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       # taz.de -- Auftakt des Bürgerrats: Mini-Deutschland diskutiert
       
       > Der zweite bundesweite Bürgerrat hat seine Arbeit aufgenommen. Die erste
       > Diskussion war angeregt, bei der Übertragungstechnik haperte es etwas.
       
   IMG Bild: Das Moderatoren Team im Studio
       
       Berlin taz | Drei Moderator*innen stehen auf der Bühne des
       Übertragungsstudios in der Berliner Alexanderstraße. Sie begrüßen die
       Teilnehmenden des Bürgerrats, die sich nach und nach per Zoom zuschalten,
       bis schließlich alle 169 ausgelosten Bürger*innen aus 57 Orten von
       Nordseeküste bis Alpenrand virtuell anwesend sind.
       
       Ausgelost wurden die Teilnehmer*innen nach Kriterien wie Alter, Herkunft
       und Bildungsstand, um eine möglichst repräsentative Gruppe
       zusammenzubringen. Im Studio war an diesem Mittwochabend eine freudige
       Anspannung zu spüren. In den [1][vergangenen Monaten wurde der Bürgerrat]
       in einem aufwändigen Verfahren von dem Verein [2][Mehr Demokratie] und drei
       Durchführungsinstituten vorbereitet. Claudine Nierth, Vorstandssprecherin
       von Mehr Demokratie, gratulierte zunächst den ausgelosten Bürger*innen. Es
       sei ein Sechser im Lotto ausgewählt worden zu sein, doch es bringe auch
       Verantwortung mit sich.
       
       Schon 2019 hat Mehr Demokratie einen Bürgerrat organisiert – allerdings
       ohne direkte Anbindung an die Politik. Nun hat der Parlamentarier und
       Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die Schirmherrschaft für den zweiten
       Bürgerrat übernommen. Er hofft, das Vertrauen der Bevölkerung in die
       Demokratie mit Hilfe von Bürgerräten zurückgewinnen zu können.
       
       Auf das recht unverbindliche Thema „Deutschlands Rolle in der Welt“ haben
       sich die Fraktionen dann geeinigt. Die vage Themensetzung zeigt, dass dem
       Instrument noch mit Skepsis begegnet wird. Viele fürchten Bürgerräte als
       Konkurrenz zur parlamentarischen Demokratie, dabei – so die
       Organisator*innen – sollen sie die repräsentative Demokratie ergänzen und
       Politiker*innen eine Richtungsweisung und Rückenwind für schwierige
       Entscheidungen geben.
       
       ## Moderierter Prozess der Meinungsbildung
       
       Auch die Angst vor direkter Demokratie lässt viele zurückschrecken. Bei den
       Bürgerräten handelt es sich aber, anders als bei einem Volksentscheid, um
       einen moderierten Prozess der Meinungsbildung. Das lässt sich auch bei der
       Einführungsveranstaltung gut beobachten.
       
       Zunächst sprach die Vorsitzende des Bürgerrats, die frühere
       DDR-Bürgerrechtlerin und Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen
       Marianne Birthler. In einer Begrüßungsrede erzählt sie von ihren
       Erfahrungen in der DDR und den großen Hoffnungen, die sie damit verband,
       Bundesbürgerin zu werden. Einmal habe ein kleines Mädchen sie gefragt:
       „Soll ich sagen, was richtig ist, oder was ich denke?“ Es gäbe kein richtig
       oder falsch, sagte Birthler am Mittwochabend, sondern viele verschiedene
       Antworten. Und genau da setze der Bürgerrat an – beim Zuhören und Respekt
       für andere Meinungen.
       
       Nach Birthlers Ansprache, die sie mit einem Gedicht von Bertolt Brecht
       beendete, waren zehn Minuten vorgesehen, in denen sich die Teilnehmenden in
       Vierergruppen kennenlernen konnten. Im sogenannten Plenum bekamen die
       Bürger*innen dann schon an diesem Tag die Gelegenheit, sich zu Wort zu
       melden und es wurde sofort rege diskutiert: Über Erwartungen, über
       persönliche Rollenkonflikte und die Frage, wie Deutschland sich in der Welt
       positionieren soll. Menschen, die sich sonst nie begegnet wären, traten in
       einen Austausch miteinander. Viele von ihnen haben keine politische
       Vorerfahrung. In der Diskussion zeigten sie Ernsthaftigkeit und
       Teilnahmebereitschaft. Die Moderator*innen versuchten dabei, das Gespräch
       zu leiten, ohne zu sehr eine Richtung vorzugeben.
       
       ## Konkrete Vorschläge an die Politik
       
       Mit der Übertragungstechnik haperte es an diesem Auftaktabend etwas. „Die
       reden miteinander, nur wir kriegen gerade nichts mit“, sagt der Moderator
       im Studio. Nach etwa einer Stunde bricht der Youtube-Livestream für einige
       Zeit ganz ab. Die Diskussion zwischen den Ausgelosten über Zoom läuft
       weiter.
       
       Diskutiert wird im Bürgerrat zu den fünf Themenfeldern nachhaltige
       Entwicklung, Wirtschaft und Handel, Frieden und Sicherheit, Demokratie und
       Rechtsstaat und die Europäische Union. Die Teilnehmenden des Bürgerrats
       wurden den Unterthemen zugelost. In den kommenden zwei Monaten hören sie
       Vorträge von ausgewählten Expert*innen, diskutieren in wechselnden
       Kleingruppen und im Plenum. Mitte März wollen sie dann ihre erarbeiteten
       Vorschläge an die Politik überreichen.
       
       14 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Buergerraete-zu-Aussenpolitik/!5739093
   DIR [2] https://www.mehr-demokratie.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Charlotte Bernstorff
       
       ## TAGS
       
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