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       # taz.de -- CDU wählt Armin Laschet zum Vorsitzenden: Die beste Rede seines Lebens
       
       > Kaum ist NRWs Ministerpräsident als CDU-Chef gewählt, grätscht der
       > unterlegene Merz ihm dazwischen. Wird die Spaltung der CDU weitergehen?
       
   IMG Bild: Will nicht polarisieren: Armin Laschet präsentiert sich als Versöhner und gewinnt
       
       Berlin taz | Friedrich Merz senkt zweimal kurz den Kopf, dann lächelt Armin
       Laschet zu ihm herüber. Die beiden geben sich, corona-bedingt, einen
       Fist-Bump. Ganz kurz sieht es so aus, als würde es eine Verbindung zwischen
       den beiden Männern geben. Ob Laschet eine solche zu seinem Konkurrenten und
       vor allem zu dessen AnhängerInnen halten oder herstellen kann, ob er also
       die Spaltung der CDU verkleinern kann, wird in den kommenden Monaten eine
       der entscheidenden Fragen sein.
       
       Der Parteitag hat Laschet gerade [1][zum neuen CDU-Chef gekürt].
       Generalsekretär Paul Ziemiak hat das Ergebnis der digitalen Stichwahl
       verkündet. 521 Stimmen für Laschet, 466 für Merz. [2][Merz, der
       Hoffnungsträger der CDU-Rechten], ist zum zweiten Mal gescheitert. Und
       wieder ist es knapp, wenn auch nicht so sehr wie vor gut zwei Jahren in
       Hamburg, als er [3][Annegret Kramp-Karrenbauer unterlag]. Doch die Partei
       ist weiter gespalten.
       
       Am morgen noch hatten die Delegierten alles für möglich gehalten. Das
       Rennen sei offen, hieß es. Selbst dass [4][Norbert Röttgen, der als
       Außenseiter] gestartet war und dann einen beachtlichen Wahlkampf hinlegte,
       CDU-Chef wird. Um Viertel vor zehn dann steht Laschet, der
       Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, in der Messehalle in Berlin am
       Redepult. Es ist eine ungewohnte Situation. Die Halle vor ihm ist leer, nur
       die fünf Mitglieder des Tagungspräsidium sitzen an einem Tisch. Laschet
       spricht in eine Kamera zu den Delegierten, die zu Hause an ihren
       Bildschirmen sitzen.
       
       ## Fähigkeit zum Kompromiss
       
       Doch Laschet hält vielleicht die beste Rede seines Lebens. Erzählt von
       seinem Vater, der früher erst Bergmann war. Der habe ihn gelehrt, dass
       entscheidend sei, ob man sich aufeinander verlassen könne. Spricht vom
       [5][Sturm auf das Capitol] und vom [6][Mord an dem Kasseler
       Regierungspräsidenten] und wie gefährlich das Gift der Spaltung sei. „Ich
       höre immer wieder den Satz: Man muss auch polarisieren können“, sagt
       Laschet. „Ich sage: Nein, das muss man nicht.“ Polarisieren sei einfach,
       das könne jeder. Er dagegen wolle „integrieren, die Gesellschaft
       zusammenhalten“.
       
       Laschet präsentiert sich als Versöhner, als Teamplayer und als der, der
       Kurs in der Mitte hält. Und er spielt seine Erfahrung als Regierungschef
       aus. Für Vertrauen reichten keine Worte, man müsse „das Handwerkszeug für
       eine Politik der Mitte beherrschen“ – und zwar die Fähigkeit zum
       Kompromiss. Am Ende, eine Viertelstunde dürfen die drei Kandidaten
       sprechen, hält er die Bergmannsmarke seines Vaters in die Kamera. Er sei
       vielleicht nicht der Mann der perfekten Inszenierung, sagt er. „Aber ich
       bin Armin Laschet. Darauf können Sie sich verlassen.“
       
       ## Merz wollte Führung, Röttgen modernisieren
       
       Merz Rede dagegen bleibt wie schon vor zwei Jahren unter den Erwartungen.
       Er bringt seine Wirtschaftskompetenz ein, grenzt sich von der AfD ab,
       fordert, dass über Politik wieder mit Leidenschaft gerungen wird. „Wir
       müssen den politischen Meinungsstreit in die Mitte zurückholen“, sagt er.
       Der ehemalige Aufsichtsrat des Vermögensverwalters Blackrock in Deutschland
       fordert auch die Kanzlerkandidatur für sich. Sein Anspruch sei „Führung
       dieser Partei, aber auch Führung unseres Landes“, sagt er.
       
       Und dann will er „auch noch was zu den Frauen“ sagen. Er hätte da ja ein
       altes Bild, werde ihm unterstellt. „Wenn das so wäre, hätten mir meine
       Töchter längst die gelbe Karte gezeigt und meine Frau hätte mich vor 40
       Jahren nicht geheiratet.“ Das dürfte die unentschiedenen unter den knapp
       350 weiblichen Delegierten vermutlich nicht überzeugt haben.
       
