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       # taz.de -- Namensstreit um Planetarium in Halle: Als Kosmonaut kein Idol mehr?
       
       > Sigmund Jähn war der erste Deutsche im All – und treuer SED-Mann. Halle
       > streitet darüber, ob man trotzdem ein Planetarium nach ihm benennen soll.
       
   IMG Bild: Ein geeigneter Namensgeber? Sigmund Jähn, Genosse und Held der Raumfahrt
       
       Dresden taz | Der Name des „Fliegerkosmonauten“ und ersten Deutschen im
       All, Sigmund Jähn, ist der Stadt Halle keine ehrende Erwähnung mehr wert.
       Der Ersatzbau für das hochwassergeschädigte städtische Planetarium in einem
       ehemaligen Gasometer soll seinen Namenszusatz nicht mehr tragen. Nach einem
       bizarren Streit empfahl am Mittwochabend der Kulturausschuss des Stadtrates
       mehrheitlich die schlichte Bezeichnung „Planetarium Halle (Saale)“.
       
       Mit 7:2 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgte Stadtrat damit einem
       Kompromissvorschlag der Grünen, auf jegliche Namenszusätze zu verzichten.
       Am 24. Februar muss das Plenum des Stadtrates endgültig entscheiden.
       
       Noch vor einem Jahr schien die Beibehaltung des Namens Jähn unumstritten,
       möglicherweise auch unter dem Eindruck seines [1][Todes im September 2019].
       Sigmund Jähns Raumflug von 1978 machte den Kosmonauten in der DDR populär –
       ungeachtet der politischen Aufladung der Raumfahrt damals.
       
       Die umgängliche, volksverbundene Art des Vogtländers mochte dazu
       beigetragen haben, entsprechender Inszenierungen der SED-Machthaber hätte
       es kaum bedurft. Mit dem ersten westdeutschen Astronauten Ulf Merbold
       verband ihn eine lebenslange Freundschaft. Jähn wurde nach 1990 Berater der
       europäischen Raumfahrtagentur ESA.
       
       ## Treuer SED-Genosse und IM
       
       Gleichwohl war der leidenschaftliche Militärflieger [2][ein treuer
       SED-Genosse], wurde 1986 zum Generalmajor ernannt und von der
       Staatssicherheit sogar als Inoffizieller Mitarbeiter geführt. Ob mit oder
       ohne sein Wissen, bleibt wie in vielen ähnlichen Fällen ungeklärt. Sigmund
       Jähn hat seine Rolle in der DDR nie beschönigt und sich nicht nachträglich
       zum Widerstandskämpfer erklärt.
       
       Gegen eine fortgesetzte Namensträgerschaft des im Jahr der Raumfahrt
       eröffneten Planetariums aber machte plötzlich eine Partei mobil, die zum
       Zeitpunkt der deutschen Einheit im Osten noch zu 90 Prozent aus Mitgliedern
       der Blockpartei CDU bestand, den christlich angehauchten Vasallen der SED
       also. CDU-Stadträtin Ulrike Wünscher hält Jähn für einen „herausgehobenen
       Repräsentanten des DDR-Staates“ und für „systemkonform“.
       
       Die Debatte sage auch nach 30 Jahren viel über den undifferenzierten Umgang
       mit der DDR-Zeit, meinte im Kulturausschuss hingegen Katja Müller von der
       Linken, zugleich Stadtratsvorsitzende. „Entweder hui oder pfui – eure
       Vorbilder waren Mist“, beklagte sie westdeutsches Schubladendenken.
       
       Nach nicht repräsentativen Umfragen der Mitteldeutschen Zeitung und des MDR
       plädieren mehr als 80 Prozent der Befragten für eine Beibehaltung des
       Namens Jähn. Dies solle der Stadtrat in der bevorstehenden Entscheidung
       berücksichtigen, appellierte vor allem die SPD.
       
       4 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Bartsch
       
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