# taz.de -- Geflüchtete in Griechenland: Sturm, Hagel und feuchte Zeltwände
> Auf Lesbos leben nach dem Brand des Lagers Moria noch immer Tausende
> Menschen in einem provisorischem Camp. Winterfest ist es nicht.
IMG Bild: Temperaturen um den Gefrierpunkt und ein Lager direkt an der Küste (im Hintergrund)
Berlin taz | Die Bedingungen seien „menschenunwürdig“, findet Efi Latsoudi.
„Die Menschen frieren.“ Seit Jahren setzt sich Latsoudi auf der
griechischen Insel Lesbos für Geflüchtete ein. „Wenn ich mit den Menschen
spreche“, erzählt sie, „fragen sie mich, warum sie in Europa wie Tiere
gehalten werden.“ Die meisten seien verzweifelt und würden immer mehr an
Vertrauen in Europa verlieren.
Etwa 15.000 geflüchtete Menschen leben derzeit auf den griechischen Inseln.
7.000 von ihnen leben in dem provisorischen Camp Kara Tepe auf Lesbos,
nachdem auf der Insel im September [1][das berüchtigte Flüchtlingslager
Moria ausbrannte]. Doch die Hoffnung auf eine bessere
Flüchtlingsunterkunft wurde nach dem Brand im Keim erstickt.
Durch die Lage des neuen, provisorischen Lagers unmittelbar an der Küste
seien die Menschen oft starkem Wind ausgesetzt, berichtet Peter Kessler,
Sprecher der UN-Hilfsorganisation UNHCR. „Wir haben schon lange Bedenken
geäußert hinsichtlich der Eignung des Standorts, auf dem das
Flüchtlingscamp gebaut wurde.“
In den vergangenen Tagen haben die BewohnerInnen die Probleme des neuen
Lagers besonders stark zu spüren bekommen. Während Griechenland die
heftigsten Schneefälle seit einem Jahrzehnt erlebte, wurde auch Lesbos von
heftigem Sturm, Hagel und Schneeregen heimgesucht. Die Temperatur auf der
Insel bewegt sich derzeit um den Gefrierpunkt.
„Das alles erschwert die Situation zusätzlich“, sagt Kessler. Mit
Schlafsäcken, Wärmedecken und zahlreichen Zeltplanen versuchen
Hilfsorganisationen nun, den Menschen dabei zu helfen, die Kälte und den
Sturm zu überstehen.
Zwar betont der griechische Migrationsminister Notis Mitarachi, dass das
Lager Kara Tepe weitgehend winterfest sei. Doch auch Monate nach dem Brand
von Moria ist nicht einmal eine basale Infrastruktur vorhanden.
Ein Problem etwa sei der Lehmboden, berichtet Kessler. Wasser könne auf
diesem nicht schnell genug abfließen. „Nach Regenfällen sind zahlreiche
Stellen schlammig“, sagt er. Obwohl einige der Zelte auf Euro-Paletten
stehen, läuft immer wieder Wasser durch die Planen. Andere Zeltböden
versinken im Schlamm. Auch können die Zelte nicht beheizt werden; die
Warmwasserversorgung reicht längst nicht aus; und täglich kommt es zu
Stromausfällen.
## Unsicherheit besonders für Frauen
„Das Trinkwasser muss in Tankwagen geliefert werden, und von den 404
Chemietoiletten im Lager sind täglich nur etwa 291 in Betrieb, während die
restlichen gereinigt werden müssen“, sagt Kessler. Für die 7.000
BewohnerInnen stünden derzeit nur 155 Warmwasserduschen und 20 Duschen mit
kaltem Wasser zur Verfügung. „Häufig sind Türen oder Schlösser kaputt, was
besonders bei Frauen und Mädchen für zusätzliche Unsicherheit sorgt“, sagt
der UNHCR-Sprecher.
Um die Essensversorgung in dem provisorischen Lager kümmert sich das
griechische Militär, denn selbst kochen ist seit dem Brand in Moria streng
verboten. Das neue Camp ist mit Stacheldraht umzäunt und wird bewacht.
Außerdem gilt ein strikter Lockdown, weswegen die Menschen das Lager nur
einmal in der Woche für ein paar Stunden verlassen dürfen.
Latsoudi sorgt sich besonders um die rund 2.500 Minderjährigen in dem Camp.
„Die Kinder leiden besonders unter der Situation hier“, erzählt sie. Sie
sähen, wie ihre Eltern verzweifelten, und verlören jeglichen Halt.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete von Kindern, die
aufgehört haben zu sprechen, sich vor angestautem Stress selbst beißen oder
sich die Haare ausreißen. Viele seien apathisch und trauten sich kaum aus
ihrem Zelt.
„Die physischen Umstände sind tragisch“, betont Latsoudi, „doch durch ihre
Hilflosigkeit werden die Menschen vor allem psychisch immer weiter
zerstört.“
17 Feb 2021
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## AUTOREN
DIR Theodora Mavropoulos
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