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       # taz.de -- KSK-Soldat vor Gericht: Waffen, Hitlerbilder, Hetzschriften
       
       > In Leipzig beginnt der Prozess gegen den KSK-Soldaten Philipp Sch. Der
       > hatte Munition, Sprengkörper und eine Kalaschnikow im Garten vergraben.
       
   IMG Bild: Der Angeklagte steht in einem Saal des Landgerichts in Leipzig
       
       Leipzig taz | Als Philipp Sch. den großen Saal am Leipziger Landgericht am
       Freitagmorgen betritt, hält er seinen Kopf leicht gesenkt. Fast demütig
       wirkt der Angeklagte.
       
       Der [1][Bundeswehrsoldat Sch.] soll auf seinem Grundstück im sächsischen
       Collm insgesamt 7.000 Patronen unterschiedlichster Art, zwei Kilogramm
       PETN-Sprengstoff, Irritationskörper, Übungs-Handgranaten und ein
       Kalaschnikow-Sturmgewehr vom Typ AK-47 vergraben haben. Dazu:
       antisemitische Postkarten, Hitler-Bilder, einschlägige Publikationen der
       rechtsextremen Szene.
       
       Nun muss sich Sch. vor Gericht behaupten – für die Waffen und die
       Munitionsfunde, vieles davon stammte aus Bundeswehrbeständen. Die
       Anklageschrift des Staatsanwaltes Ron Franke von der
       Generalstaatsanwaltschaft Dresden ist eindeutig: Philip Sch. soll sich an
       Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das
       Sprengstoffgesetz schuldig gemacht haben. Was hatte er damit vor?
       
       Philipp Sch., 45 Jahre alt, im grauen Wollpulli über dem hellblauen Hemd,
       rasierter Kopf und Jeans, blättert vor Verhandlungsbeginn den Prozessordner
       durch. Als wolle er sich noch einmal seiner Aussage versichern. Er trägt
       einen Verlobungsring. Seine Verlobte ist ebenso wie seine Eltern zum
       Prozess gekommen, hält ihn schützend von der Presse fern, als er den Saal
       betritt.
       
       ## Was hatte der Soldat mit der Kalaschnikow vor?
       
       Philipp Sch. möchte erklären, [2][wieso er Waffen und Munition bei sich
       versteckt hatte]. In einer zuvor getippten Einlassung erklärt er sinngemäß:
       Er klaute Munition und Sprengsätze, damit er Mängel der
       Bundeswehrausbildung privat ausgleichen könne.
       
       Bei der Bundeswehr habe es immer wieder Engpässe gegeben, sagt Sch. aus.
       Oft seien zu wenige Waffen, Fahrzeuge und anderes Material verfügbar oder
       verschlissen. Er habe die ihm anvertrauten Soldaten bestmöglich ausbilden
       wollen.
       
       Er, der Oberstabsfeldwebel und Ausbilder des [3][Kommando Spezialkräfte
       (KSK)], einer Eliteeinheit der Bundeswehr, habe sich keine Gedanken über
       mögliche Konsequenzen gemacht. Waffen und Munition müssten normalerweise
       immer bestimmungsgemäß abgegeben werden, dies habe jedoch „aus Zeitgründen“
       oftmals nicht stattgefunden. Vergraben habe er die Gegenstände 2017, als in
       seinem Umfeld plötzlich ermittelt wurde.
       
       ## Im Erdloch: Waffen, Hetzschriften, Nazi-Devotionalien
       
       Die Einlassung des Beschuldigten ist widersprüchlich. Mal will er die
       Materialien für Übungen gehortet haben, dann spricht er davon, dass sie
       „ungefährlich“ seien, also gar nicht nutzbar. Mehr noch: Die Ermittlungen
       haben ergeben, dass sowohl die Sprengsätze, als auch die Munition ohne
       Probleme einsetzbar gewesen waren. Der erfahrene Soldat, der vier Mal in
       Afghanistan war und zahlreiche Urkunden erhielt, hätte dies wissen müssen.
       
       Und: Eine Kalaschnikow, wie sie bei Sch. gefunden wurde, wird von der
       Bundeswehr gar nicht verwendet. Sch. muss sie sich woanders besorgt haben.
       Möglich ist, dass er sie bei einem seiner Auslandseinsätze aus Afghanistan
       mitgenommen hat. Wofür Sch. sie hatte? Sie sollte als Dekowaffe dienen,
       sagt er.
       
       2017 gerieten mehrere KSK-Soldaten in Folge einer Abschiedsfeier in den
       Blick der Sicherheitsbehörden. Bei der Party sollen Rechtsrock gespielt und
       Hitlergrüße gezeigt worden sein. Auch Philipp Sch. war bei dieser Feier
       anwesend. Eine Zeugin sagte später aus, er habe einen Hitlergruß gezeigt.
       Sie nannte ihn den „Nazi-Opa“.
       
       Der Bundeswehrgeheimdienst MAD beobachtete Sch. deshalb fortan, fand aber
       nichts, was eine Entlassung möglich gemacht hätte. Aus einem internen
       Papier des Bundesverteidigungministeriums an die
       Verteidigungspolitiker:innen des Bundestages geht hervor, dass der
       MAD Anfang 2020 Hinweise bekommen haben soll: Philipp Sch. versteckt bei
       sich Zuhause Waffen.
       
