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       # taz.de -- Grüner Fraktionsvize zu Maut-Ausschuss: „Zeit, dass der Minister beichtet“
       
       > Jeder Baudezernent, der sich so etwas wie der Bundesverkehrsminister
       > geleistet hätte, wäre fristlos entlassen worden, sagt Grünen-Politiker
       > Oliver Krischer.
       
   IMG Bild: Bitte recht freundlich, Andi
       
       taz: Herr Krischer, am Donnerstag kommt CSU-[1][Verkehrsminister Andreas
       Scheuer] zum Finale in den Untersuchungsausschuss des Bundestags zur
       gescheiterten Ausländer-Pkw-Maut. Danach soll die Beweisaufnahme
       geschlossen werden. Hat sich die bisherige Ausschussarbeit gelohnt? 
       
       Oliver Krischer: In jedem Fall. Die Vorwürfe, die es im Vorfeld gegen
       Andreas Scheuer gab, haben sich alle bewahrheitet, und es sind noch etliche
       Dinge hinzugekommen.
       
       Was hat sich bewahrheitet? 
       
       Es hat sich zum Beispiel bewahrheitet, dass Scheuer die Chance ignoriert
       hat, den Start der Maut und die Unterzeichnung des Vertrags mit den
       Betreibern zu verschieben und das Urteil des Europäischen Gerichtshofs über
       deren Rechtsmäßigkeit abzuwarten. Mehr noch, er hat sich nicht dafür
       interessiert, was es die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kostet, wenn
       das Projekt vor Gericht scheitert. Dabei geht es um mehr als 500 Millionen
       Euro, den die Betreiber als Schadenersatz verlangen.
       
       Warum hat der Verkehrsminister der Verschiebung nicht zugestimmt? 
       
       Er wollte die Maut unbedingt vor der Bundestagswahl etablieren, um sie als
       großen Wahlkampfrenner in Bayern 2021 zu verkaufen.
       
       Was hat der Untersuchungsausschuss Neues herausbekommen? 
       
       Zum Beispiel, dass auch gegen das Haushalts- und Vergaberecht verstoßen
       worden ist. Das klingt harmlos, aber das ist die Veruntreuung von
       Steuergeldern mit krimineller Energie. Es gab ein Angebot von den
       Mautbetreibern, das 1 Milliarde Euro über den vom Bundestag bewilligten
       Mitteln lag. Scheuer hat mithilfe des Bundeshaushalts und des bundeseigenen
       Lkw-Mautabwicklers Toll Collect dafür gesorgt, dass die Betreiber ein
       günstigeres Angebot machen konnten.
       
       Wenn ein Baudezernent in der Kommunalverwaltung die Kosten für ein Projekt
       so verschieben würde, würde er sofort fristlos entlassen. Deswegen finde
       ich es auch nur folgerichtig, wenn die CSU die voraussichtliche
       Schadenssumme von über 500 Millionen Euro aus der Parteikasse zahlt. Ihr
       Spitzenpersonal hat mit Inkompetenz und Fahrlässigkeit den Schaden
       verursacht. Eine Partei mit bürgerlichen Tugenden bietet so etwas von sich
       aus an.
       
       Hat der Minister im Bundestag gelogen, als er gesagt hat, es habe kein
       Angebot der Betreiber gegeben, die Unterzeichnung des Mautvertrags bis zum
       EuGH-Urteil zu verschieben? 
       
       Ja, er hat gelogen. Wir haben im Ausschuss sechs Zeugen gehört, die
       bestätigen, dass es dieses Angebot gegeben hat. Er selbst hat gesagt, das
       Angebot hat es nicht gegeben. Dann konnte er sich bei seiner ersten Aussage
       im Untersuchungsausschuss nicht mehr erinnern. Sein früherer Staatssekretär
       Gerhard Schulz, der jetzt einen gut bezahlten Job beim Lkw-Maut-Unternehmen
       Toll Collect hat, kann sich auch nicht erinnern.
       
       Die SPD sagt, es steht Aussage gegen Aussage. 
       
       Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir als Opposition haben der SPD
       angeboten, eine Gegenüberstellung der Zeugen vorzunehmen und Scheuer mit
       den Aussagen der anderen zu konfrontieren. Das hat die SPD abgelehnt. Ich
       habe den Eindruck: Man will es gar nicht so genau wissen. Die SPD hat
       ursprünglich gesagt, bei einer Lüge des Ministers im Bundestag wäre die
       rote Linie überschritten. Jetzt, nachdem SPD-Finanzminister Scholz mit dem
       Wirecard-Untersuchungsausschuss zu tun hat, ist der Aufklärungswille der
       SPD ganz merklich erlahmt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass es eine
       Art Stillhalteabkommen gibt.
       
       Was bringt die Befragung von Scheuer am Donnerstag? Er ist ja schon [2][mal
       befragt] worden. 
       
       Wir haben ihn beim ersten Mal speziell zu den Gesprächen mit den Betreibern
       und dem Lügenvorwurf befragt. Jetzt stehen alle Themenkomplexe an, die wir
       untersucht haben. Es ist für uns etwa interessant zu wissen, warum den
       Mautbetreibern eine unüblich hohe Rendite von 24 Prozent über 12 Jahre
       garantiert wurde, oder warum Staatssekretär Schulz ausgerechnet in dem
       Moment zu Toll Collect gewechselt ist, als die Verträge geschlossen wurden
       und er hier deutlich mehr als im Ministerium verdient. Außerdem ist es an
       der Zeit, dass der Minister endlich beichtet und sich freiredet. Dazu
       wollen wir ihm ausgiebig die Möglichkeit geben.
       
       Dieselskandal, verpatzte Reform der Straßenverkehrsordnung – das
       Mautdesaster ist nicht der einzige Fauxpas des Ministers. Warum ist er
       immer noch in seinem Amt? 
       
       Er ist für Teile der CSU eine Art Prügelknabe. Für das Mautdesaster tragen
       auch die CSU und sein Vorgänger Alexander Dobrindt die Verantwortung.
       Andreas Scheuer zieht die Kritik auf sich. Deshalb hat sich die CSU damit
       arrangiert, dass er im Amt bleibt.
       
       Wenn es nach den Bundestagswahlen eine grün-schwarze oder schwarz-grüne
       Bundesregierung geben sollte, hätte Andreas Scheuer darin einen Platz? 
       
       Ich mische mich grundsätzlich nicht in die Personalentscheidungen anderer
       Parteien ein. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass Scheuer aus Sicht der
       CSU nach der Bundestagswahl noch einen Aktivposten darstellen könnte. Bei
       der Bundestagswahl geht es darum, dass endlich jemand ins Verkehrsressort
       kommt, der die vielen Herausforderungen der Mobilitätspolitik anpackt. Und
       das ist zuallererst die Klimaschutzfrage.
       
       28 Jan 2021
       
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