       Röttgen, der Außenpolitiker, ist als dritter dran. Er ist nervös, das merkt
       man ihm an. „Es geht eigentlich nur um eins: die Zukunftskompetenz“, sagt
       er und setzt damit voll auf das Profil als Modernisierer, das er sich
       während des parteiinternen Wahlkampfs erarbeitet hat. Röttgen betont, dass
       er „kein Lager“ sei – also in alle Strömungen der Partei vermittelbar. Doch
       es reicht nicht. Röttgen fällt im ersten Wahlgang raus, ein Drittel seiner
       AnhängerInnen wechselt im zweiten zu Merz, zwei Drittel für Laschet.
       
       ## Bleibt Merz an Bord?
       
       Als der Sieger feststeht, bedankt sich Laschet für das faire Verfahren.
       Röttgen gratuliert und betont, der Wettbewerb sei nun vorbei, Laschet könne
       sich auf seine Unterstützung verlassen. Er wird später in das Präsidium
       gewählt. Und Merz? Der belässt es beim Glückwunsch. In die Gremien will er
       nicht einziehen. Wird sich also das wiederholen, was nach der Wahl vor zwei
       Jahren geschah? Dass Merz sich also nicht einbinden lässt und seine
       AnhängerInnen dem neuen Vorsitzenden das Leben schwer machen?
       
       Der Parteitag ist gerade vorbei, da läuft über die Agenturen die Nachricht,
       Merz biete Laschet an, als Wirtschaftsminister in die aktuelle
       Bundesregierung einzusteigen. Dafür müsste Peter Altmaier gehen. Mitten in
       der Pandemie, acht Monate vor der Bundestagswahl. Die Kanzlerin erteilt ihm
       umgehend eine Absage. Eine Regierungsumbildung sei nicht geplant, lässt sie
       mitteilen.
       
       Merz Vorpreschen lässt nicht gutes erahnen. Gerade hatte Laschet noch in
       seinem Abschlussstatement gesagt, wie wichtig es ihm sei, Merz einzubinden.
       Es wolle mit diesem darüber reden. Das aber wartet Merz nicht ab.
       
       Allerdings ist die Lage heute eine andere als 2018. Alle haben erlebt, wie
       der Streit in der CDU – und auch mit der CSU – die Partei in den
       Abwärtsstrudel ziehen kann. Merz-Unterstützer Thomas Strobl, Innenminister
       in Baden-Württemberg, sagt: „Ich werde den neuen Vorsitzenden ohne jeden
       Vorbehalt loyal unterstützen.“ In Baden-Württemberg sind im März
       Landtagswahlen, insgesamt sechs gibt es in diesem Jahr, dazu im September
       die Bundesatgswahl. Das könnte die Partei disziplinieren. Carsten
       Linnemann, Chef der Mittelstandsvereinigung, fleht geradezu, dass Merz ins
       Präsidium einziehe. „Ich halte es für verdammt wichtig, dass er an Bord
       bleibt“, sagt er bei Phoenix.
       
       ## Wahl muss noch per Briefwahl bestätigt werden
       
       Zwischendurch sorgt Gesundheitsminister Jens Spahn, der im Team mit Laschet
       als Stellvertretender Vorsitzender antritt, für Irritation. In der
       Fragerunde nach den Vorstellungsreden, die eigentlich für Fragen der
       einfachen Delegierten gedacht sind, meldet er sich plötzlich zu Wort –
       fragen aber will er nicht. Stattdessen wirbt er für Laschet, seinen
       Teampartner. „Armin Laschet hat gezeigt, dass er das Land, dass er die
       Partei zusammenführen kann. Er lebt Zusammenhalt“, sagt Spahn. Das könnte
       bei Merz-AnhängerInnen durchaus als Foul gewertet werden. Bei der Wahl zu
       den stellvertretenden Vorsitzenden erhält Spahn das weitaus schlechteste
       Ergebnis.
       
       Insgesamt lief der digitale Parteitag mitsamt der Wahlen erstaunlich glatt.
       Ein Delegierter schafft es nicht, seine Frage rüber zu bringen, weil man
       ihn nicht hören kann. Zudem hat es nach den Worten von Generalsekretär Paul
       Ziemiak Hackerangriffe vor allem aus dem Ausland gegeben. Diese konnten
       aber abgewehrt werden, so Ziemiak. Die Angriffe seien „nicht witzig“
       gewesen.
       
       Weil rein rechtlich das Ergebnis einer digitalen Wahl nicht verbindlich
       ist, müssen die Delegierten in einer Briefwahl Laschet und auch die
       Vorstandsmitglieder nun noch einmal bestätigen. Wieviele Delegierte dort
       für NRWs Ministerpräsidenten stimmen, wird auch ein Zeichen dafür sein, ob
       die Merz-AnhängerInnen bereit sind, ihm eine Chance zu geben. Das Ergebnis
       wird am kommenden Freitag vorliegen. Erst dann ist Laschet auch offiziell
       der neue Parteichef. Für die CDU steht dann die nächste Personalie an: Die
       Entscheidung, wer Kanzlerkandidat werden soll.
       
       16 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
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