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       # taz.de -- Kriminalität und Gewalt in Mexiko: Im Paradies riecht es nach Blut
       
       > Journalistin Lydia Cacho deckte ein Netzwerk für Kinderprostitution auf.
       > Die Verantwortlichen sitzen hinter Gittern, Cacho bangt dennoch um ihr
       > Leben.
       
   IMG Bild: Marion Marín, ehemaliger Gouverneur im mexikanischen Bundesstaat Puebla wurde festgenommen
       
       Jetzt seien sie wieder zusammen, nur eben unter etwas anderen Umständen,
       freute sich die Autorin Lydia Cacho jüngst auf Twitter. „Keine Partys, kein
       Luxus“, schrieb sie, und auch keine Mädchen mehr, die zum Opfer der
       Pädophilen werden könnten. Darauf müssen Mario Marín und Jean Succar Kuri
       in der Tat verzichten.
       
       Der Unternehmer Kuri sitzt bereits hinter Gittern, weil er mit der
       sexualisierten Ausbeutung von Kindern sein Geld verdiente. Anfang Februar
       wurde nun auch sein Helfer Marín, ehemals Gouverneur des mexikanischen
       Bundesstaates Puebla, verhaftet.
       
       Die Journalistin Cacho hat allen Grund, die Verhaftung ganz besonders zu
       feiern. Sie hatte aufgedeckt, dass der Hotelunternehmer Kuri und der
       Textilfabrikant Kamel Nacif mit Unterstützung des Gouverneurs Marín im
       Karibikort Cancún ein Netzwerk für Kinderprostitution und Kinderpornografie
       betrieben. In ihrem 2004 veröffentlichten Buch „Die Dämonen von Eden“ lässt
       die Autorin viele Mädchen zu Wort kommen, die über ihre brutalen
       Erfahrungen berichten.
       
       Unter den mutmaßlichen Kunden befanden sich auch hochrangige Politiker. Auf
       [1][Anweisung Maríns verhafteten Polizisten die Feministin], die auch ein
       Frauenhaus unterhielt, ein Jahr später und verschleppten sie von der
       Halbinsel Yucatán in das 1.500 Kilometer entfernte Puebla.
       
       ## Terror und Morddrohungen
       
       Dort wurde Cacho ins Gefängnis gesteckt und gefoltert. Nur durch
       öffentlichen Druck konnte sie den Knast schnell wieder verlassen. Kurz
       darauf veröffentlichte die Tageszeitung La Jornada ein abgehörtes
       Telefonat, das die kriminelle und sexistische Energie von Kuri und Marín
       auf den Punkt brachte.
       
       Kuri bedankte sich in den Gespräch bei seinem „kostbaren Gouverneur“ Marín
       für seinen „heldenhaften“ Einsatz. Der Landeschef gab den Dank zurück: „Du
       bist der Held des Filmes“, sagte er, „gestern habe ich der alten Drecksau
       eine Kopfnuss gegeben.“
       
       Kuri wurde 2006 verhaftet und sitzt wahrscheinlich bis zu seinem Lebensende
       im Gefängnis. Es mussten jedoch 14 Jahre vergehen, bis 2019 Haftbefehl
       gegen Marín, Nacif sowie den damaligen Polizeichef von Puebla erlassen
       wurde. Die Initiative ging vom damals neuen Präsidenten [2][Andrés Manuel
       López Obrador] aus, der sich auch bei Cacho entschuldigte. Doch das konnte
       den Terror nicht eindämmen.
       
       Schon zuvor hatte die Journalistin Morddrohungen erhalten, und ihr 2011
       erschienenes Buch über Menschenhandel sorgte auch nicht gerade für Ruhe.
       Nach den Haftbefehlen gegen Marín und andere drangen Unbekannte in ihr Haus
       ein, töteten ihre Hunde und stahlen Rechercheunterlagen. Die heute
       57-jährige Autorin flüchtete und lebt derzeit in Madrid.
       
       ## Femizide und Kriminalität gehören zum Alltag
       
       Schon nach dem Einbruch vor zwei Jahren war klar, dass das mörderische
       Netzwerk weiterexistiert. In einem Land, [3][in dem Frauenmorde zum Alltag]
       gehören und korrupte [4][kriminelle Strukturen tief in die Gesellschaft]
       eingeschrieben sind, kann auch ein vorsichtiger Verfolgungswillen von Oben
       nur Signale setzen.
       
       Wie ernst man den Kampf gegen patriarchale Gewalt wirklich nimmt, hat López
       Obradors Partei Morena zudem jüngst gezeigt. Im Bundesstaat Guerrero wird
       Morena einen Gouverneurskandidaten aufstellen, dem hundert Frauen –
       darunter Senatorinnen und Abgeordnete der Partei – Vergewaltigung und
       sexuelle Nötigung vorwerfen.
       
       Doch auch das „Paradies, das nach Blut riecht“, wie die Feministin Ariadne
       Song Anguas ihre Heimat Yucatán nennt, kommt nicht zur Ruhe. Letzte Woche
       informierte die Tageszeitung Milenio über eine kriminelle Struktur in der
       Region. Politiker aller Parteien sowie Staatsanwälte sollen eine
       Mafia-Organisation geschützt haben, die sich der Zwangsprostitution und
       anderer krimineller Geschäfte widmet.
       
       Ein Grund mehr für Cacho, nicht in ihr karibisches Zuhause zurückzukehren.
       Dabei hätte sie die Nachricht von der Verhaftung Maríns so gerne in ihrem
       Haus in Yucatán vernommen, schrieb sie. Doch dort könnte sie jederzeit
       ermordet werden.
       
       16 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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