URI: 
       # taz.de -- Staatssteich in Myanmar: Putsch mit Ansage
       
       > Das Militär übernimmt die Führung in Myanmar nun vollends. Dabei ist
       > unklar, was sich die Generäle davon genau versprechen.
       
   IMG Bild: Buddhistische und militärische Fahnen zieren diesen Jubelkorso in Myanmar
       
       Berlin taz | Myanmars Militär hat Montag früh die Macht in dem
       südostasiatischen Land übernommen. De-facto-Regierungschefin Aung San Suu
       Kyi, Präsident Win Myint und in der Haupstadt Naypyidaw versammelte
       Abgeordnete der regierenden Nationalen Liga für Demokratie (NLD) wie auch
       kleinerer Parteien wurden festgenommen. In der Hafenmetropole Yangon
       umstellten Soldaten das Rathaus. Zeitweilig waren Telefonleitungen und das
       Internet gekappt. Es blieb aber friedlich.
       
       Zum Übergangspräsidenten wurde der bisherige Vizepräsident, General Myint
       Swe, ernannt. [1][Regierungschef wird der bisherige Militärchef, General
       Min Aung Hlaing,] teilte die Armee über ihren Fernsehsender mit. Die
       Generäle versprachen getreu dem von ihnen verhängten Notstand die Macht nur
       für ein Jahr zu übernehmen und dann Neuwahlen zu organisieren. Ein Termin
       wurde nicht genannt.
       
       Der Putsch hat die für den Montag geplante konstituierende Sitzung des am
       8. November gewählten Parlaments verhindert. Dies hätte das Staatsoberhaupt
       und seinen Stellvertreter wählen sollen. Der 75-jährigen
       Friedensnobelpreistägerin Aung San Suu Kyi war das PräsidentInnenamt aber
       weiter aus Verfassungsgründen verwehrt, weil sie Witwe eines Ausländers
       ist.
       
       In den vergangenen Tagen hatte das [2][Militär versucht, die
       Parlamentseröffnung zu verschieben. Grund waren Vorwürfe der Generäle über
       massive Wahlfälschungen], für die sie aber keine Beweise vorlegten. Sie
       forderten die Herausgabe der Wählerlisten, was die Wahlkommission ablehnte,
       und von Neuwahlen. Bei den Parlamentswahlen hatte die militärnahe Partei
       USDP eine krachende Niederlage erlitten und fast die Hälfte ihrer Mandate
       verloren. Aung San Suu Kyis NLD hatte dagegen einen Erdutschsieg
       eingefahren. Trotzdem wird die NLD im Parlament vom 25-Prozent-Anteil nicht
       gewählter Militärabgeordneter ausgebremst, die jede Verfassungsänderung
       verhindern können.
       
       ## Die USA drohen Konsequenzen an
       
       Das Militär war mit seinen unbewiesenen Wahlmanipulationsvorwürfen vor das
       Oberste Gericht gezogen, das sich mit Verweis auf die Verfassung aber für
       nicht zuständig erklärte. Die Wahlkommission wies dann die Vorwürfe zurück.
       Gespräche zwischen Militär und Regierung waren in den letzten Tagen
       ergebnislos geblieben. Dabei hatten ein Militärsprecher wie auch der
       mächtige General Min Aung Hlaing bereits mit einem Putsch gedroht.
       
       Am Samstag erklärte das Oberkommando jedoch, die Äußerungen der Generäle
       seien falsch dargestellt worden. Am Montag kursierte eine Erklärung, die
       angeblich von Aung San Suu Kyi stammte. Darin ruft sie die Bevölkerung auf,
       „mit ganzem Herzen gegen den Putsch der Militärs zu protestieren“.
       Gleichzeitig forderte der NLD-Sprecher Myo Nyunt zur Ruhe auf. Nach eigenen
       Worten rechnete er mit seiner baldigen Festnahme.
       
