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       # taz.de -- Das Ende des Spektakels: Und der Langeweile zugewandt
       
       > Trump ist weg, Biden und Laschet sind da. Sieht so aus, als ob wir uns
       > wieder ernsthaft mit dem beschäftigen müssen, was diese Politiker sagen.
       
   IMG Bild: Spannend geht anders: Armin Laschet könnte der neue Kanzlerkandidat der Union werden
       
       Die Erleichterung darüber, dass Donald Trump nun endlich weg ist, lässt
       allmählich nach. Die über die Niederlage von Friedrich Merz im Kampf um den
       CDU-Vorsitz ist schon länger verflogen. Und nun sitze ich da mit meinen
       erfüllten Wünschen und schaue einer trüben Zukunft ins Gesicht. Einer
       Zukunft, in der ich lernen muss, mich ernsthaft für Nachrichten zu
       interessieren, in denen es um Joe Biden und Armin Laschet geht.
       
       Ich glaube ja: Beide sind anständige Menschen. Aber sie wirken so furchtbar
       langweilig. Sind sie vielleicht gar nicht. Dennoch, wenn sie öffentlich
       auftreten, dann fällt es mir entsetzlich schwer, mich auf das zu
       konzentrieren, was sie sagen.
       
       Armin Laschet ist wenigstens zuzubilligen: fEr schafft es, Persönliches –
       sogar seinen Vater – zu erwähnen, ohne sofort in Tränen auszubrechen. Da
       hat er Joe Biden etwas voraus. Der weint ständig. Manchmal aus Gründen, die
       ich verstehen kann oder über die ich mir kein Urteil erlauben möchte.
       Häufiger jedoch bei Anlässen, wo ich den neuen Präsidenten der USA einfach
       nur rührselig finde. Als er von Wilmington im Bundesstaat Delaware nach
       Washington, D.C. aufbrach – also eine Entfernung von 179 Kilometern in
       Angriff nahm –, brach ihm beim Abschied die Stimme. Warum um alles in der
       Welt? Joe, du darfst durchaus mal übers Wochenende in Delaware
       vorbeischauen. Dein Vorgänger, dessen Namen wir nicht mehr erwähnen wollen
       – Lord Voldemort? – war ständig in Florida. Echt. Komm, ist doch alles gar
       nicht so dramatisch.
       
       ## Ob Biden weinen würde?
       
       Mit einer Freundin habe ich gewettet, ob Biden am Tag seiner Vereidigung
       weinen würde. Natürlich habe ich gewonnen. Unmittelbar nachdem er den Eid
       abgelegt hatte, musste er sich ein paar [1][Tränen] vom Gesicht wischen.
       
       Das alles ist politisch bedeutungslos? Ich bin nicht sicher. Langeweile
       könne doch gerade in diesen Zeiten ein hohes Gut sein in der Politik, gibt
       ein Kollege zu bedenken. Stimmt. Sie vermittelt ein Gefühl der Sicherheit,
       der Zuverlässigkeit, eine Hoffnung, es werde alles nicht wirklich schlimm
       werden. Wenn Leute so gemütlich, nett und sentimental daherkommen – was
       sollen sie schon anrichten?
       
       Alles Mögliche können sie anrichten. Nur weil Joe Biden – glaubhaft! –
       gegen Rassismus und für eine Stärkung internationaler Organisationen
       eintritt, bedeutet das nicht, dass er die Erfüllung aller Wünsche der
       globalen Linken verkörpert. Tut er nicht, fragen Sie mal Bernie Sanders.
       Oder erinnern Sie sich an den netten Barack Obama, der sogar einen
       Friedensnobelpreis bekam und sich trotzdem zu einem abscheulichen
       Drohnenkrieg veranlasst sah.
       
       Und Armin Laschet? Nun, lassen Sie es mich so sagen: Er ist nicht
       versehentlich in der CDU gelandet. Und die Tatsache, dass jemand ein
       Langweiler zu sein scheint, ist kein Hindernis auf dem Weg nach oben.
       Denken Sie an Helmut Kohl.
       
       Die USA haben ihre Wahlen hinter sich, wir haben sie vor uns. Und ich habe
       – Meinungsumfragen hin oder her – wenig Zweifel daran, dass Laschet zum
       Kanzlerkandidaten der Union wird. Wenn nämlich dem bayerischen
       Ministerpräsidenten Markus Söder dieser Traum erfüllt würde, dann bedeutete
       das zugleich die vollständige Entmachtung seiner CSU. Bisher kann sie der
       Kanzlerin oder dem Kanzler mit der geballten Kraft ihrer Stimmen (oder
       deren Entzug) drohen – aber womit sollte sie einen CSU-Kanzler erpressen?
       
       Es gab schon CSU-Kanzlerkandidaten, klar. Aber die hatten starke Männer zu
       Hause in Bayern, die für die Zukunft der CSU hätten sorgen können. Wen
       würde Markus Söder zurücklassen? Sehen Sie, da fällt Ihnen auch niemand
       ein.
       
       Schade eigentlich. [2][Söder] ist zumindest nicht langweilig.
       
       22 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tmz.com/2021/01/19/joe-biden-emotional-tear-cry-delaware-beau-national-guard/
   DIR [2] https://www.facebook.com/watch/?v=1582551658485172
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bettina Gaus
       
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