URI: 
       # taz.de -- Krokodil als „Zootier des Jahres“: Mahnung zur Demut
       
       > „Zootier des Jahres“ wird man nicht einfach so – nein, das Krokodil hat
       > viel gesehen und wird die Menschheit wohl überleben: Wenn wir es denn
       > lassen.
       
   IMG Bild: Junges Kuba-Krokodil aus dem Zoo in Hoyerswerda
       
       Geht man mit Kindern in den Zoo, wollen sie die Krokodile sehen. „Das
       Krokodil, das Krokodil / das schläft am Nil und tut nicht viel“, denkt man
       und stellt fest: stimmt.
       
       Genauer: Es tut gar nichts. Es liegt da sehr urzeitlich und macht
       schaudern, weil es auch hochschnellen und einen verputzen könnte. Ein
       kleines Emblem auf der Infotafel informiert uns über die akute
       Bedrohungslage, und wir erklären den Kindern, dass man es unbedingt
       schützen muss; und sind doch sehr froh, dass das not our business ist –
       schließlich haben wir schon vor ein paar Wölfen Angst.
       
       25 Krokodilarten gibt es, alle sind gefährdet, viele stehen kurz vor der
       Ausrottung. Dabei sind sie ein Erfolgsmodell der Evolution: Während es uns
       mit gutem Willen seit vielleicht vier Millionen Jahren gibt, liegt das
       Krokodil nicht viel tuend seit mindestens 80 Millionen Jahren herum, ohne
       sich groß verändert zu haben.
       
       Warum auch? Funktioniert ja bestens. In vielerlei Hinsicht ist es das
       Gegenmodell zum Homo sapiens: ein Energiesparwesen, das im Zweifel nur alle
       paar Monate Nahrung benötigt. Wo Menschen hektisch herumsumsen, liegt es
       entspannt in der Sonne. Sozial ist es ebenfalls: Kroko-Mütter sind
       Helikoptereltern, die ihren Jungen ein Eltern-Taxi von der Nistgrube zum
       Wasser bieten und sie danach vor Unbill schützen, indem sie Bösewichte
       wütend vertreiben oder die Kleinen schützend ins Maul nehmen.
       
       ## Menschenfresser und Modeaccessoire
       
       Doch wenn ein Gnu durch den Fluss watet, schlagen sie in bester
       Horrorfilmmanier zu. Das Krokodil ist die Verkörperung von Menschenfresser
       und Modeaccessoire, Überlebensfähigkeit und Verletzlichkeit. [1][Und nun
       auch „Zootier des Jahres“.] Gute Wahl! Ohne Fernreise bekommen wir es nur
       im Zoo zu Gesicht. Und was wäre schon ein Mensch, der nie ein leibhaftiges
       Krokodil gesehen, gefürchtet und genossen hätte? Unterm Strich nur ein
       Beutetier.
       
       Umso schöner, dass die Zoos den Krokodilen heute etwas zurückgeben. [2][Das
       Philippinen-Krokodil etwa ist in freier Wildbahn fast ausgerottet.] Gerade
       erst wurden im Kölner Zoo geschlüpfte Junge in der Heimat der Ahnen
       freigelassen. Zur Wiedergutmachung quasi. Und doch könnte das Krokodil, das
       schon die Saurier kommen und gehen sah, auch uns überleben. Es sei uns
       Mahnung zur Demut.
       
       29 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://zootierdesjahres.de/
   DIR [2] /Tiere-des-Jahres-und-Artensterben/!5737987
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Werning
       
       ## TAGS
       
   DIR Tiere
   DIR Artenvielfalt
   DIR Zoo
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Tier des Jahres
   DIR Pferdesport
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Tag des Artenschutzes: Die Lage ist ernst
       
       Die romantische Idee von ungestörter Natur verklärt die Wirklichkeit.
       Artenschutz muss mehr sein, für manche kommt er sonst zu spät.
       
   DIR Tiere des Jahres und Artensterben: Schaut her, bitte!
       
       Die Biodiversitätskrise hält auch nach Corona an. Ein basisdemokratischer
       Wahlversuch beim Tier des Jahres tappte aber prompt in die Populismusfalle.
       
   DIR Dressurpferd Totilas ist tot: Der Boris Becker unter den Gäulen
       
       Totilas war einmal das teuerste und berühmteste Dressurpferd der Welt.
       Jetzt ist der Hengst im Alter von 20 Jahren gestorben.
       
   DIR Corona und Tiere: Auch Schuppentiere unter den Opfern
       
       Das putzige Pangolin gilt als Ausgangspunkt der Corona-Pandemie. Doch sind
       auch andere Tiere Überträger? Und können unsere Lieblinge sich anstecken?