# taz.de -- Anhaltende Proteste in Russland: Erfolgreich – und doch enttäuschend
> Trotz himmelschreiender Ungerechtigkeit gehen gerade einmal ein paar
> Tausend Menschen landesweit auf die Straße. Das reicht nicht.
IMG Bild: Polizisten blockieren Demonstranten den Weg bei einem Protest gegen die Inhaftierung Nawalnys
Eigentlich war der Sonntag für [1][die russische Opposition ein Erfolg].
Aus der Haft heraus hatte Alexei Nawalny von Wladiwostok bis Moskau
landesweit Demonstrationen gegen Wladimir Putin organisiert. [2][War
Nawalny] noch vor dem Mordanschlag auf ihn eine von mehreren Figuren der
russischen Opposition, ist er, der zu Beginn seiner politischen Karriere
auch mal mit rechtsradikalen Ideen liebäugelte, nun unumstrittene
Führungsfigur der Opposition. Das hat mehrere Gründe: seine Entscheidung,
nach Russland zurückzukehren, wurde auch von seinen Kritikern bewundert.
Mit seinem Enthüllungsvideo über Putins Palast hat er den Nerv nicht nur
der Mittelschicht, sondern auch der verarmten Schichten getroffen. Sogar
Kommunisten waren am Sonntag bei den Demos.
Und trotzdem ist der Protesttag auch eine Enttäuschung. 100 Millionen haben
Nawalnys Enthüllungsvideo angeklickt, der Oppositionsführer, der sich nach
einem Mordanschlag im Ausland hatte behandeln lassen, wird bei seiner
Rückkehr eingesperrt. Und trotz dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit
gehen gerade einmal ein paar Tausend Menschen landesweit auf die Straße.
Die Mehrheit drückt ihren [3][Ärger über das System Putin] allenfalls zu
Hause vor dem Bildschirm aus. Im September wird in Russland gewählt. Ja
und? Über Wahlen kann man in Russland nicht die Macht erlangen. Die
Machthaber werden schon dafür sorgen, dass potenziell gefährliche
KandidatInnen rechtzeitig von der Wahl ausgeschlossen werden.
Gerade in jüngster Zeit sind in Russland Oppositionelle wegen angeblicher
Verletzung der Coronaquarantäne zu Bußgeldern verurteilt worden. Nichts
Besonderes, das gibt es auch in westlichen Staaten. Doch bei den Wahlen
kandidieren darf nur, wer kein Vorstrafenregister hat. Wenn also nicht
einmal jetzt Hunderttausende auf die Straße gehen, wird das auch so schnell
nicht passieren. Und die Machthaber können sich in Ruhe an ihre nächste
Aufgabe machen: die Zahl der passiven Unterstützer der Opposition zu
verringern.
Jeder Post des Vorsitzenden der Menschenrechtsorgansation Memorial, Jan
Ratschinski, ist mit dem Hinweis versehen, dass seine Organisation in die
Liste der ausländischen Agenten eingetragen ist. Eine Organisation, die
dermaßen gedemütigt wird, kann in der russischen Gesellschaft keine große
Reichweite erlangen. Vor wenigen Tagen waren Vertreter von Facebook, Tiktok
und Telegram vorgeladen worden, weil sie Aufrufe zu Demonstrationen nicht
aus dem Netz genommen hatten. Wie lange wird es dauern, bis die Behörden
Youtube und Facebook auf den Index setzen?
31 Jan 2021
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## AUTOREN
DIR Bernhard Clasen
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