URI: 
       # taz.de -- Rohingya nach Putsch in Myanmar: „Mehr Gewalt für alle“
       
       > Für die nach Bangladesch geflohenen Rohingya verringert der Putsch die
       > Chance auf eine Rückkehr. Die Regierung in Dhaka will sie loswerden.
       
   IMG Bild: Nirgendwo gewollt: Geflohene Rohingya werden im Dezember auf eine isolierte Insel gebracht
       
       Cox's Bazar taz | Für die mehr als eine Million Rohingya-Flüchtlinge in
       Bangladesch, die in den vergangenen Jahrzehnten [1][vor dem Militär aus
       ihrer Heimat Myanmar fliehen] mussten, ist der dortige [2][Militärputsch]
       vom Montagmorgen eine ganz schlechte Nachricht.
       
       In den Flüchtlingslagern sorgen sich die Menschen um ihre Verwandten in
       Myanmar. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber es wird davon ausgegangen, dass
       nach wie vor etwa eine halbe Million [3][Rohingya in Myanmar] leben. Sie
       sind im Gegensatz zur großen buddhistischen Mehrheit in Myanmar, dem
       früheren Birma, Muslime. Schon vor einigen Jahren war ihnen dort die
       Staatsangehörigkeit aberkannt worden.
       
       Minara, eine Aktivistin in den Camps, macht sich wie viele andere außerdem
       Sorgen um ihre Aussichten, je wieder nach Myanmar zurückkehren zu können.
       „Was soll aus unseren Kindern werden, wenn wir nicht zurück nach Hause
       können?“
       
       Auch die UN sind besorgt bezüglich des Schicksals der Rohingya. Im Jahr
       2017 wurde die Minderheit in einer brutalen Kampagne von der Armee Myanmars
       aus dem Land vertrieben. „Wir befürchten, dass die Ereignisse die Lage
       verschlimmern“, sagte Sprecher UN-Stephane Dujarric vor Reportern.
       
       ## Angst vor mehr Gewalt in Myanmar
       
       Der Imam Zafor Alom sagte der taz: „Ich bete für Myanmar. Mein Herz ist
       immer noch dort.“ Tut es ihm leid, dass Myanmars bisherige
       [4][De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi] von den Militärs
       festgenommen wurde? „Ich bin in Myanmar geboren. Ich muss wohl auch für sie
       beten“, sagt er mit einem müden Lächeln.
       
       Die Friedensnobelpreisträgerin wurde von der internationalen Gemeinschaft
       dafür gegeißelt, dass sie zu dem Unrecht der genozidartigen [5][Vertreibung
       der Rohingya geschwiegen] hat. Im Jahr 2019 reiste sie sogar eigens nach
       Den Haag, um das Militär ihres Landes gegen Völkermordvorwürfe zu
       verteidigen. Große Sympathie erfuhr die vom Militär abgesetzte Staatsrätin
       deshalb in den Flüchtlingslagern im Südosten von Bangladesch nicht.
       
       „Gott sei Dank“, prustete Mozuna Khatu, eine vierfache Mutter, als sie
       erfuhr, dass Aung San Suu Kyi festgenommen worden war. Doch dann verstand
       sie, dass nun an ihrer Stelle das verhasste Militär an der Macht ist. „Wie
       sollen wir jemals wieder in unsere Heimat zurückkehren können?“, fragt sie.
       
       „Es wird mehr Gewalt für alle in Myanmar geben, ganz egal, welcher Religion
       sie angehören“, sagt ein Rohingya, der in einem Behelfscafé im Lager sitzt.
       Seinen Namen will er nicht preisgeben aus Angst vor dem Militär, falls er
       doch noch eines Tages zurückkehren kann.
       
       ## Gespaltene Meinungen unter Rohingya
       
       Darüber hinaus gab es unter den Rohingya auch Solidaritätsbekundungen. Der
       Dichter Mayyu Ali rief zu „Einheit“ im gemeinsamen Kampf gegen das Militär
       auf. Die Bangladesh Rohingya Student Union verurteilte den Coup auf ihrer
       Facebookseite und schrieb: „Freiheit für Suu Kyi und Freiheit für die
       Demokratie.“
       
       Darüber hinaus gibt es auch überraschende Meinungen. Mohib Ullah,
       Vorsitzender der Arakan Rohingya Society for Peace and Human Rights
       (ARSPH) denkt, dass der Putsch etwas Gutes für die Rohingya bedeuten
       könnte. „Wir sind gegen den Coup und für Demokratie. Aber andererseits sind
       sowohl die bisherige Regierung als auch das Militär in Myanmar Feinde der
       Rohingya“, sagte er. „Jetzt kann das Militär wenigstens einfacher
       Entscheidungen treffen, die gut für uns sind. Als Aung San Suu Kyi an der
       Macht war, musste sie sich mit zu vielen Leuten absprechen.“
       
       Das bangladeschische Außenministerium sagte in einer Mitteilung, dass die
       Regierung weiterhin davon ausgehe, dass Myanmar sich an seine
       Vereinbarungen zur Rücknahme der Rohingya hält. Die Vereinbarung ist schon
       seit inzwischen fast vier Jahren nicht umgesetzt worden.
       
