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       # taz.de -- Parteitag der Berliner Linken: Langsam kommt Lederer in Fahrt
       
       > Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer geht erstmals im Wahlkampf auf
       > Angriff – aber dezent. Die Partei bestätigt Katina Schubert als
       > Vorsitzende.
       
   IMG Bild: Klaus Lederer bei seiner Rede auf dem Parteitag
       
       Berlin taz | Klaus Lederer ist als Schnellredner bekannt. Seine
       Worte-pro-Sekunde-Frequenz erreicht dabei bisweilen härteres Techno-Niveau,
       das bekanntlich in Beats-per-Minute gemessen wird. An diesem Samstag jedoch
       nimmt sich Berlins Kultursenator deutlich zurück. Klar, prägnant, ohne
       große Umwege in Nebensätze verkündet er in seiner 30-minütigen Rede auf dem
       Landesparteitag der Linken seine Botschaft: „Ich traue mir zu, das Amt
       eines Regierenden Bürgermeisters gut auszuüben.“
       
       Lederer ist noch nicht offiziell Spitzenkandidat der Berliner Linkspartei
       für die Abgeordnetenhauswahl Ende September. Erst im April soll er auf dem
       nächsten Parteitag dazu bestimmt werden. Aber niemand zweifelt daran, dass
       er es wird. Der Parteivorstand hat ihn nominiert, und keiner macht ihm in
       der Berliner Linken diesen Posten streitig.
       
       Doch seine Ausgangsposition ist schwieriger als [1][die der KonkurrentInnen
       bei SPD, CDU und Grünen]. Anders als deren drei SpitzenkandidatInnen ist er
       als Kultursenator und Stellvertreter von Michael Müller in
       Regierungsverantwortung eingebunden. Und die Linke liegt aktuell in
       Umfragen hinter den drei anderen Parteien mit rund 16 Prozent auf Platz
       vier. Allerdings drängen sich alle nahe beieinander: Auch die CDU als
       stärkste kommt auf lediglich etwa 22 Prozent.
       
       Es ist dann auch keine Hau-Drauf-Wahlkampfrede, die der 46-Jährige am
       Samstagmorgen hält. Lederers Stärke ist weniger die politisch angehauchte
       Fünf-Wort-Phrase, wie sie gerade vor allem von Berlins SPD wieder entdeckt
       wird, sondern die detailbeflissene Analyse. Und so macht sich der
       Kultursenator auf in eine umfassende Erkundung des Gegenwartsberlins nach
       gut vier Jahren Rot-Rot-Grün und unter Pandemiebedingungen.
       
       Aktuell würden „die Haare länger, die Geduldsfäden kürzer“ – bei allen. Und
       die PolitikerInnen hätten keine Blaupause für den Umgang mit Corona,
       vielmehr gebe es auch unter den EntscheiderInnen „Verunsicherung und
       Ratlosigkeit. Trotzdem wird von der Politik Handeln erwartet.“
       
       ## Lederer für härtere Maßnahmen gegen Corona
       
       Lederer spricht sich angesichts der weiterhin hohen Infektionszahlen und
       der möglichen Gefahr durch ein mutiertes, stärker ansteckenderes Virus für
       härtere Maßnahmen im Lockdown aus – ohne allerdings konkret zu werden.
       Allerdings dürfe dafür nicht nur das Privatleben der Menschen reguliert
       werden. Auch die Wirtschaft müsse ihren Teil zur Pandemiebekämpfung
       betragen; die Politik sollte deswegen den Druck erhöhen: „Solidarität muss
       gesellschaftlich organisiert werden, das ist die Aufgabe der Politik.“ Am
       kommenden Dienstag beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die
       MinisterpräsidentInnen der Länder über den weiteren Umgang mit der
       Pandemie.
       
       Diese zeige, so Lederer weiter, welche Bedeutung die öffentliche
       Daseinsfürsorge habe. In dieser Hinsicht habe die Koalition viel erreicht,
       etwa durch den Mietendeckel, das Stadtwerk, Lederers [2][eigene dezentrale
       Kulturpolitik]. Der Umbau zu einer sozial-ökologischen Stadt müsse weiter
       gehen, dabei dürfe Berlin nicht glattgebügelt werden. „Wir müssen die
       Nischen schützen, egal ob es der Club im Hinterhof ist oder die
       Gartenparzelle zwischen den S-Bahngleisen.“
       
       Lederer spricht sich zudem dafür aus, die Macht der großen
       Internetplattformen zu regulieren, und dafür wie bisher auch im Fall von
       Uber und Amazon mit Berliner Initiativen zusammen zu arbeiten.
       
