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       # taz.de -- Tod des Models Kasia Lenhardt: Jedes Detail ein Text
       
       > Das Model Kasia Lenhardt ist gestorben. Der Umgang mit ihr sagt viel über
       > frauenfeindliche Narrative in Boulevard- und sozialen Medien.
       
   IMG Bild: Kasia Lenhardt in einem Einkaufszentrum
       
       Kasia Lenhardt, Model und ehemalige Teilnehmerin der Castingshow „Germany’s
       Next Topmodel“, ist am Dienstag im Alter von 25 verstorben. Ihr Management
       [1][bestätigte den Todesfall]. Die Berliner Polizei hatte zuvor mitgeteilt,
       dass sie einen Einsatz „wegen des Verdachts eines Suizids“ hatten. Eine
       leblose Person wurde aufgefunden, Hinweise auf ein Fremdverschulden soll es
       nicht geben. Mehr Fakten zu Lenhardts Tod gibt es momentan nicht.
       
       In der Regel berichtet die taz nicht über (mutmaßliche) Suizide, auch dann
       nicht, wenn es sich um Prominente handelt. Wir tun das aus Respekt vor den
       Angehörigen, aber auch um den Werther-Effekt zu verhindern. Dieser
       beschreibt den Umstand, dass nach Medienberichten über Suizide die
       Suizidrate in der Bevölkerung ansteigt. Hinzu kommt, dass wir nicht zu
       Spekulationen beitragen wollen.
       
       Dass an dieser Stelle nun trotzdem über Lenhardt geschrieben wird, liegt an
       dem, was vor ihrem Tod geschehen ist. Nachdem Lenhardt 2012 im Finale von
       GNTM stand, wurde es medial erst einmal ruhig um das Model. In den
       vergangenen Wochen wurde wieder verstärkt über sie berichtet, Grund dafür
       war ihre Beziehung mit dem FC-Bayern-Spieler Jérôme Boateng.
       
       Anfang Februar veröffentlichten die beiden auf ihren jeweiligen
       Instagram-Accounts, dass ihre Beziehung nach 15 Monaten beendet sei. Der
       Profifußballer Boateng [2][wandte sich daraufhin an die Bild-Zeitung], um
       die Geschichte aus seiner Sicht zu erzählen. In einem Interview erhebt er
       schwere Vorwürfe: „Kasia wurde meine Freundin, indem sie die Beziehung zu
       meiner Ex-Freundin Rebecca und meiner Familie zerstörte und mich
       erpresste.“
       
       ## Das Narrativ der „Familienzerstörerin“
       
       Von dieser Aussage ausgelöst verbreitete sich das Narrativ, Lenhardt sei
       die „Familienzerstörerin“: Sie soll nicht nur schuld am Ende der Beziehung
       zwischen Boateng und seiner vorherigen Freundin gewesen sein, sondern auch
       das Leben der Ex-Freundin zerstört und Boatengs Karriere mit Lügen
       sabotiert haben. Alles für „den Fame“.
       
       Unabhängig davon, dass die Öffentlichkeit nicht weiß, was zwischen den
       beiden passiert ist, ist das Narrativ der „Familienzerstörerin“ ein
       frauenfeindliches. Eines, das oft auftaucht, wenn ein prominenter Mann eine
       Affäre mit einer Frau eingeht. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist
       Monica Lewinsky. Nach ihrer Affäre mit Bill Clinton [3][musste sie sich
       jahrelangen Hass und Hohn gefallen lassen], passenderweise hat sich für
       die Geschehnisse vor über 20 Jahren der Name der „Monica-Lewinsky-Affäre“
       durchgesetzt.
       
       ## Hassnachrichten, Drohungen, Beschuldigungen
       
       Vergleichbares ist auch Lenhardt vor ihrem Tod passiert: In sozialen Medien
       wurde ihr Account mit öffentlich lesbaren Hassnachrichten, Beschuldigungen
       und Drohungen geflutet. Vieles davon von Boateng-Fans, die den Fußballprofi
       verteidigen wollten.
       
       Angeheizt wurde das Cybermobbing durch täglich erscheinende Texte in der
       Bild und anderen Boulevardmedien, die jedes Detail der „Schlammschlacht“
       veröffentlichten. Dazu gehören angebliche private Sprachnachrichten von
       Lenhardt an Boatengs vorherige Ex-Freundin, ein Interview mit ebendieser
       oder eine ehemalige Freundin Lenhardts, die „auspackte“. Jedes Detail über
       den Streit und Lenhardt selbst, wie ihre Tätowierungen, ihr Auftritt bei
       Instagram oder ihr Aussehen, war den Boulevardmedien einen Text wert.
       
       ## 20 Texte des Portals Promiflash in zwei Tagen
       
       Auch nach Lenhardts Tod hört das nicht auf. Das Portal Promiflash hat in
       den vergangenen zwei Tagen knapp 20 Texte zu Lenhardt veröffentlicht, im
       Netz gehen die Spekulationen weiter, ebenso das Victimblaming. Doch es
       melden sich auch viele Instagram-Nutzer:innen und Prominente zu Wort, die
       den Angehörigen ihr Beileid aussprechen und den Umgang mit Lenhardt
       kritisieren. Eine von ihnen ist die Influencerin Cathy Hummels, die ihre
       eigenen negativen Erfahrungen als „Spielerfrau“ thematisiert.
       
       Welche Rolle das Mobbing und die Berichterstattung für den Tod Lenhardts
       gespielt haben, lässt sich nicht feststellen.
       
       Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie
       können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/111 0 111
       oder 08 00/111 0 222) oder [4][www.telefonseelsorge.de] besuchen.
       
       11 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.instagram.com/p/CLG_QwcngEk/
   DIR [2] https://www.bild.de/bild-plus/sport/fussball/fussball/fc-bayern-boateng-rechnet-mit-seiner-ex-ab-sie-wollte-mich-zerstoeren-75179684,view=conversionToLogin.bild.html
   DIR [3] /20-Jahre-Lewinsky-Affaere/!5479018
   DIR [4] http://www.telefonseelsorge.de
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Carolina Schwarz
       
       ## TAGS
       
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