       Die Regierung in Dhaka scheint sich im Moment vor allem daran erinnern zu
       wollen, dass auch in den 80er und 90er Jahren unter dem damaligen
       Militärregime in Myanmar Rohingya-Flüchtlinge zurückgeführt wurden. „Wir
       erwarten, dass die Rückführungsbemühungen fortgeführt werden.“ An
       Bangladeschs Grenze mit Myanmar wurden Medienberichten zufolge die
       Sicherheitsvorkehrungen verstärkt.
       
       4 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Vertreibung-der-Rohingya-aus-Myanmar/!5713397
   DIR [2] /Aung-San-Suu-Kyi-festgesetzt/!5748331
   DIR [3] /Voelkermordverfahren-gegen-Myanmar/!5653676
   DIR [4] /Gambia-verklagt-Myanmar/!5648223
   DIR [5] /Schlag-fuer-Pressefreiheit-in-Myanmar/!5535598
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Verena Hölzl
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Myanmar
   DIR Bangladesch
   DIR Rohingya
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR Bangladesch
   DIR Schwerpunkt Myanmar
   DIR Schwerpunkt Myanmar
   DIR Schwerpunkt Myanmar
   DIR Schwerpunkt Myanmar
   DIR Putsch
   DIR Rohingya
   DIR Militär
   DIR Schwerpunkt Myanmar
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sexualisierte Gewalt in Konflikten: Verschwiegenes Leid
       
       Ein Rohingya wird von Soldaten vergewaltigt, ein Syrer im Gefängnis sexuell
       misshandelt. Mit den traumatischen Erfahrungen werden sie allein gelassen.
       
   DIR Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar: Rohingya-Sprecher ermordet
       
       Mohib Ullah war der einflussreichste Vertreter der Rohingya-Flüchtlinge in
       Bangladesch und wurde von mutmaßlichen militanten Islamisten bedroht.
       
   DIR Vorwurf Wahlbetrug in Myanmar: Alte Tricks reloaded
       
       Das Militär biegt sich nach dem Putsch die Verfassung zurecht. Damit
       schafft es einen Vorwand, um Aung San Suu Kyi zu stürzen und von Wahlen
       auszuschließen.
       
   DIR Kampagne des zivilen Ungehorsams: Myanmar probt den Generalstreik
       
       Die Proteste gegen die Machtübernahme des Militärs bekommen noch mehr
       Zulauf. Erstmals drohen die Generäle jedoch mit Konsequenzen.
       
   DIR Nach Militärputsch im Myanmar: Kein Bier für Putschisten
       
       Der japanische Braukonzern Kirin stoppt die Zusammenarbeit mit Myanmar.
       Menschenrechtler kritisieren die lukrativen Geschäfte schon lange.
       
   DIR Nach dem Militärputsch in Myanmar: Tausende gehen auf die Straße
       
       Am Samstag fanden in Myanmar die bisher größten Proteste gegen den Putsch
       statt. Erneut legten die Behörden das gesamte Internet im Land lahm.
       
   DIR Nach Militärputsch in Myanmar: Militär lässt Facebook sperren
       
       Der Protest gegen den Putsch findet in Myanmar vor allem in sozialen Medien
       statt. Die Nutzer:innen suchen sich neue Wege.
       
   DIR Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar: Angst vor Umsiedlung auf Insel
       
       Bangladesch hat die ersten Rohingya-Flüchtlinge auf eine flutgefährdete
       Insel umgesiedelt. Nun geht in den Flüchtlingscamps die Angst um.
       
   DIR Vertreibung der Rohingya aus Myanmar: „Schieß auf alles, was du siehst“
       
       Zwei Soldaten aus Myanmar berichten von Befehlen ihrer Vorgesetzten. 2017
       sollten sie Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya töten.
       
   DIR Muslimische Volksgruppe in Myanmar: Rohingya kämpfen für Wahlrecht
       
       Vertriebene Rohingya harren seit Jahren in Lagern in Bangladesch aus. Von
       dort aus wollen sie bei der kommenden Parlamentswahl abstimmen.