URI: 
       # taz.de -- EU-Reaktionen zum Fall Nawalny: Nur Orbán hält sich zurück
       
       > Nach der Verhaftung Nawalnys kritisieren alle EU-Staaten bis auf Ungarn
       > das Vorgehen Russlands. Später veröffentlichen sie eine gemeinsame
       > Erklärung.
       
   IMG Bild: Ungarns Regierungschef Viktor Orbán äußerte sich nicht zur Verhaftung von Alexei Nawalny
       
       Brüssel taz | Die Reaktion war ungewöhnlich schnell und heftig: Nur wenige
       Minuten, nachdem die ersten Meldungen von der [1][Festnahme Alexei
       Nawalnys] aus Moskau kamen, forderte die EU in Brüssel bereits seine
       Freilassung. Es sei „inakzeptabel“, dass Nawalny direkt nach seiner
       Rückkehr nach Russland in Gewahrsam genommen worden sei, schrieb
       Ratspräsident [2][Charles Michel bei Twitter]. Der EU-Außenbeauftragte
       Josep Borrell rief die russischen Behörden auf, Nawalnys „Rechte zu
       respektieren“.
       
       Eine „Politisierung“ der Justiz sei nicht hinnehmbar. Ähnliche Forderungen
       kamen aus fast allen EU-Ländern – mal deutlicher, wie aus Polen, mal
       diplomatisch verklausuliert, wie aus Frankreich. Nur aus Ungarn kam keine
       Reaktion: Regierungschef Viktor Orbán pflegt gute Beziehungen zu Wladimir
       Putin und will sich offenbar nicht von seinem Schmusekurs abbringen lassen.
       Ungarn dürfte versuchen, neue Sanktionen gegen Russland zu verhindern.
       
       Am Nachmittag dann veröffentlichten die EU-Staaten eine gemeinsame
       Erklärung, in der sie die russische Regierung vor weiteren Repressionen
       gegen die Opposition und die Zivilgesellschaft warnen. Die Inhaftierung
       Nawalnys bestätige das negative Bild, dass in Russland der Raum für die
       Opposition, die Zivilgesellschaft und unabhängige Stimmen schrumpfe.
       
       Zuletzt hatte die EU Reiseverbote und Vermögenssperren gegen führende
       Vertreter der russischen Geheimdienste erlassen, um auf die Vergiftung
       Nawalnys mit der international geächteten Chemiewaffe Nowitschok zu
       reagieren. Die Strafen waren auf Druck aus Deutschland verhängt worden.
       
       ## Vom Kreml heißt es, das Ausland solle sich nicht einmischen
       
       Allerdings hatte sich die Bundesregierung in Berlin zuvor geweigert, die
       deutsch-russische Gaspipeline [3][Nord Stream 2] infrage zustellen. Das
       heiße Eisen der Sanktionen wurde nach Brüssel weitergereicht, der [4][„Fall
       Nawalny“] sollte das Projekt nicht stören. Daran dürfte sich auch jetzt
       nichts ändern. Zwar wird in Osteuropa erneut der Ruf nach einem sofortigen
       Stopp der Pipeline laut. Auch FDP und Grüne in Berlin machen Druck. Doch in
       Brüssel spielt man nach der Blitzreaktion auf die Verhaftung schon wieder
       auf Zeit. Die EU-Kommission wich dem Thema Sanktionen am Montag aus.
       Nachfragen bleiben unbeantwortet.
       
       Dafür gibt es mehrere Gründe. Für den Gebrauch von Chemiewaffen hat die EU
       ein eigenes Sanktionsinstrument – für die Verhaftung bei der Einreise
       jedoch nicht. Die Außenminister hatten zwar im Dezember einen neuen
       Rechtsrahmen für Strafmaßnahmen erlassen. Damit lassen sich aber nur
       individuelle Menschenrechtsverletzungen ahnden, kein Missbrauch der Justiz.
       Zudem ist der neue Rechtsrahmen bisher nicht eingesetzt worden. Die EU kann
       mit dem neuen Instrument also nicht aus der Hüfte schießen. Die Europäer
       können zwar laut protestieren – einen wirksamen Hebel haben sie nicht.
       
       Schnelle Reaktionen kamen derweil auch aus den USA, wo US-Außenminister
       Mike Pompeo die Festnahme des Oppositionellen „nachdrücklich“ verurteilte.
       Sie sei der jüngste Versuch Russlands, „oppositionelle und unabhängige
       Stimmen, die kritisch gegenüber den russischen Behörden sind, zum Schweigen
       zu bringen“, so Pompeo, der Nawalnys „sofortige und bedingungslose
       Freilassung“ forderte. Der künftige Nationale Sicherheitsberater des
       designierten US-Präsidenten Joe Biden, Jake Sullivan, forderte ebenfalls
       die Freilassung Nawalnys.
       
       Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums rief die ausländischen
       Politiker indessen dazu auf, sich nicht einzumischen.
       
       18 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nawalny-in-Moskau-festgenommen/!5744611
   DIR [2] https://twitter.com/eucopresident/status/1350880839291301888
   DIR [3] /Energiewende-und-Erdgas/!5741619
   DIR [4] /Festnahme-des-Kremlkritikers-Nawalny/!5744614
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
   DIR Russland
   DIR EU-Sanktionen
   DIR Nord Stream 2
   DIR Opposition
   DIR EU
   DIR Ungarn
   DIR Alexei Nawalny
   DIR Russland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR EU und Russland: Rätselraten in Brüssel
       
       Das Urteil gegen Kremlkritiker Nawalny setzt die EU unter Handlungsdruck.
       Der Ruf nach neuen Sanktionen gegenüber Moskau wird lauter.
       
   DIR Autor Paul Lendvai über „Orbáns Ungarn“: „Orbán möchte Verbündete haben“
       
       Der österreichische Journalist Paul Lendvai spricht über „Orbáns Ungarn“.
       Medien, Wissenschaft und Kultur werden zunehmend vom Premier kontrolliert.
       
   DIR Repression in Russland: Überall Agenten
       
       Kurz vor Jahresende hat die Duma ein paar schärfere Gesetze
       durchgepeitscht. So will sie im Wahljahr die Opposition unter Kontrolle
       bekommen.
       
   DIR Festnahme des Kremlkritikers Nawalny: Drehbuch des Geheimdienstes
       
       Die Festnahme Alexei Nawalnys zeigt die Angst der russischen Regierung vor
       dem Einfluss des prominenten Kritikers auf die Bevölkerung.
       
   DIR Nawalny in Moskau festgenommen: Mit Ansage
       
       Der Kremlkritiker wurde nach seiner Ankunft auf dem Moskauer Flughafen
       Scheremetjewo festgenommen. Heiko Maas fordert die sofortige Freilassung.