       ## Hitlergruß auf der KSK-Feier
       
       Obwohl es vordergründig um die versteckten Waffen geht, fragen das Gericht
       und die Staatsanwaltschaft nach möglichen Kontakten des Angeklagte in die
       rechtsextreme Szene. Hinweise auf eine Vernetzung hatte sein Telefon
       ergeben: Ermitler:innen fanden Telefonnummern von Männern aus
       Mecklenburg-Vorpommern aus dem Umfeld der rechtsextremen Nordkreuz-Prepper.
       
       Den einen, ein Wasserschutzpolizist gegen den derzeit ebenfalls
       Ermittlungen wegen Waffenverstößen laufen, fügte Philipp Sch. in eine
       Geburtstagsgruppe hinzu. Der andere ist Ex-Nordkreuz-Mitglied Frank T.,
       Betreiber eines Schießplatzes und Waffenhändler. Jüngst war der
       Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier, [4][zurückgetreten],
       weil er eine [5][Waffe bei Frank T. gekauft hatte].
       
       Bei den Durchsuchungen fanden die Ermittler:innen im Schlafzimmer des
       Beschuldigten eine Kiste voll Devotionalien. Darin: Antisemitische
       Postkarten, die etwa Abbildungen Adolf Hitlers oder Hakenkreuzflaggen
       zeigen, oder einen Davidstern gepaart mit Hammer und Sichel-Symbol als
       „Bolschewismus ohne Maske“ bezeichnen.
       
       Zudem: mehrere Ausgaben rechtsextremer Zeitschriften wie „Der Freiwillige“
       und „Unabhängige Nachrichten“. Erstere entstammt einer Vereinigung
       ehemaliger SS-Soldaten, über letztere schrieb der nordrhein-westfälische
       Verfassungsschutz 2007, sie befasse sich mit „Artikeln, die die
       Kriegsschuld Deutschlands leugnen“.
       
       ## „Ganz normales Haus“
       
       Außerdem fanden die Ermittler:innen eine Box mit Kassetten und CDs
       rechtsextremer Bands, darunter die verbotene Band Landser sowie „Der 3.
       Weltkrieg.“ Die Kassetten nahmen die Ermittler:innen jedoch gar nicht
       erst mit. Es hätte niemand mehr ein Abspielgerät, sagte ein Beamter des
       Staatsschutzes.
       
       Umso überraschender das Urteil des Ermittlers, der für die Sonderkommission
       Rechtsextremismus arbeitet: auf ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild
       des Angeklagten legt er sich nicht fest. „Wir haben regelmäßig
       Durchsuchungen bei Rechtsextremen. Da kommt man sofort rein und sieht, da
       wohnt ein Rechter, weil man Devotionalien sofort sieht.“ Das sei bei dem
       Angeklagten nicht so gewesen.
       
       Stattdessen, so nennt er es, ein „ganz normales Haus“. „Natürlich haben wir
       die rechten Gegenstände gefunden, aber die waren eben in Schränken.“ Auch
       auf die Frage nach den bei Sch. gefundenen Thor Steinar-Kleidungsstücken,
       einer rechtsextremen Kleidungsmarke, antwortete der Staatschutzbeamte nur
       vage.
       
       Rechtsanwältin Annette Clement-Sternberger, eine der Verteidigerinnen,
       sagte der taz: „Herr Sch. hat für die Demokratie gekämpft, so pathetisch
       das auch klingt.“ Auch den Hitlergruß auf der Feier habe es nicht gegeben.
       „Es handelt sich hier nicht um einen Rechtsextremisten oder Terroristen,
       sondern um einen Soldaten, der viel hinter sich hat“, so die Anwältin.
       
       ## Es tue ihm leid, sagt Sch. unter Tränen
       
       In der Vergangenheit hatte Clement-Sternberger bereits einen Rechtsextremen
       der Freien Kameradschaft Dresden sowie den Leipziger Internetkonzern
       Unister, an dem ebenfalls Rechtsextreme beteiligt gewesen sein sollen, vor
       Gericht vertreten. Sie betonte jedoch, „keine Szeneanwältin“ zu sein.
       
       Der Angeklagte Philipp Sch. wollte das Bild eines Soldaten, der nur das
       Beste für seine Auszubildenen wolle, darstellen – entsprechend verhielt er
       sich vor Gericht. Das Verlesen seiner Aussage musste er kurz vor Schluss
       unterbrechen.
       
       Als er sich „aus tiefstem Herzen“ entschuldigt, kommen ihm die Tränen.
       Seine Verlobte reicht ihm eine Wasserflasche, bevor er wieder zum Sprechen
       ansetzt. Er dankt allen, die zu ihm stehen und beteuert: „Ich habe aus
       meinen Fehlern gelernt.“
       
       Hinweis: In einer vorherigen Version des Textes stand, die Ex-Frau des
       Angeklagten habe Hinweise auf weitere Waffenverstecke gegeben. Das ist
       nicht richtig. Diese Hinweise kamen laut dem aussagenden LKA-Beamten vom
       Sohn des Angeklagten. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um
       Entschuldigung.
       
       22 Jan 2021
       
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