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       # taz.de -- Vielfalt in deutschen Medien: Die beste Nachricht
       
       > 185 Schauspieler*innen outen sich als homo-, trans- oder bisexuell,
       > queer oder nicht-binär. Diese Meldung übertönt autoritäre Sehnsüchte
       > anderer.
       
   IMG Bild: 185 Schauspieler*innen sind schon da: Die Titelseite des SZ-Magazins vom 5. Februar 2021
       
       Beim Zeitung lesen habe ich in den letzten Tagen einmal sehr schlechte und
       einmal sehr gute Laune bekommen. Fangen wir mit der schlechten an. Viele
       Leitartikler fragen sich gerade, wer eigentlich [1][Schuld ist am
       „Impfdesaster“]. Daran, dass mittlerweile halb Israel geimpft ist, die
       Senioren hierzulande aber immer noch in der Telefonhotline hängen.
       
       Der Chefredakteur der Magdeburger Volksstimme scheint zu wissen, wie sich
       das lösen ließe: „In der Krise müssen Führer auch disruptiv vorgehen, sich
       selbst ermächtigen, andere überfahren, Dinge riskieren“, [2][schrieb Alois
       Kösters am Donnerstag in der Volksstimme]. Das Personal dafür stehe „leider
       nicht zur Verfügung“.
       
       Führer, die sich selbst ermächtigen? Das hatten wir doch schon. Ruft da der
       Chefredakteur nach der guten, alten, braunen Zeit? Oder will er behaupten,
       dass die Putins und Bolsonaros dieser Welt Corona mit Leichtigkeit besiegt
       haben?
       
       [3][In Sachsen-Anhalt, wo die AfD bei der letzten Landtagswahl knapp 25
       Prozent] geholt hat, ist es wahrscheinlich nicht überraschend, dass die
       Lokalzeitung nicht gerade am linken Rand steht. Trotzdem hat es mich bei
       „Führer, die sich selbst ermächtigen“ geschüttelt. Wer so etwas schreibt,
       der scheint von demokratischen Prinzipien nicht viel zu halten. Von freier
       Presse offenbar auch nicht, denn die gäbe es unter einem starken Führer
       nicht.
       
       ## Vielfalt wird selbstverständlicher
       
       Was es unter so einem auch nicht gäbe, sind die 185 Schauspieler*innen, die
       sich im SZ-Magazin als homo-, trans- oder bisexuell, queer oder nicht-binär
       outen. Die schiere Masse der Film- und Theaterschaffenden, die sich in dem
       Magazin zeigen, ist beeindruckend.
       
       Noch berührender und schillernder ist aber, was sechs von ihnen im
       Interview erzählen, über ihr Leben als Menschen, die nicht der
       gesellschaftlichen Norm zu entsprechen scheinen. Die ihre Partner*innen
       nicht mit auf den roten Teppich nehmen, aus Angst, ihre Homosexualität
       könnte ihnen Nachteile bringen. Denen geraten wird, keine Holzfällerhemden
       zu tragen, weil das zu „lesbisch“ sei. Die als Männer keine Zärtlichkeit
       spielen dürfen, weil Männer in diesem Land hart und souverän zu sein haben.
       
       Dass das deutsche Fernsehen es nicht schafft, gesellschaftliche Vielfalt so
       abzubilden wie sie längst Normalität ist, ist arm. Für die
       Schauspieler*innen ist es verletzend, für queere Zuschauer*innen
       entmutigend, für alle anderen außerdem langweilig, wenn immer die gleiche
       weiße heteronormative Familie in ihrer Manufactum-Küche gezeigt wird.
       
       Andererseits macht mir dieses Interview Hoffnung. Vor zehn Jahren wäre es
       noch nicht erschienen. Jetzt erscheint es in einem der größten Magazine
       dieses Landes. Das zeigt, dass hier etwas in Bewegung ist. Dass Vielfalt
       selbstverständlicher wird. Dass die, die nach einem sich selbst
       ermächtigendem Führer rufen, langsam übertönt werden von denen, die eine
       pluralistische Gesellschaft fordern und längst leben. Das ist die beste
       Nachricht dieser Tage.
       
       7 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Probleme-beim-Impfstart-in-Europa/!5743899
   DIR [2] https://twitter.com/ENGERT/status/1357234892220866560?s=20
   DIR [3] /CDU-und-AfD-in-Sachsen-Anhalt/!5676892
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Fromm
       
       ## TAGS
       
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