitz als
       > Europäische Kulturhauptstadt unsicher. Die Konferenz entschied nun
       > einstimmig.
       
   IMG Bild: Von der sächsischen Provinz zur Europäischen Kulturhauptstadt: Chemnitz freut sich
       
       Es hat Zoom gemacht am Montag unter den für Kultur zuständigen
       Ministerinnen und -ministern der Bundesländer. Am Nachmittag stand dann die
       [1][Nominierung von Chemnitz als Europäische Kulturhauptstadt 2025]
       endgültig fest. Einstimmig sei die Entscheidung während des Onlinemeetings
       gefallen, teilte die Unterkonferenz der Kultusministerkonferenz mit.
       Folglich stimmte auch Bayerns Staatsminister für Wissenschaft und Kunst,
       Bernd Sibler (CSU), der offiziellen Ernennung und Meldung von Chemnitz an
       die EU zu. Im Dezember hatte er nach einem Artikel in der Süddeutschen
       Zeitung noch [2][Kritik am europäischen Vergabeverfahren] geübt. Zum
       Jahresbeginn wurde er turnusmäßig von seinem Berliner Kollegen Klaus
       Lederer als Vorsitzender der Kulturministerkonferenz abgelöst.
       
       Nach dem Juryvotum pro Chemnitz in der deutschen Endrunde von fünf
       Bewerberstädten am 28. Oktober schien diese Bestätigung durch die
       Kulturminister nur noch eine Formsache zu sein. Doch kurz vor ihrem Treffen
       in der zweiten Dezemberwoche erschien ein langes Stück des
       Investigativjournalisten und Söder-Biografen Uwe Ritzer in der SZ. Darin
       bezeichnet er die Vergabekriterien als „fragwürdig“ und fächert ein
       Netzwerk europäischer Spezialisten und Beraterinnen auf.
       
       Man hörte die Nachtigall sprichwörtlich trapsen, zumal Ritzer aus der
       unterlegenen Bewerberstadt Nürnberg kommt. Kolleg:innen, die darauf
       verwiesen, schrieb er persönlich an und dementierte den Lokalbezug. Doch
       auch die Autorenseite der Süddeutschen nennt seinen „Sitz in Nürnberg“ und
       verweist auf seine frühere Tätigkeit für die Nürnberger Nachrichten.
       
       ## Berechtigte Kritik am Verfahren?
       
       Die Kultusministerkonferenz verschob daraufhin ihre offizielle Nominierung
       von Chemnitz. Dessen Stadtsprecher Matthias Nowak meinte nach dem am Montag
       nachgeholten formalen Akt zwar, Medienveröffentlichungen seien in Chemnitz
       vor vier Wochen nicht als Störfeuer wahrgenommen worden. Denn im
       Mittelpunkt habe ihre Verfahrenskritik gestanden. Doch wer sich damals
       unter Kulturleuten bis hinein ins Rathaus umhörte, bekam die gereizte
       Stimmung sehr wohl mit.
       
       Man hatte verstanden, auch wenn bis heute niemand den Chemnitzern und
       besonders ihrem Kulturamtsleiter und Bewerbungsmanager Ferenc Csák
       irgendwelche Mauscheleien vorwerfen kann. Umgekehrt war der nicht enden
       wollende Jubel am 28. Oktober auch mit der Genugtuung zu erklären, dass
       hier endlich die vermeintlich halbproletarische ostdeutsche Provinz zum
       Zuge kam.
       
       Nun freute sich am Montagabend auch eine sichtlich erleichterte sächsische
       Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU). In der vorausgegangenen Konferenz
       seien Vorwürfe ausgeräumt worden, Chemnitz sei nunmehr „unbefleckt“
       nominiert. Maßgeblich dazu beigetragen habe in der Konferenz die eifrig
       befragte Jury-Vorsitzende Sylvia Amann.
       
       ## Transparenz und Chancengleichheit
       
       Die Kulturministerkonferenz betont allerdings auch, „dass Transparenz und
       Chancengleichheit unverzichtbare Elemente für einen fairen Wettbewerb
       darstellen“. Welche Veränderungen im Bewerbungs- und Auswahlverfahren dafür
       nötig wären, konnte die sächsische Ministerin noch nicht konkret sagen. Sie
       verwies lediglich auf das bereits geltende dreijährige Rotationsprinzip in
       der Jury und zog Parallelen zu Wechseln zwischen Politik und Wirtschaft, wo
       Karenzzeiten eingehalten werden müssen.
       
       Chemnitz kann nun ungebremst nach vorn denken. Im Entwurf des sächsischen
       Doppelhaushalts 2021/22 stehen bereits jährlich 2,5 Millionen Euro
       Landeszuschuss. Das beginnende erste Jahr sei das wichtigste, so
       Stadtsprecher Nowak. Denn in den nächsten Monaten muss der Kalender für das
       Festjahr 2025 geplant werden. Dafür soll eine Spielplan GmbH mit einem
       Intendanten oder Geschäftsführer an der Spitze gegründet werden. Ob das
       Ferenc Csák sein kann, ließ Nowak angesichts dessen Vielfachbelastung als
       Amtsleiter offen.
       
       Seine Bürger:innen muss Chemnitz nicht erst für das Kulturhauptstadtjahr
       mobilisieren, man hat von vornherein auf eine Bewerbung von unten gesetzt.
       Skeptiker:innen und Muffel konnte man auch hier hören, doch eine Mehrheit
       sieht im Titel die Chance der einst zweitreichsten deutschen
       Industriestadt, das Image des Underdogs endgültig abzuschütteln. Die
       geplanten Projekte sind ausgesprochen „basisnah“. „Stadt am Fluss“ etwa
       will Abschnitte des Flüsschens Chemnitz freilegen, ein Fotoprojekt erkundet
       das Innenleben von Garagen, es geht um Apfelbaumwiesen und den neuen
       Kreativhof „Stadtwirtschaft“. Wer aber per Schiene in die werdende
       Kulturhauptstadt fahren will, ist derzeit noch auf die Bummelbahn
       angewiesen.
       
       12 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
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   DIR Michael Bartsch
       
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