       ## Myanmars Militär ist berüchtigt
       
       Zahlreiche westliche Regierungen wie auch UN-Generalsekretär António
       Guterres verurteilten den Coup. Der US-amerikanische Präsident Joe Biden
       ließ erklären: „Die Vereinigten Staaten lehnen jeden Versuch ab, das
       Ergebnis der jüngsten Wahlen zu verändern oder den demokratischen Übergang
       in Myanmar zu behindern.“ Putschisten müssten mit Konsequenzen rechnen. Mit
       welchen, wurde in dem Text aber nicht genannt.
       
       Das Militär hat in Myanmar, dem früheren Birma, bereits 1962 und 1988
       geputscht. Die langjährige Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, Tochter
       des Nationalhelden Aung San, saß viele Jahre im Gefängnis oder Hausarrest.
       Sie galt als Ikone von Freiheit und Demokratie, hat aber in den letzten
       Jahren vor allem außerhalb des Landes viele enttäuscht. So verteidigte sie
       den Völkermord an den muslimischen Rohingya durch das Militär und trug
       selbst wenig zur Demokratisierung des Landes bei.
       
       In den Flüchtlingslagern in Bangladesch fürchten die Menschen nun erst
       recht, nicht mehr nach Myanmar zurückkehren zu können. „Wegen Myanmars
       Militär haben wir alles verloren. Wenn die Generäle jetzt wieder an der
       Macht sind, können wir nicht zurück nach Hause“, sagt Mozuna Khatu, eine
       vierfache Rohingya-Mutter, der taz. Die Frauenrechts-Aktivistin Minara hat
       den ganzen Morgen versucht ihre Verwandten in Myanmar zu erreichen. „Ich
       mache mir Sorgen um sie“, sagt sie.
       
       Ein Journalist in Yangon, der anonym bleiben will, bezeichnete der taz
       gegenüber den Putsch als einen Versuch des Armeechefs Min Aung Hlaing, noch
       mächtiger zu werden. Eigentlich müsste er im Sommer in Pension. Er habe
       eine Koalition der militärnahen USDP mit Aung San Suu Kyis NLD schmieden
       wollen, um Präsident zu werden. Doch dies vereitelte das Wahldebakel der
       USDP. In Myanmar kursieren viele Gerüchte über die Generäle.
       
       Mitarbeit: Verena Hölzl
       
       1 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bernt-Berger-zum-Putsch-in-Myanmar/!5748374
   DIR [2] /Bernt-Berger-zum-Putsch-in-Myanmar/!5748374
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Myanmar
   DIR Militärputsch
   DIR Aung San Suu Kyi
   DIR Südostasien
   DIR Schwerpunkt Myanmar
   DIR Schwerpunkt Myanmar
   DIR Schwerpunkt Myanmar
   DIR Schwerpunkt Myanmar
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Militärputsch in Myanmar: Im Namen der Stabilität
       
       Mit Trommelschlägen protestieren die Leute in Myanmar gegen das Militär.
       Oppositionelle senden per Hashtag Hilferufe ans Ausland.
       
   DIR Putsch von Myanmar im Fitnessvideo: Tanz den Militärputsch
       
       Eine Fitnesstrainerin in Myanmar macht Powerdance – und liefert damit
       unbewusst einen subversiv angehauchten Soundtrack zum jüngsten
       Militärputsch.
       
   DIR Bernt Berger zum Putsch in Myanmar: „Militär folgt seiner eigenen Verfassung“
       
       Den Leiter des Büros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Yangon
       überrascht der Militärcoup nicht. Sanktionen gegen das Land hält er für
       falsch.
       
   DIR Militärputsch in Myanmar: Vorwärts in Myanmars Vergangenheit
       
       Den neuen Machthabern geht es neben Macht um den Zugriff auf staatliche
       Ressourcen. Es ist eine Rolle rückwärts, die die Bevölkerung ausbaden muss.