       Die Linke wolle das rot-rot-grüne Bündnis fortsetzen, sagt Lederer – wobei
       die Wahrheit ist, dass es aktuell für die Partei keine andere Machtoption
       gibt. Bei Lederer klingt das so: „Die Linke ist die einzige
       Wahlentscheidung, bei der man sicher sein kann, am Ende nicht die CDU im
       Senat sitzen zu haben.“
       
       Und dann folgt doch noch ein bisschen Wahlkampf. Er wünsche sich, „SPD und
       Grüne würden sich genauso wie wir zur Fortsetzung von Rot-Rot-Grün
       bekennen.“ Das Blinken vor allem der Sozialdemokraten in Richtung Union sei
       irritierend. Schließlich erteilt er einem Herzenswunsch der neuen
       SPD-Spitze eine klare Absage: „Wir denken nicht daran, das
       Stadtentwicklungsressort wieder abzugeben.“
       
       ## Auch dieser Parteitag war digital
       
       Für all diese Punkte erhält Lederer keinen Applaus – was schlicht daran
       liegt, dass der Parteitag weitgehend digital ist, erstmals bei der
       Linkspartei in Berlin. Die rund 170 Delegierten sitzen zu Hause vor ihren
       Bildschirmen, wundern sich bisweilen über die seltsame Pausenmusik, eine
       Paarung aus Jazz und 90er-Jahre Rave, und haben die ein oder andere Pause
       aufgrund technischer Pannen zu überbrücken: Nicht jede Zuschaltung von
       Wortbeiträgen ist verständlich.
       
       Aber am Ende, nach vielen Formalia, müssen die Delegierten doch noch raus
       zur Wahl des gesamten Vorstands und vieler weitere Posten. Anders als beim
       parallel laufenden CDU-Bundesparteitag schickt die Linke sie an eine echte
       Urne in den Bezirksgeschäftsstellen. Debatten über die eingereichten
       inhaltlichen Anträge werden aus Zeitgründen auf ein weiteres Treffen
       verschoben. Lediglich ein Antrag gegen die „Zerschlagung der S-Bahn“ –
       sprich die von der grünen Verkehrssenatorin Regine Günther vorangetriebene
       Ausschreibung von Teilstrecken – schafft es noch in den Leitantrag.
       
       Große personelle, vor allem überraschende Veränderungen gibt es am Ende
       nicht, [3][auch Landeschefin Katina Schubert] und ihre drei
       StellvertreterInnen treten wieder an. Sie werden wiedergewählt, im Falle
       von Schubert mit 82 Prozent – wobei sie keine GegenkandidatIn hatte.
       
       Auch die alte und neue Parteichefin hatte zuvor in ihrer Rede die Koalition
       gelobt: „Es ist uns gelungen, Schritte zu gehen, um die Stadt Stück für
       Stück wieder in die Hände der Berliner zu geben.“ Sie sprach von einer
       linken Handschrift, etwa beim verbilligten Sozialticket, dem kostenlosen
       Schulmittagessen und Schülerticket. Und dem Mietendeckel: „Die Mieten
       sinken zum ersten Mal. Viele Menschen müssen keine Angst mehr haben, ihr
       Zuhause zu verlieren.“
       
       Zudem habe die Linke in der Koalition durchgesetzt, dass das Volksbegehren
       Deutsche Wohnen & Co enteignen in die zweite Stufe komme. Jetzt gehe es
       darum, es zum Erfolg zu führen: „200.000 Unterschriften in der Pandemie zu
       sammeln, das wird Hardcore. Aber ich bin mir sicher, dass wir das
       schaffen.“ Schubert forderte eine Aufnahmeprogramm des Landes für
       Geflüchtete, die derzeit in Bosnien-Herzegowina in Eiseskälte ausharren
       müssen.
       
       Sie bemängelte zugleich, dass es unter Rot-Rot-Grün nicht überall
       Verbesserungen gegeben habe: So sei die Polizeipraxis oft noch von Härte
       etwa gegenüber linken Demonstrationen gekennzeichnet, etwa bei der jüngsten
       Rosa-Luxemburg-Demo, „während Nazis die Bannmeile stürmen“. Zudem sei es
       schlecht, „dass wir den Paradigmenwechsel in Sachen Abschiebung nicht
       hinbekommen haben“.
       
       17 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Was-bringt-das-neue-Jahr-III/!5740044
   DIR [2] /Berlins-Kultursenator-ueber-Coronafolgen/!5685267
   DIR [3] /Vor-Linken-Parteitag-in-Berlin/!5739119
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
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